Abteilung „
Ich wollte diesen Film ja wirklich mögen“: mit dem vorliegenden „The Wolfman“ steht erneut – wie sollte es auch anders sein – ein Remake auf dem Programm, denn scheinbar fällt Hollywood momentan aber auch gar nichts neues mehr ein. Joe Johnstons Streifen ist eine Neuverfilmungen des gleichnamigen Klassikers aus dem Jahre 1941 mit Lou Chaney Jr. in der Titelrolle. Einigermaßen mutig ist die Idee, den Film immer noch im England des ausgehenden 19. Jahrhunderts spielen zu lassen. Mit einem interessanten Cast und einem dicken Budget von circa 85 Millionen Dollar standen die Zeichen ja eigentlich ganz gut; vor allem auch, weil Rick Baker für das Makeup zuständig ist und niemand geringeres als Andrew Kevin Walker das Script schrieb. Umso verwunderlicher ist es dann, dass das Ergebnis fürchterlich ist und gerade im Bereich des Drehbuchs der Film so richtig in die Binsen geht.
Der Schauspieler Lawrence Talbot erhält von Gwen Conliffe einen Brief. Diese ist die Frau seines Bruders und seit kurzem Witwe, da ihr Mann nachts unter ungeklärten Umständen regelrecht zerfleischt wurde. Lawrence kehrt zurück in seine Heimat und trifft alsbald auf seinen kühlen Vater Sir John sowie dessen indischen Diener Singh. Bei seinen Ermittlungen in einem Zigeunerlager wird er Zeuge eines Gemetzels und selbst schwer verletzt, überlebt jedoch dank der Heilkräfte der Zigeunerin Maleva. Doch schnell
stellt sich heraus: Lawrence verwandelt sich nun jeden Vollmond in ein Monster um Jagd auf Menschen zu machen. Er wird geschnappt und in London inhaftiert, kann sich jedoch befreien. Inspektor Abberline von Scotland Yard bläst nun zur Werwolfjagd im ländlichen England...
Zu meiner Schande muss ich eingestehen, dass ich das Original (noch) nicht kenne – die DVD steht zwar im Rahmen der Monster Legacy Collection schon ewig hier, aber aus nicht festzumachenden Gründen habe ich den Film noch nie gesehen. Was ich aber auch ohne Kenntnis des Originals mit absoluter Sicherheit sagen kann: Joe Johnstons Neuverfilmung ist mies. Und damit meine ich richtig, richtig mies. Aber, zugegebenermaßen, muss ich ebenso feststellen, dass ich im Kino in letzter Zeit selten so viel gelacht habe, wie bei diesem Film. Nur ist das wohl kaum die Absicht von „The Wolfman“ gewesen. Trotzdem ist der Film sowas von doof und sinnlos, es würde einem Uwe Boll locker zu Ehren gereichen. Wo die Optik, die Ausstattung und das Handwerk meistens noch begeistern können (aber mal ehrlich: erwartet man etwas anderes bei 85 Millionen Dollar?), bricht der Film durch das Drehbuch völlig in sich zusammen. Es erscheint schwierig, all die Dämlichkeit des Films zusammenzufassen, ohne zu viel zu spoilern bzw. es für einen Leser, der den Film (noch) nicht kennt, verständlich zu machen. Trotzdem will ich das im Folgenden mal versuchen,
minor spoilers sicherlich inklusive.
Wo soll ich nur anfangen? Beginnen wir doch mal bei der eigentlichen Darstellung des Werwolfes. Dieser scheint mehr oder minder aus Spaß an der Freude nachts zu morden; Instinkt siegt über das zivilisierte Ich, der Werwolf lebt sich aus. So weit, so gut. Nur dumm, dass der Film – und das gilt allgemein – sich munter selbst widerspricht. Da metzelt sich Lawrence durch versammelte Wissenschaftler, da er als Werwolf über sich selbst die Kontrolle verliert; aber nur, solange das für das Drehbuch sinnvoll erscheint! Trifft er dann auf den Werwolf, der ihn gebissen hat (
na, wer wird das wohl sein...), scheinen beide Werwölfe bei Bewusstsein zu sein, und gezielt handeln zu können! Aber egal, schon 5 Minuten nach diesem Kampf verliert Lawrence wieder die Kontrolle und tötet beinahe Gwen. Diese hat übrigens die Tötung Lawrence 10 Minuten zuvor verhindert, indem sie Abberline anrempelte und damit den Schuss versaute, obwohl sie genau wusste, dass es keine Erlösung für Lawrence gibt! Diese „Info“ erhält sie übrigens von Geraldine Chaplins als Zigeunerfrau Maleva, die sich immer noch im
Bloodrayne-Autopilot befindet: sie spielt exakt die selbe „Achtung, Aufwachen: Exposition“-Rolle, als wäre ihr Auftritt eine Ansammlung von übriggebliebenen Schnittresten des Bollwerks.
