Was
Thomas Kinkade für die moderne Landschaftsmalerei, das ist
Nicholas Sparks für die Unterhaltungsliteratur. Beide sehen sich einer fortwährenden Debatte darüber ausgesetzt, wo die bildliche beziehungsweise wörtliche Darstellung von großen Gefühlen endet und Kitsch beginnt. Sparks’ Bücher sind ebenso wie Kinkades Bilder von christlichen Ideen durchzogen, doch bezaubert er seine Fans vor allem mit seinen Liebesgeschichten von fast epischen Ausmaßen, die sich gern über weite Zeitspannen erstrecken und das breite Spektrum zwischenmenschlicher Emotionen bis ins Letzte ausloten. Auch "DEAR JOHN", im Deutschen weniger treffend, dafür umso verkitschter mit
"DAS LEUCHTEN DER STILLE" betitelt, befasst sich mit einer solchen großen Liebesgeschichte, die zwei Menschen aus unterschiedlichen Welten zusammenführt und ebenso schnell wieder auseinanderreißt:
Während eines Heimaturlaubs lernt der Soldat John (Channing Tatum) die Studentin Savannah (Amanda Seyfried) kennen, die ihre Semesterferien in demselben beschaulichen Küstenstädtchen verbringt, in dem John seinen scheinbar geistig etwas verwirrten Vater (Richard Jenkins) besucht. Der eher zurückhaltende junge Mann, der ob fehlender häuslicher Vorbilder selbst wenig von Aufbau und Pflege sozialer Beziehungen weiß und seine Emotionen zunächst sehr bedeckt hält, und die selbstbewusste, aufgeschlossene, sozial engagiert
e Savannah finden trotz aller Unterschiede sehr schnell zueinander und beginnen eine stürmische Romanze. Leider ist ihr Glück nur von kurzer Dauer, denn nach gerade einmal zwei Wochen muss John zurück in den Einsatz. Noch für ein ganzes Jahr hat er sich in der Armee verpflichtet, doch die beiden Liebenden sind fest entschlossen, an ihrer Beziehung festzuhalten. Mithilfe von sehnsuchtsvollen Briefen halten sie Kontakt und fiebern dem lang ersehnten Wiedersehen entgegen. Doch mit den Anschlägen vom 11. September ändert sich plötzlich alles, denn nun steht John vor der schwierigen Wahl, wie versprochen zu Savannah zurückzukehren oder es seinen Kameraden gleich zu tun und sich freiwillig für den Kampf gegen den Terrorismus zu melden. Kann das junge Glück eine solche Zerreißprobe bestehen und weitere Jahre der Trennung überdauern?
„The saddest people I've ever met in life are the ones who don't care deeply about anything at all.”
Was im Grunde genommen recht einfach gestrickt ist, erweist sich in typischer Sparks-Manier als ausladend gestaltetes Story-Geflecht mit reichlich Fallgruben und Stricken, in denen sich die Figuren immer wieder gefangen finden. Dabei sind es natürlich in erster Linie emotionale Fesseln, auf welche sich die Charaktere bereitwillig einlassen oder die sie verzweifelt zu lösen versuchen. Für den geübten Leser ist es ein Leichtes, sich hier mitreißen zu lassen. Was den Einen jedoch unterhält, ist für Andere eine Tortur. Denn Sparks ist nichts für Jedermann (ebenso wenig für jede Frau), und es lässt sich nicht vermeiden, seine Geschichten schmalzig zu nennen. Manch einer würde sogar sagen: es tropft nur so aus seinen Büchern heraus. Glücklicherweise werden die Geschichten vor ihrer filmischen Adaption wenigstens einmal kräftig ausgewrungen und verlieren so großzügig bemessene Portionen ihrer Gefühlsduseleien. Nach Angaben von Drehbuchautor
Jamie Linden ("Sie waren Helden") hat Regisseur
Lasse Hallström ("Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa", "Chocolat") bei
"DAS LEUCHTEN DER STILLE" höchstselbst den Rotstift angesetzt und sämtliche Szenen gestrichen, die allzu großes Kitsch-Potenzial erkennen ließen. Eine Taktik, die nicht schaden kann, wenn man abgesehen von eingefleischten Sparks-Fans noch andere Kinogänger anlocken möchte. Leider führt sie jedoch auch dazu, dass sich die Geschichte über die Dauer des Films eher holprig entwickelt, der eine oder andere Szenenübergang unrund erscheint und so manche Wandlung in der Gefühlswelt der Figuren etwas unverständlich bleibt. Dabei nimmt sich der Streifen mit gut 100 Minuten Lauflänge eigentlich genügend Zeit, die Geschichte in aller Ruhe zu erzählen. Theoretisch ist die Möglichkeit gegeben, die einzelnen Schritte der Beziehung zwischen John und Savannah ebenso wie jene zwischen John und seinem Vater auf nachvollziehbare Weise zu portraitieren. Doch leider passen einzelne der Szenen ebenso wenig zueinander wie an so mancher Stelle der Soundtrack zu den Bildern passt.
