„I have an army.”
„We have a Hulk.”
In der Welt der Comics sind sie schon lange kein unbeschriebenes Blatt mehr: Als die „Avengers“ kämpfen die erfolgreichsten
Marvel-Comichelden, namentlich Iron Man, Der unglaubliche Hulk, Thor, Captain America, Hawkeye und Black Widow, seit nunmehr schon 49 Jahren mit geballter Kraft, Geschick und übernatürlichen Fähigkeiten gegen das Unheil in dieser Welt. Von ihren Fans gerne als der heilige Gral des
Marvel-Universums betitelt, ist diese Reihe gerade deshalb so populär, weil sie das nicht einfache Kunststück vollbringt, Figuren, die bereits seit Jahrzehnten bekannt und beliebt sind, wortwörtlich unter einem Dach zu vereinen. So erscheint es zunächst vielleicht ein wenig seltsam, dass es vor dem heutigen Tage keine nennenswerte Realverfilmung des Comics ins Kino geschafft hat, wo doch in Hollywood die Uhren bekanntlich schneller ticken, als man sie stellen kann. Aber ausnahmsweise hat die zeitliche Verzögerung, die Fans des Comics wie eine gefühlte Ewigkeit vorgekommen sein mag, hier einen einfachen und äußerst triftigen Grund: Erst der weltweite Erfolg von „
Iron Man“ [2008], der mit einem geschickt nach dem Abspann platzierten Appetizer erste Anzeichen für eine nahende Kinoniederkunft der „Avengers“ nährte und die Fans auf der ganzen Welt in helle Aufregung versetzte, bestärkte die Verantwortlichen darin, die
aufwendige Arbeit an der vielleicht ambitioniertesten Serie aus dem
Marvel-Universum in Gang zu bringen. Und einen Querverweis in „
Der unglaubliche Hulk“ [2008] später war dann alles auch schon beschlossene Sache.
Vier Jahre verstrichen, in denen neben der Black Widow (in „
Iron Man 2“ [2010] mit einer signifikanten, aber kleinen Nebenrolle abgestraft) und dem Gott „
Thor“ [2011] auch noch der Marvel-Superheld „
Captain America: The First Avenger“ [2011] das Licht der Leinwand erblickte. Es war für
Marvel zugegebenermaßen ein wenig risikobehaftet, zunächst eigenständige Filme mit diesen Helden zu produzieren, während im Hintergrund bereits fieberhaft an der Megaproduktion
„THE AVENGERS“ gewerkelt wurde. Doch nachdem sowohl „Thor“ als auch „Captain America“ jeweils ihr Publikum fanden, sollte sich das Selbstvertrauen der Verantwortlichen letztlich bezahlt machen. Denn auch wenn man die vorangegangenen Abenteuer nicht unbedingt für das Gesamtverständnis benötigt, da jeder der Filme im Grunde einzeln für sich allein stehen kann, ist
„THE AVENGERS“ nicht mehr und nicht weniger als das, worauf die Superheldenverfilmungen der letzten Jahre hingearbeitet haben: die hochbudgetierte Zusammenkunft von Comic-Ikonen. Und ein hochklassiger Blockbuster noch dazu.
Thors (Chris Hemsworth) in Ungnade gefallener Bruder Loki (Tom Hiddleston) bedroht die Welt, wie wir sie kennen, durch die schier unerschöpfliche Macht eines ominösen kosmischen Würfels namens
Tesseract. Nick Fury (Samuel L. Jackson), führender Kopf der internationalen Friedensorganisation
S.H.I.E.L.D., bleibt nicht wirklich viel Zeit, um zu handeln. Seine einzige Hoffnung besteht darin, ein Team aus Superhelden zu rekrutieren, das gemeinsam den Weltfrieden wiederherstellen soll. Doch es ist gar nicht so leicht, Iron Man (Robert Downey Jr.), Thor, Black Widow (Scarlett Johansson), Bruce „Hulk“ Banner (Mark Ruffalo), Captain America (Chris Evans) und Hawkeye (Jeremy Renner) dazu zu bewegen, miteinander zu arbeiten. Zum einen beginnen die Helden schon früh damit, den wahren Grund ihrer Mission zu hinterfragen. Zum anderen erschweren neben der Tatsache, dass die Welt kurz vor dem Kollaps steht, auch noch innere Konflikte und falsche Erwartungen das geplante Vorhaben der Weltenrettung in nicht unerheblichem Maße...