Aber auch sie widerspricht sich natürlich ständig selbst, als sie Lawrence zu Beginn rettet obwohl sie im selben Moment noch sagt, man solle ihn seinem Schicksal überlassen und auch ihr Zusammentreffen mit Gwen endet sprichwörtlich im Nirgendwo. Stichwort Nirgendwo: Widersprüche wechseln sich mit Logiklöchern ab, dass es eine wahre Freude ist. Liest denn wirklich niemand diese Drehbücher, bevor man wieder 85 Millionen Dollar in den Äther bläst? In „The Wolfman“ gibt praktisch nichts Sinn, Anthony Hopkins schmuggelt da auch schonmal ein Rasiermesser in eine geschlossene Psychiatrie, da er scheinbar nicht auf Waffen oder andere Dinge zur Befreiung seines eigenen Sohnes untersucht wurde! Selbstverständlich verschwindet aber auch dieses Messer danach komplett aus der Handlung! Ach, Stichwort Hopkins: der ist eines der Highlights des Films, nicht aufgrund seines Könnens, sondern weil sich diese Figur mit wirren Haaren in noch wirreren Monologen ergeht; so redet kein Mensch, nichtmal im England des 19. Jahrhunderts! Und herrlich, wie der Film ein Big Suspense um die Identität des ursprünglichen Werwolfs macht. Kontinuität ist ebenso ein Fremdwort, wenn Abberline in einer Vollmondnacht in London einem Polizisten sagt, er solle telegrafieren dass Waffen ausgegeben werden sollen, zwei Minuten später jeder Bulle in London eine Flinte trägt, obwohl exakt jener Polizist
in diesen zwei Minuten noch mit dem Block in der Hand niedergemetzelt wurde! Gott, ich kanns nicht glauben wie dumm das ganze ist!
Gemetzelt wird dafür reichlich, die Freigabe ab 16 erscheint wiederrum sehr fragwürdig. Aber vielleicht auch deshalb, weil kein Mensch diesen Film tatsächlich ernst nehmen kann, so erschütternd zum Haare raufen diese Angelegenheit ist. Verdächtigungen gegen einen Zirkusbären der Zigeuner dienen nur dazu, einen schlecht animierten CGI-Bären für 5 Sekunden zu zeigen, der sich danach – natürlich – sang- und klanglos aus Szene und Handlung verabschiedet. Gwen dient als Love-interest auf eine Art und Weise, die nicht ansatzweise funktioniert: na klar, ihr Mann starb auf fürchterliche Art und Weise, und nach 2 Tagen der Bekanntschaft mit Lawrence verliebt sie sich in ihn, da sie mit ihm Steine in einen See wirft! Aber egal, diese Rolle hätte man komplett rausstreichen können, der Film hätte nicht ansatzweise etwas verloren! Achja, wo schon mal das Wort „verloren“ gefallen ist: Auf verlorenem Posten steht dann Inspector Abberline, der zwar scheinbar von Scotland Yard bereitwillig mit Silberkugeln ausgestattet wird, aber scheinbar nicht mehr als 5 Kollegen zugeteilt bekommt um einen Werwolf zu jagen, der unter Zeugen in Londons Wissenschaftlergemeinde ein riesiges Blutbad veranstaltete, obwohl Scotland Yard ganz genau weiß, wo dieser sich aufhält! Verdammte Axt, mein Hirn blutet!
