In seiner Kurzgeschichte
„The Legend of Sleepy Hollow“ berichtete Washington Irving von einer unheilvollen Kreatur, dem Geist eines hessischen Soldaten, welcher der Legende nach gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Gegend um eine niederländisch-stämmige Siedlung an der Ostküste der USA unsicher machte. Gefallen in einer namenlosen Schlacht während der Revolutionskriege sei er ohne seinen Kopf, der von einer Kanonenkugel davongetragen wurde, beerdigt worden, was ihn nun im Tode auf die rastlose Suche nach diesem verloren gegangenen Gut trieb. In Irvings Erzählung erfuhr auch der ortsansässige Lehrer Ichabod Crane, seines Zeichens passionierter Konsument von Geistergeschichten und Selbststudent in Sachen schauriger Unerklärlichkeiten, von dieser düsteren Geschichte und machte schließlich unfreiwillig Bekanntschaft mit den kopflosen Reiter. Wie dieses Zusammentreffen wirklich ausging, offenbarte Irving nicht vollständig. Zwar schien es, als hätte Ichabod die Begegnung mit seinem Leben bezahlen müssen, doch ließ Irving den Leser seiner Geschichte mit dem Hinweis auf diverse Gerüchte zurück, welche vom Überleben des Lehrmeisters und seiner Abwendung vom unheilvollen Schauplatz dieser Ereignisse berichteten. Fest steht nur, dass dank des Einsatzes des Schriftstellers die Legende des „galopping Hessian of the Hollow“ ihre Verbreitung fand und die Fantasien all Derjenigen anregte, denen sie unter bangen Blicken und hinter vorgehaltener Hand furchtsam zug
eflüstert wurde.
Rund zwei Jahrhunderte später ist der kauzige Friedhofswärter Claus van Ripper (Stacy Keach) davon überzeugt, dass Irvings Erzählung keineswegs nur Fiktion war, sondern vielmehr von realen Ereignissen berichtete, die sich nun zu wiederholen drohen. Er glaubt, der kopflose Reiter sei erneut von den Toten auferstanden und würde die Stadt heimsuchen. Um das drohende Unheil abzuwenden bedarf es daher unverzüglicher Maßnahmen. Und so offenbart er dem verdutzen Teenager Ian Cranston (Kevin Zegers), dass dessen Familie von keinem Geringeren als Ichabod Crane höchstpersönlich abstamme und er damit als Nachfahre jener doch sehr realen Figur dazu ausersehen sei, sich dem rastlosen Unhold entgegenzustellen. Dabei hat Ian doch bereits alle Hände voll zu tun mit seinem Part als Geschichtenerzähler in der alljährlichen Grusel-Heuwagenfahrt zu Halloween, dem scheinbar fruchtlosen Streben nach Erfüllung der hochgesteckten Erwartungen seines Vaters (Judge Reinhold) und den ständigen Auseinandersetzungen mit Brody (Nick Carter), Football-Star der High School und Rivale im Werben um die Gunst der hübschen Karen (Kaley Cuoco). Aber seinem Schicksal kann Ian nicht entgehen und so muss er sein Erbe – wenn auch widerwillig – schließlich doch annehmen und sich auf den Kampf mit seinem düsteren Gegner einlassen...
