„Ladies, children, sheep... Some people call me a terrorist. I consider myself a teacher. Lesson number one: Heroes, there is no such thing.“
Marvels ausgeklügelte Strategie, in kontinuierlichen Abständen Einzelabenteuer berühmter Comic-Superhelden auf die Leinwand zu bringen, um sie alle am Ende in einem großen Abenteuer zu vereinen, ging bisher voll auf. So markierte das heroische Klassentreffen in „
Marvel's The Avengers“ 2012 den krönenden, weltweit erfolgreichen und vorläufigen Abschluss einer Serie von Helden-Epen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. In „
Thor“ [2011] bestritt der gleichnamige Donnergott unter der Regie der irischen Shakespeare-Ikone Kenneth Branagh ein ironisch-actiongeladenes Abenteuer, das gekonnt zwischen hochbudgetiertem Trash und dem Ernst einer Theaterinszenierung pendelte, während „
Der unglaubliche Hulk“ [2008] einfach seiner Wut freien Lauf ließ und effektreich mächtiges Chaos verbreitete. Dem konnte „Captain America – The First Avenger“ [2011] in Gestalt von Chris Evans mit seiner zwar bildgewaltigen, aber im Großen und Ganzen dann doch arg biederen Vorstellung erfahrungsgemäß nur wenig entgegensetzen. Sie alle hatten sogesehen sowieso keine Chance gegen Tony Stark,
den Playboy und Lebemann überhaupt, der sich mit einer selbstgebastelten Hightech-Prothese bereits in zwei ironisch-actiongeladenen Blockbustern behauptet hatte. „
Iron Man“ [2008] war anders, frech und bei allem Spaß doch immer ganz nah am Nabel der Zeit, auch wenn die zwei Jahre später realisierte Fortsetzung „
Iron Man 2“ [2010] diesen Aspekt etwas unter den gehörig mit Schutt und Asche bedeckten Teppich kehrte. Erfolgreich waren die Filme allesamt, weshalb es nicht verwundert, dass sich der exzentrische Geschäftsmann im Jahre 2013 anschickt, mit seinem dritten Abenteuer die zweite Phase der
Marvel-Kinoblockbuster einzuläuten. Und diese legt bereits ordentlich vor.
Er heißt
Mandarin (Sir Ben Kingsley) und schafft es innerhalb kürzester Zeit, Tony Stark a.k.a. Iron Man (Robert Downey Jr.) annähernd all das zu nehmen, was ihm in seinem Leben jemals etwas bedeutet hat. Am Boden zerstört, getrieben von Selbstzweifeln und von einer tiefen Sinnkrise gebeutelt, nimmt der exzentrische Egomane den Kampf gegen seinen bisher wohl schwierigsten Gegner auf. Doch dieses Mal scheint Iron Man erstmals an seine Grenzen zu stoßen. Denn neben dem auf allen TV-Kanälen omnipräsenten Terroristen
Mandarin meldet sich plötzlich auch noch ein anderer Gegner in Gestalt von Dr. Aldrich Killian (Guy Pierce), der eine gar revolutionäre Erfindung in der gefährlichen Hinterhand hat...
WER BIN ICH? Es ist dies die zentrale Frage des dritten Iron Man-Films, der sich damit bereits in der Ausgangslage vielschichtiger als der direkte Vorgänger präsentiert. Selten zuvor haben wir Tony Stark derart zerrissen gesehen, derart unsicher. Doch was anfangs vielleicht etwas befremdlich erscheint, ist nur die logische Fortführung der Geschehnisse in „The Avengers“. Denn plötzlich musste Stark erkennen, dass er, der Egomane mit Superheld-Allüren, nicht so einzigartig ist, wie er doch immer so gerne zu sein vorgibt. Das direkte Zusammenspiel mit den neuen Superheld-Kollegen, die plötzlich in sein Leben traten, gipfelte in einem dramatischen Finale, aus dem die Avengers vorerst zwar siegreich hervorgingen. Doch ohne die Hilfe der Anderen hätte Iron Man, der einstige Einzelkämpfer, diesen Kampf nicht überlebt. Ein schwerer Schlag, der unter der rauen Playboy-Fassade doch mehr Risse produziert hat, als man hätte erahnen können. Denn mit einem Mal muss sich Tony Stark die Frage stellen, ob er, der Mensch in der eisernen Rüstung, das gewählte Helden-Leben beherrscht, oder aber die selbstgebastelte Rüstung in seinem Leben den Ton angibt. Vorher eine untrennbare Verbindung, sitzt nun während einer Szene ein einfacher Mensch mittleren Alters, einzig und allein ausgestattet mit Ecken und Kanten, neben einer Hightech-Rüstung auf einem Sofa. Wortlos, allein, wie ein Ehepaar, das sich im Laufe der Jahre auseinander gelebt hat. Ist es schon so weit gekommen? Diese Frage schießt auch Tony Starks Freundin Pepper Potts (Gwyneth Paltrow) durch den Kopf, als ihr gewahr wird, dass ihr Liebster sich lieber in seiner Werkstatt „vergnügt“ und eine ferngesteuerte Drohne vorschickt, um mit seiner angeblichen Herzensdame zu flirten. Da kann selbst ein riesiges Plüschtier nichts mehr retten: die Fronten sind verhärtet. Und als wäre das nicht genug, reißen den einst strahlenden Helden in unregelmäßigen Abständen auch noch heftige Panikattacken aus dem Alltagstrott. Kurzum: Der Iron Man, wie wir ihn kennen, steht am Scheideweg. Und nur er selbst kann dies ändern, koste es, was es wolle.
