Some believe that before the universe, there was nothing. They are wrong. There was darkness... and it has survived.
Der Stoff, aus dem die Abenteuer von
Marvels Donnergott Thor gestrickt sind, ist wahrlich kein Shakespeare, auch wenn Kenneth Branagh diese Erkenntnis einst gekonnt mit Füßen trat, indem er uns kurzerhand vom Gegenteil überzeugte. Denn seine unprätentiöse und teils herrlich selbstironische Götter-Fantasy „
Thor“ [2011] bewies eindrucksvoll, dass poppige Comicvorlagen durchaus auch auf der großen Leinwand funktionieren können, wenn man es denn richtig angeht. Und so bildete dieser auch an den Kinokassen recht erfolgreiche Film ein kleines, häufig unterschätztes Highlight in
Marvels erster Filmphase, die mit dem triumphalen Helden-Klassentreffen „
The Avengers“ [2012] endete.
„THOR – THE DARK KINGDOM“ [2013] (
„Thor: The Dark World“) setzt unmittelbar nach den Ereignissen in „The Avengers“ ein: Loki (Tom Hiddleston), der Adoptivbruder von Thor (Chris Hemsworth), dem zukünftigen König von Asgard, soll sich in der Heimat der Götter für seine Taten in New York verantworten. Doch als die totgeglaubten, urzeitlichen Dunkelelfen, deren Anführer Malekith (Christopher Eccleston) die Neun Reiche in ewig währende D
unkelheit tauchen möchte, plötzlich wieder auf der Matte stehen, sieht sich unser Donnergott kurzerhand dazu gezwungen, mit Loki zusammenzuarbeiten, um die Gefahr abzuwenden, die auch das Leben der Erdenmenschen – und damit ebenfalls das von Jane (Natalie Portman), Thors zurückgelassener Liebe – bedroht.
Was zunächst ins Auge des Betrachters sticht, ist der grobkörnigere Look, der den Film ungleich erwachsener als seinen direkten Vorgänger erscheinen lässt. Dessen Theaterhaftigkeit der Inszenierung, welche Branaghs Herkunft als Regisseur unzähliger Bühnenstücke widerspiegelte, hat nun, zwei Jahre später, einer actionorientierteren Machart Platz gemacht. Epische Schlachten zu Himmel, Götterwelt und Erde in Breitbild-Optik, wirklich beeindruckende Panoramen und krachende Digital-Effekte im beinahe Minutentakt lassen keinen Zweifel daran, dass dies nach „
Iron Man 3“ [2012], von dessen Finale sich
Avengers-Regisseur Joss Whedon damals ungemein beeindruckt zeigte, einen weiteren bombastischen Nachklapp zu Whedons erfolgreichem Superhelden-Actioner bedeutet. Wenn man es genau nimmt, lassen sich sogar gewisse Parallelen nicht von der Hand weisen: Da wie dort kommt die drohende Gefahr aus den Weiten des Alls, und es gibt wieder einen Erdenort, der stellvertretend für die ganze Welt verwüstet wird. Doch sollte man sich repetierende Muster nicht allzu sehr auf die Goldwaage legen, geht es doch immerhin um eine Comicverfilmung, die jedesmal eng mit den Gegeben- und Eigenheiten der Vorlage verhaftet bleibt oder es zumindest bleiben sollte. Und so ist es bei
„THOR – THE DARK KINGDOM“ auch bestimmt nicht die einfach gestrickte Geschichte, die man vornehmlich kritisieren sollte, da sie den Ton der Comics recht gut trifft. Regisseur Taylor reduziert in seinem
Marvel-Einstand den trashigen Charme des Donnergotts sogar auf ein vertretbares Minimum und inszeniert die Götter-Fantasy als bildgewaltiges Effekte-Potpourrie, das frech, aber nicht minder sympathisch Versatzmuster der jüngsten Blockbuster-Geschichte bemüht, um ihnen im nächsten Schritt einen eigenen, individuellen Stempel aufzudrücken.
Dass dieser Schritt nicht nach hinten losgeht, liegt vor allem an der Ernsthaftigkeit, die Taylor inmitten der Effekteschlacht immer wieder durchblicken lässt. Eben noch wurde sich in bester
Star Wars-Manier ein Luftkampf geliefert, und plötzlich ist man aber mittendrin in einer berührenden Szene zwischen Thor und Jane, in der unser Donnergott so hilflos, verwundbar und angreifbar wie schon lange nicht mehr erscheint. Das Spektakel gewinnt, abgesehen vom wahrlich irren Finale, das im wahrsten Sinne des Wortes durch die Welten springt, niemals so recht die Oberhand, sondern hält sich trotz imposanter Präsentation meistens im Hintergrund und donnert dort vor sich hin. Das ist vor allem deswegen äußerst erfrischend, weil moderne Multimillionen-Dollar-Comicverfilmungen mitunter ja doch eher zum Klotzen denn zum Kleckern neigen. Nicht so hier: In den perfekt getricksten Digitalwelten ist immer noch Platz für menschliche (und göttliche) Schicksale. Keine Angst: Wem der Seelenstriptease eines
Christopher-Nolan-Batmans damals zuviel des Guten war, muss hier keine erneute Superhelden-Therapie-Sitzung befürchten. Dazu ist das action- und emotionsgeladene Geschehen dann doch etwas zu straff auf die unterhaltsamen, kurzweiligen 112 Minuten ausgelegt worden. Zeit, die im Grunde reicht...
