Breck Eisners „The Crazies“ ist neben Alexandre Ajas „
The Hills Have Eyes - Hügel der blutigen Augen“ von 2006 der momentan beste Output aus der endlos erscheinenden Horror-Remake-Flut.
Warum das so ist?
Weil das Werk das etwas schwächelnde George A. Romero-Original von 1973 um Längen hinter sich lässt und weil es „Sahara“-Regisseur Eisner einfach versteht, seinen Schocker mit einer stellenweise unerträglichen Spannung auszustatten und den Zuschauern außerdem angemessen authentische Charaktere vorzustellen, mit welchen man gerne während der etwa 100-minütigen Laufzeit mitfiebert.
Wie eigentlich so fast jeder Genrefilm besitzt allerdings auch „The Crazies“ hier und da ein paar Mäkel, über die sich einige Zuschauer bestimmt laut grunzend während der Vorstellung aufregen werden. Wer hier einen hundertprozentigen Abdruck der Realität erwartet, darf sich also das Weiterlesen und den Kinobesuch sparen und sollte lieber beim Discovery-Channel das Ersehnte suchen.
Wer sich aber für einen ungemein packenden Horrorthriller mit apokalyptischer Atmosphäre begeistern kann, sollte sich das gute Schauderstück keinesfalls entgehen lassen.
Zugegeben, auch der Verfasser dieser Zeilen ist zuerst ein wenig skeptisch gewesen, ob die überwiegend wohlwollenden Meinungen aus Übersee vielleicht nur aus einem Mangel an momentan überhaupt sehenswerten Genre-Beiträgen resultiert, oder ob doch mehr in dem stellenweise recht blutigen Streifen steckt.
Zu Beginn gewinnt der Zuschauer zu dem Johnny Cash-Song
„We'll Meet Again“ einen Einblick in die beschauliche Kleinstadt Ogden Marsh – irgendwo im Nirgendwo. Und Breck Eisner wendet zum Glück kaum Zeit auf, um sein Publikum mit der Vorstellung sämtlicher Einwohner zu nerven.
Man nimmt ihm die rein oberflächlich betrachtete, idyllische Gemeinschaft ab: Hier und da gibt es wohl unter den einfachen Menschen mal die eine oder andere Reiberei, aber der Begriff Verbrechen ist offensichtlich eher gelegentlich durch Verkehrsdelikte oder von Kindern geklaute Süßigkeiten definiert. Und Mord? Kaum vorstellbar.
Auch der junge Sheriff der Stadt, David Dutton (Timothy Olyphant, „
Hitman“), vertritt als Sympathieträger – aber doch bestimmend – mit seinem Deputy Russell Clank (Joe Anderson, „
Ruinen“) das Gesetz. Duttons Frau Judy (Radha Mitchell, „
Silent Hill“) versorgt die Einwohner als Ärztin und man darf wohl behaupten, dass diese drei Hauptprotagonisten mit ihrer Tätigkeit auf der Liste der Bezugspersonen für die Gemeinde ganz oben stehen.
Sie dürften die ersten sein, denen eine Veränderung bei ihren Mitmenschen auffallen könnte.
Und so werden David und Russell plötzlich Zeugen, wie der als Trinker bekannte Rory während eines Baseball-Spiels mitten über das Feld spaziert - in seiner Hand ein geladenes Gewehr. In Notwehr erschießt David diesen vor der versammelten Stadt.
An eine persönliche Tragödie denkt der Sheriff zunächst, bis durch die Autopsie eine Trunkenheit sicher ausgeschlossen wird und ein weiterer Einwohner im Wahn seine Familie bei lebendigem Leib verbrennt.
Was ist hier mit den Leuten geschehen?
In einem Fluss machen Russell und David schließlich eine unglaubliche Entdeckung: Ein Militärflugzeug ist mitten in diesem abgestürzt und was sich an Bord befand, bahnt sich langsam aber sicher durch das Wasser seinen Weg in die Haushalte der Menschen.