ALLES SO SHANE BLACK HIER. Keine Frage:
Shane Black, Regisseur („Kiss Kiss Bang Bang“ [2005]) und in den 1980er und 1990er Jahren gefeierter Drehbuchautor in der Traumfabrik (unter anderem für die „Lethal Weapon“-Reihe), wählte für
„IRON MAN 3“ einen interessanten, neuen Ansatz, indem er seine Hauptperson, die abermals von
Robert Downey Jr. („
Nur für Dich - Only You“ [1994]) kongenial verkörpert wird, gewissermaßen zurück auf Start setzt, um zu definieren, was einen Helden ausmacht. Ist er es selbst oder seine Hightech-Prothese? Oder beides zusammen? Die Antwort liegt irgendwo dazwischen und findet eine recht konkrete Beantwortung am Ende des Films, die uns Tony Stark in einem süffisant vorgetragenen Off-Kommentar gibt. Bis dorthin ist es jedoch ein langer Weg und
„IRON MAN 3“ zuvörderst eine Art Befreiungsschlag. Black, der einst die höchsten Gagen für seine Drehbücher einstrich und dann, an einer Schreibblockade leidend, Mitte der Neunziger in der Versenkung verschwand, um ein ganzes Jahrzehnt später mit seinem Regiedebüt „Kiss Kiss Bang Bang“ wieder voll durchzustarten, hat seine spezielle Art, Filme zu erzählen, nämlich keinesfalls verlernt. So atmet auch dieser neueste
Marvel-Erguss unter seiner Federführung mit seinen ausladenden Actionsequenzen und dem ein oder anderen coolen Schlagabtausch eindeutig den Geist einer klassischen 80er-Jahre-Actionkomödie. Nur sind es diesmal nicht Mel Gibson und Danny Glover, sondern Downey Jr. und
Don „Rhodey“ Cheadle („Flight“ [2012]), die sich gekonnt die Dialogbälle zuspielen. Black scheint, ebenso wie Downey Jr., seine schwere Vergangenheit vollends überwunden zu haben, und man mag gar nicht dran denken, was aus
„IRON MAN 3“ hätte werden können, wenn das Studio im Rücken ihm freie Bahn bei der Gestaltung gelassen hätte. Angeblich musste der interessante
Demon in a Bottle-Aspekt der Comics (Tony Stark verfällt zusehends dem Alkohol, nachzulesen in
The Invincible Iron Man 120 - 128 [1979]) wieder aus dem Drehbuch gestrichen werden. Zu harter Tobak? Womöglich.
WEHE, WENN ER LOSGELASSEN. Und doch muss man
„IRON MAN 3“ selbst in seiner nunmehrigen Gestalt vorhalten, dass er allzu viel will, aber es letztlich nicht hundertprozentig zu geben in der Lage ist. Es ist zwar längst nicht soweit, dass der im Film angesprochene Glückskeks-Vergleich greift (hohl, voller Lügen, und am Ende bleibt ein fader Nachgeschmack), doch angesichts des Potentials, das in fast jeder Szene zu spüren ist, enttäuscht der Film am Ende dann doch ein wenig. Zu undurchsichtig sind die Motive des Bösewichts, zu wenig konsequent der Film bei seiner Charakterisierung des tragischen Helden in der Rüstung – hier wäre durchaus
noch mehr drin gewesen. Gut, das ist Jammern auf hohem Niveau, dem toll getimte Actioneinlagen, ein schmissiger Soundtrack (der erste Kulturschock wartet direkt am Anfang!) und bestens aufgelegte Schauspieler gegenüberstehen. Macht dies den Film nun schlecht? Nein, keineswegs. Er ist aber auch nicht
der erwartete Überflieger. Vielmehr siedelt er sich zwischen dem großartigen ersten Teil und dem spaßigen, aber dann doch nur netten zweiten Teil ein. Also irgendwie doch nicht zurück auf Anfang, sondern kurz vor dem Ziel am eigenen Anspruch gescheitert? Nein, das wäre zu hart. Denn irgendwo in den Tiefen seines Zelluloid- respektive Digitalkörpers ist
„IRON MAN 3“ mit all seinen tollen Ideen der beste Teil der Reihe. Er hat nur bisher leider nicht die Chance erhalten, dies auch zu zeigen. So tönt es aus allen Rohren und sieht darüber hinaus auch noch unverschämt cool aus. Aber am Ende des Tages ist dieses dritte Abenteuer doch nur eine rundum solide Superheldenverfilmung, in der sich Qualitäten und Mängel gekonnt die Waage halten.
Eine kleine Notiz noch zur 3D-Umsetzung (ohne Einfluss auf die Bewertung): Aufgrund des schnellen Schnitts geht in der konvertierten Fassung mehr als einmal der Überblick verloren, was unweigerlich dazu führt, dass man aus dem Film gerissen wird. Genaugenommen hat das 3D nach Ansicht des Rezensenten hier keinerlei Mehrwert, weshalb der Film am besten in klassischem 2D begutachtet werden sollte. Was schwierig werden dürfte...