Zu schade, dass dann doch ausgerechnet dieser angesprochene Zeitfaktor den Hauptkritikpunkt ausmacht. Nicht dass der Film im Ganzen zu kurz geraten wäre, im Gegenteil. In Zeiten, wo manch einer zuweilen noch mit Bedauern moniert, dass dieser oder jener Film unter zwei Stunden läuft (was ja rein rechnerisch nur das knappe 40-fache eines herkömmlichen Kinotrailers ausmacht), dürfen und sollten Beiträge wie dieser ruhig wieder ein wenig zurück auf den Boden der nicht breiten, sondern angenehm gestrafften Tatsachen lenken. Nein, es ist vielmehr das offenkundige Desinteresse an eingeführten Nebenfiguren, welche neben dem Donnergott und seinem Adoptivbruder diesmal niemals so richtig zur Geltung kommen wollen. Klar war es bereits im Vorgänger gerade das Zusammenspiel zwischen dem ungleichen Darsteller-Duo
Chris Hemsworth („
Snow White and the Huntsman“ [2012]) und
Tom Hiddleston („
Gefährten“ [2011]), welches neben der ungewohnt theatralisch-selbstironischen Inszenierung den größten Reiz ausmachte. Doch damals wurde wenigstens, freilich um die unzähligen Nebenfiguren zu etablieren, deren Charakterentwicklung nicht vergessen und ein wenig Laufzeit darauf verwendet, die jeweilige Person interessant zu präsentieren. Davon spürt man nun so gut wie gar nichts mehr.
Anthony Hopkins („
Wolfman“ [2010]) ist als Odin gar nur Stichwortgeber, während Rene Russo („Outbreak“ [1995]) als Thors Mutter überhaupt gar keine Chance bekommt, ihrer Performance etwas Glanz zu verleihen. So schnell, wie sie auftaucht, ist sie auch schon wieder aus der Geschichte verschwunden – und das trifft leider noch auf unzählige weitere Figuren zu, die den Weg der Helden in diesem weltenumspannenden Trip kreuzen.
Etwas mehr Glück haben da schon
Stellan Skarsgård („
Mamma Mia!“ [2007]) und
Kat Dennings („
Charlie Bartlett“ [2007]), die zwar auch nicht viel Leinwandzeit spendiert bekommen, dafür jedoch mit einigen guten Gageinlagen punkten können. Wirklich wichtig sind ihre Rollen in dieser einfach-gestrickten und teils etwas unlogischen Geschichte bis auf wenige Ausnahmen hingegen nicht. Das, was geschieht, passiert, weil es passieren soll, weil es eben eine Superheldenverfilmung ist. Man blättert die Seiten um und erfreut sich an den bunten Bildern, die Dinge zeigen, die schlicht unvorstellbar-abgefahren sind. Das ist nun einmal das Genre, das ist
Marvel, das ist Kino der imposanten Bilder, in dem Comicfans trotz einiger Abweichungen von der Vorlage zumeist jubeln, während manch ein Anderer den Kopf schüttelt. Sicherlich ist dies kein makelloser Film, und selbstverständlich mögen einige der angebrachten Kritikpunkte bei dem ein oder anderen Zuschauer schwerer wiegen als bei dem Verfasser dieser Zeilen. Doch um noch einmal auf den Anfang zurückzukommen: Dies ist kein Shakespeare, und vielleicht würde der gute William, gefragt nach seiner Meinung, sich ja selbst zitieren:
Auf Dinge, die nicht mehr zu ändern sind, muss auch kein Blick zurück mehr fallen! Was getan ist, ist getan und bleibt`s.
Womit man es dann auch schlicht belassen sollte. Denn
„THOR – THE DARK KINGDOM“ ist, alles zusammengenommen, immer noch ein überdurchschnittlicher
Marvel-Blockbuster, der garantiert nicht alles, aber letztlich doch recht viel richtig macht. Kurzum: Amüsante, actionreiche und kurzweilige Kinounterhaltung. Das nächste Abenteuer kommt bestimmt.
Cover & Szenenbilder: © 2013 MVLFFLLC. TM & © 2013 Marvel. All Rights Reserved.