Natürlich wird das Wort „Werwolf“ auch nie in den Mund genommen, obwohl schon zu Beginn die Mythologie mit Silberkugeln etc. den Filmfiguren bekannt ist! Die Filmfiguren sind dabei entweder Stereotypen oder Gefangene ihrer Rollen. So wird etabliert, dass Abberline (der übrigens den historischen Ermittler im Fall von Jack the Ripper darstellt – ja, auch das trägt 0,0 zur Handlung bei, aber scheinbar hatte man gerade nichts anderes zu tun, als diese Dialogzeile ins Script zu schreiben), zu Beginn gegenüber den Talbots nicht handeln kann, da ihm die rechtliche Grundlage fehlt; dies hält ihn aber eine Filmstunde später nicht ab, Gwen unter völlig fadenscheinigen Gründen ohne jeglichen Verdacht festnehmen zu lassen (abgesehen davon, dass Gwen in der unmittelbar folgenden Szene scheinbar schon wieder auf freiem Fuß ist, aber was reg ich mich überhaupt noch drüber auf...)! „The Wolfman“ ist auf Drehbuchebene ein wahres Inferno, löchriger als ein Schweizer Käse aber damit auch ein Fest des schlechten Geschmacks, wenn man auf die Jagd nach schlicht und ergreifend doofen Szenen geht.
Genug vom Drehbuch; würde ich alles aufzählen, würde selbst die Kritik zu Cannibal Holocaust noch kurz erscheinen. Aber auch die Inszenierung von Joe Johnston hat es geschafft, mich schon nach 5 Minuten so derart zu nerven, dass der Film seine Chance auf Gefallen quasi schon mit den Opening Credits mit vollem Karacho gegen die Wand fuhr. Da wagt man also den Schritt, diese eigentlich klassisch gothische Gruselgeschichte auch in ihrem Ambiente zu belassen, kommt aber nicht auf die Idee, auch die Inszenierung zumindest minimal anzupassen. Dementsprechend ergeht sich „The Wolfman“ in sinnlosen und unendlich vielen vordergründigen BUH!-Effekten, die ohne Atempause eingesetzt werden. Nicht ein einziges Mal wird tatsächlich der Versuch unternommen, so etwas wie Atmosphäre aufzubauen; lieber verlässt man sich auf laute Geräusche auf der Tonspur und einen harten Schnitt auf der Leinwand. Oh halt, es gibt eine Rückblende mit sowas ähnlichem wie Atmosphäre, nur dass hier auf einmal versucht wird, völlig sinnbefreit ein Geisterfilm emuliert zu werden – selbstverfreilicht endet auch diese im absoluten Nirgendwo! Und das die Konfrontation der beiden Werwölfe durch den massiven Einsatz von CGI und allgemeinem Mayhem deutlich an Wucht und Dramatik verliert als es vielleicht bei einer intelligenten Auseinandersetzung der beiden Menschen der Fall wäre, versteht sich von selbst. Hauptsache noch ein bisschen mehr Action, Gewalt und Computereffekte - „Sean S. Cunningham School of Filming“, ick hör dir trappsen.
Insofern ist „The Wolfman“ ein waschechter Flop, ein Trashfest allererster Güte, aber durch das größtenteils gute Handwerk leider auch nicht so richtig „so bad it's good“. Der Film fährt neben dem einigermaßen interessanten Cast eines der unglaublich schlechtesten Drehbücher der jüngeren Zeit auf, so dass man es irgendwie doch selbst gesehen haben muss, um diese Kraterlandschaft von Handlung und Kohärenz glauben zu können.
Und nun noch ein einsames Highlight zum Schluss: wenn man schon Hugo Weaving an Bord hat, der uns ja auch den Elrond in „Herr der Ringe“ machte, kann man gleich noch ein paar frühe CGI-Tests von Gollum mit einbauen! Warum? Keine Ahnung, diese Frage bitte an Andrew Kevin Walker weiterleiten. Auch hier wie immer: es ist überflüssig zu sagen, dass diese Szenen absolut gar nichts zum Film beitragen.
Geraldine Chaplins Bloodrayne-Filmreste – hat ja schon beim ersten Mal so gut funktioniert - und Gollum: ja,
genau das will ich sehen, wenn ich mir „The Wolfman“ anschaue. Ist klar.