Besagte Bilder sind jedoch ein großer Pluspunkt des Films.
Terry Stacey führt seine Kamera mit ruhiger Hand und fängt mit ihr wundervolle Momentaufnahmen ein, die sich zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen – auch dort, wo die Geschichte etwas lückenhaft erscheint. Rein visuell gesehen zeigt sich die Entwicklung der Handlung makellos, was unter anderem auch den mit Bedacht ausgewählten, adretten Hauptdarstellern zuzuschreiben ist. Ähnlich wie in "
Mamma Mia!" oder "
Briefe an Julia" gibt sich die bezaubernde
Amanda Seyfried süß und liebenswert, wobei sie schauspielerisch leider wenig auftrumpfen kann, da ihre Rolle schlichtweg nicht viel hergibt.
Channing Tatum ("
Step Up", "
G.I. Joe") dagegen überrascht mit einem tiefgründigen Mimik-Spiel, das man ihm so vielleicht nicht zugetraut hätte. Oder aber es liegt nur an der überzeugenden Verkörperung des anfangs wortkargen, verschlossenen Soldaten, welche die allmählich hervortretenden großen Gefühle so unerwartet erscheinen lassen. Die emotionale Odyssee, die der Zuschauer John durchleben sieht, wirkt zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt, und so ist auch die Wandlung in der Beziehung zu seinem Vater ebenso nachvollziehbar wie ergreifend. Das zunächst Neben- und schließlich Miteinander dieser beiden Figuren, welches sich neben der Liebesgeschichte bald als ebenbürtiger Handlungsträger erweist, wird letztlich jedoch vor allem vom großartigen
Richard Jenkins ("Little Nikita", "
Ein Sommer in New York") vorangetrieben, der einmal mehr sein Talent als Charakterdarsteller unter Beweis stellen kann. Obwohl seine Rolle größtenteils sehr ruhig und unauffällig angelegt ist und lediglich in einer einzigen Szene einen überwältigend emotionalen Ausbruch zeigt, der den Zuschauer dann aber fast schmerzhaft mitreißt, trägt er einen wichtigen Teil der Handlung und bleibt nach dem Film fast am stärksten in Erinnerung.
Lasse Hallströms romantisches Drama kann also mit sympathischen Darstellern und gefühlvollen Bildern überzeugen, und auch die Geschichte an sich ist durchaus unterhaltsam. An ihrer Umsetzung hapert es jedoch. Dem Erfolg der Bücher ebenso wie dem der Verfilmungen tut dies allerdings keinen Abbruch.
"DAS LEUCHTEN DER STILLE" legte trotz zum großen Teil eher schlechter Presse den erfolgreichsten U.S.-Kinostart aller bisherigen Sparks-Adaptionen hin. Letztlich entscheidet der Zuschauer eben doch selbst, was er sehen möchte. Was für die Romane gilt, gilt ebenso für die Leinwand-Versionen seiner Geschichten: Sparks ist und bleibt Geschmackssache. Und trotzdem kann die neueste Verfilmung einem jeden Romantiker und Liebhaber emotionaler Leinwand-Momente ruhigen Gewissens ans mitschmachtende Herz gelegt werden. Zwar nicht als Meisterwerk, aber zumindest als durchschnittliches Filmvergnügen vermag
"DAS LEUCHTEN DER STILLE" einen unterhaltsamen Abend zu bereiten.