„THE AVENGERS“ ist in zweierlei Hinsicht eine Premiere. Mit einem Budget von stattlichen 220 Mio. Dollar stellt er sowohl für
Marvel das bisher größte und aufwendigste Filmprojekt dar als auch für Regisseur und Drehbuchautor
Joss Whedon, seinen Fans vor allem als Erfinder der Kultserien „Buffy – Im Bann der Dämonen“ [lief von 1997 bis 2003] und „Firefly“ [2002 bis 2003] bekannt. Der Mann, der zuvor noch mit überschaubaren Budgets hantierte und 2005 mit der kurzweiligen „Firefly“-Kino-Fortsetzung „Serenity“ bewies, dass auch geringe Geldmittel teuer aussehen können, schöpft hier das erste Mal überhaupt aus den Vollen und zelebriert genüsslich den Spaß an purem Blockbuster-Gigantismus. Erstklassige Digital-Effekte, dynamischer Schnitt, gelungene Kamerafahrten, ja sogar die 3D-Konvertierung überzeugt auf hohem Niveau – würde man es sich einfach machen, könnte man sagen, dass der Film auf ganzer Linie unterhält. Punkt. Das stimmt freilich, käme aber gleichzeitig einer Verballhornung der investierten Arbeit gleich, die abseits jeglicher Blockbuster-Klischees, welche gerne mal von „einfallslos“ bis „heruntergekurbelt“ reichen, nur als enorm sorgfältig bezeichnet werden kann. Denn dass hinsichtlich ihrer jeweils unterschiedlichen Mythologie miteinander eigentlich unvereinbare Charaktere derart stimmig zusammengeführt werden, dass selbst Nichtkenner der Comics es einfach als gegeben hinnehmen, ohne die ganze Chose als lächerlich abzutun, zeugt von wahrem Regietalent. Selbst dann, wenn einige Hintergrundgeschichten nur grob angerissen werden.
Trotz der immensen Laufzeit von annähernd 2 ½ Stunden, die sich redlich bemüht, jedem ihrer unzähligen Charaktere genügend Leinwandpräsenz einzuräumen, bleibt es leider nicht aus und zudem unumgänglich, dass einige Personen eher in zweiter Reihe stehen, um das Spektakel rund um die Superhelden-Combo zu betrachten. Doch es sind durchweg liebenswerte Nebenrollen, allen voran
Clark Gregg („
(500) Days of Summer“ [2009]) als
S.H.I.E.L.D.-Agent Phil Coulson, der nicht nur einige der besten Sprüche vom Stapel lässt, sondern auch einen gar denkwürdigen Auftritt spendiert bekommt, der dem heimlichen Helden aller vorangegangener Verfilmungen mehr als nur gerecht wird. Was deutlich zeigt: Whedon nimmt die Charaktere (und damit auch ihre Fans) ernst. Welch' feiner Schachzug.
Aber der Löwenanteil des überraschend kurzweiligen Actioners liegt – weitaus weniger überraschend – auf dem Bösewicht, den „Avengers“ und den sie verkörpernden Darstellern. Während
Tom Hiddleston („
Gefährten“ [2012]),
Robert Downey Jr. („Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ [2011]),
Chris Evans („
Fantastic Four“ [2005]),
Chris Hemsworth („
Snow White and the Huntsman” [2012]) und
Scarlett Johansson („Hitchcock” [2013]) ihre „alten“ Rollen erneut souverän bekleiden durften, musste im Falle des grünen Wutmonsters Neuland betreten werden. Denn weder Eric Bana noch Edward Norton standen aus verschiedenen Gründen zur Verfügung. So sprang kurzerhand
Mark Ruffalo („
Shutter Island” [2010]) ein, was einfach nur als Glücksgriff bezeichnet werden muss. Denn „sein“ Hulk ist nicht mehr nur ein grüner CGI-Flummi, der wild durch die Gegend hüpft, sondern ein ernstzunehmender Gegner, dessen enorme physische Präsenz allein durch sein an Mimik reiches Äußeres übertroffen wird. Trotz Nachbearbeitung am Computer ist dieser Hulk immer noch ein Stück Ruffalo, sei es durch seine lebendigen Augen oder seine Gesichtszüge. Nie sah er besser, nie gefährlicher aus. Und niemals zuvor wurde der Befehl „Smash!“ energischer ausgeführt. Gerade in der letzten halben Stunde, die in einer unglaublichen Zerstörungsorgie mündet, kann der teils (zu Unrecht) belächelte und sträflichst unterschätzte Hulk endlich sein volles Potential ent- und Horden von Gegnern zusammenfalten – sehr zur Freunde des Zuschauers, der innerlich applaudiert.
Fazit: Marvels
„THE AVENGERS“ ist bestes, aufwendiges Popcorn-Kino, das – sagen wir es ruhig – perfekt unterhält. Manchmal darf (und muss) man es sich so einfach machen.