Der Stoff, welchen Clyde Geronimi und Jack Kinney 1949 als
Zeichentrickfilm umsetzten und Tim Burton 1999 in ein visuell opulentes
Schauermärchen verwandelte, wird in
Kyle Newmans
"THE HOLLOW" nun wie schon mit "Sleepy Hollow High" [2002] in die Gegenwart versetzt und mit einer gehörigen Portion der genreüblichen Zutaten zu einem Teenhorrorstreifen umfunktioniert. Was in der Theorie vielleicht nicht unbedingt als genialster Einfall der Filmgeschichte aber doch zumindest mit einem gewissen Potenzial behaftet erscheint, entpuppt sich leider schon nach kurzer Zeit als wackeliges Konstrukt ohne Herz und Verstand. Sowohl in Sachen Dramaturgie als auch Inszenierung schrammt Film nur knapp am Prädikat ‚Totalausfall’ vorbei. Dass der Vorrat an Ideen für die Storyline nicht allzu groß war, zeigt sich schon allein daran, dass die 80-Minuten-Marke gerade mal angekratzt wird. Dabei gibt die Geschichte an sich eigentlich genug her, doch wurde ihre Ausarbeitung sträflich vernachlässigt. Die Erzählung macht sich gar nicht erst die Mühe, eine zufrieden stellende Erklärung für die plötzliche Rückkehr des Reiters zu finden und entsprechend zu präsentieren. Die Abstammungslinie von Ichabod Crane zu Ian Cranston wird zwar erläutert; die Schilderung ist jedoch ebenso halbherzig wie der Versuch, Ians Unersetzlichkeit für das erneute Bezwingen des Reiters zu betonen. Denn spätestens mit dem wenig spektakulären Showdown, (Achtung Spoiler) in dem Reiter samt Pferd auf die Brücke gelockt und allein hierdurch vernichtet wird, fragt man sich, wieso es unbedingt eines Nachfahren Cranes bedarf, um den Kopflosen zurück in sein Grab zu befördern. Und wenn es doch so einfach ist, den bösen Buben loszuwerden, warum hat sich Johnny Depp dann seinerzeit eigentlich solchen Strapazen ausgesetzt gesehen?
Dieser unrühmliche Abschluss eines so genannten Horrorfilmes, in dem man Spannung und Schrecken quasi mit der Lupe suchen muss, ist nur in einer einzigen Hinsicht als gelungen zu bewerten. Denn so werden dem Zuschauer weitere Augenblicke mit der rachsüchtigen Geistererscheinung erspart. Man darf wohl nicht erwarten, dass
Ben Scott es schafft, ebenso Furcht einflößend daherzukommen wie Christopher Walken in der selben Rolle. Doch wenn der Reiter, der vor allem durch seine schauerliche Erscheinung – natürlich durch das Fehlen eines bedeutsamen Teiles jeder menschlichen Gestalt – berühmt wurde, hier nun genau genommen gar nicht kopflos ist, sondern auf seinen Schultern ein Etwas trägt, das stark nach einem ausgehöhlten Halloween-Kürbis inklusive Kerzenbeleuchtung aussieht, kann man tatsächlich sämtliche Hoffnungen auf schaurig schönen Grusel begraben – und diese werden auch garantiert nicht wiederauferstehen.
Hauptdarsteller
Kevin Zegers ("
Dawn of the Dead", "
Wrong Turn") ist in diesem düsteren Treiben fast der einzige Lichtblick und der effektivste, wenn es darum geht, die Aufmerksamkeit des Zuschauers aufrecht zu erhalten. Vor allem in jenen Szenen, in denen seine Figur Ian in eine andere Rolle schlüpft und den Geschichtenerzähler mimt, zeigt sein Spiel großes Potenzial und unverhüllten Spaß. Wenn er auch erneut bewiesen hat, dass er wie schon bei Michael Lantieris "
Komodo" nicht immer das glücklichste Händchen in der Auswahl seiner Rollen hat, so schafft er es mit seinem Einsatz doch zumindest, den Film vor dem gänzlichen Absturz ins Desaster zu retten. In etwa am gegenüberliegenden, durch und durch hölzernen Ende der Besetzungs-Brücke dagegen sind dann die darstellerischen Anstrengungen von Backstreet Boy
Nick Carter zu finden – ungefähr so überzeugend und ebenso wenig aufregend wie das Flackern in den geschnitzten Augen des reitenden Kürbiskopfes.
Letztendlich bleibt dem Zuschauer während des Abspanns nur übrig, sich erstens über die Vergeudung jeglichen Potenzials der Geschichte ebenso wie über die Vergeudung der vergangenen 80 Minuten zu ärgern, und sich zweitens darüber zu freuen, dass es keine 120 Minuten waren. Bevor wir uns in Zukunft einem weiteren, gleichsam misslungenen Versuch, Irvings Erzählung neu zu interpretieren, gegenüber sehen, können wir nur hoffen und beten, dass ähnlich inspirierte Drehbuchautoren und Regisseure sich in letzter Sekunde doch dazu entschließen, den kopflosen Reiter nicht noch einmal aus seinem Schlaf zu erwecken, sondern ihm endlich seine wohl verdiente letzte Ruhe zu gönnen.
Dass Regisseur Kyle Newman eigentlich auch anders kann, beweist "
Fanboys".