Doch bevor die Gesetzeshüter etwas unternehmen können, tauchen aus dem Nichts Soldaten in Schutzanzügen auf und erklären Ogden Marsh mit nachdrücklicher Gewalt zur Quarantänezone…
Auch wenn das sichtbare Grauen in „The Crazies“ von den Zombie-ähnlichen Infizierten ausgeht, wird man im Verlauf gelegentlich Zeuge von Satellitenaufnahmen, die das Chaos aus sicherer Entfernung begutachten. Diese Einschübe verursachen beim Zuschauer ein gehöriges Paranoia-Gefühl: Offensichtlich weiss hier jemand ziemlich genau über das schreckliche Treiben Bescheid und dirigiert eine Horde gesichtsloser Bewaffneter zur möglichst unauffälligen „Eindämmung“ des Schadens.
Was überhaupt genau die Ursache für den Absturz der genannten Maschine gewesen ist, wird nicht erklärt und man darf wohl auch einfach menschlichem Versagen die Schuld für das Unglück zuschieben. Doch was, wenn nicht? Was, wenn mehr hinter dem grausamen „Kollateralschaden“ steckt, als preisgegeben wird?
Ob „The Crazies“ überhaupt darauf ausgelegt ist, solche Fragen aufzuwerfen, muss wohl jeder Zuschauer selbst entscheiden. Spannung und Nervenkitzel bekommt man zumindest auch ohne diese geboten.
Außer den Infizierten gibt es durch die Militärpräsenz ein weiteres Spannungsmoment im Film, das ähnlich wie in John Carpenters Science-Fiction-Klassiker „
Die Klapperschlange“ (1981) funktioniert: Werden es die Überlebendem in einer knappen Zeit schaffen, das nun feindliche Umfeld zu verlassen, oder fallen sie schließlich doch den Soldaten oder Wahnsinnigen zum Opfer? Wohlmöglich tragen sie die Krankheit ja sogar in sich selbst und wenden sich letztlich gegen ihre Mitstreiter...
Neben Timothy Olyphant, Radha Mitchell, Joe Anderson und Danielle Panabaker als Hauptdarsteller kommt noch einer weiteren Person eine äußerst bedeutende Rolle zu – allerdings in diesem Fall hinter der Kamera.
Denn ohne die stets stimmungsvollen Aufnahmen von Alexandre Ajas Hauskameramann Maxime Alexandre würde das Werk bestimmt einen Teil seiner Effektivität einbüßen. Wie bereits bei „
High Tension“ (2003) oder „
The Hills Have Eyes - Hügel der blutigen Augen“ schafft es der Franzose, den Zuschauern auch ohne Präsenz des Grauens im Bild durch geschickte Einstellungen ein ungutes Gefühl in der Magengegend zu vermitteln.
Eine sehr ordentliche Arbeit hat allerdings auch Komponist Mark Isham („L.A. Crash“, „
Der Nebel“) geleistet, indem er nicht durch ständiges Anschlagen der Tasten Schrecken ankündigt, sondern das Geschehen mit unheilvollen Soundteppichen begleitet.
Dass auch „The Crazies“ seine Schwächen besitzt, ist ja bereits angesprochen worden. Doch wenn man so manchem Actionstreifen riesige Logiklücken verzeiht, sollte man auch hier mal ein oder beide Augen zukneifen: Wenn offensichtlich Infizierte ohne Fieber als ein Hauptsymptom auf der Bildfläche erscheinen, Kampfhubschrauber auf Autos, aber nicht auf Waschstrassen feuern oder LKWs als robuster verkauft werden, als sie es in der Realität wohl sind, wird man zwar spontan zum Schmunzeln animiert, aber besonders stören tun diese Fehler im großen Kontext nicht.
In dem einen Fall sorgt die künstlerische Freiheit zumindest gegen Ende für eine ganz vortrefflich umgesetzte Szene – hier heiligt der Zweck das Mittel und gerade bei einem tatsächlich durchgängig fesselnden Werk wie diesem sollte der Rotstift unter dem Strich bei Einsetzen des Abspanns dann ein deutliches Haben verzeichnen können.
Fazit: Höllisch spannend und definitiv jetzt schon ein Genre-Hingucker des Jahres!