„I'm bringing home Enriqué!”
„What's a reeké?”
Toll. Da hat man gerade nicht aufgeräumt, in der Küche stapelt sich immer noch das Geschirr der vergangenen Tage, das Haus könnte auch mal wieder einen neuen Anstrich vertragen (vom eigenen Antlitz ganz zu schweigen), und plötzlich kommt unangemeldeter Besuch der Sorte „Dauer-Klingler“. Halb angezogen und gänzlich ungeschminkt wird wenig elegant die Treppe hinuntergestolpert, sich keuchend dem Eingang genähert, ein flüchtiger Blick durch den Spion geworfen – und alles sofort bereut. Denn: Weihnachten steht grinsend vor der Tür.
Schönen Tag auch. War gerade in der Nähe und dachte…
Manchmal kann man sich seinen Besuch schlicht nicht aussuchen, auch über Jahre hinweg, und schließlich ist der altbekannte Trott geboren. Ein Trott, dem Luther (Tim Allen, „
Santa Clause“ [1994]) und Nora Krank (Jamie Lee Curtis, „
Virus“ [1999]) nach langen 23 Jahren nun wohl endlich
Adieu zurufen können, denn zum ersten Mal wird Töchterchen Blair (Julie Gonzalo, „Cherry Crush“ [2007]) das Fest der Liebe nicht im Kreise ihrer Familie zubringen. Kurzerhand kommt Luther die tolldreiste Idee, Weihnachten dieses Jahr einfach ausfallen zu lassen und stattdessen eine Kreuzfahrt in die Karibik zu buchen. Raus aus allem, ei
nfach weg. Doch als sich diese Nachricht in der Nachbarschaft herumspricht, beginnt letztere, die „Abtrünnigen“ aus Hass regelrecht zu tyrannisieren. Dies soll sich jedoch noch als kleinstes Problem darstellen, denn am Morgen des trotz aller Widrigkeiten erkämpften Abreisetages ruft plötzlich Blair an: sie werde noch am selben Tag mit ihrem Verlobten Enriqué (René Lavan, „Dirty Dancing: Havana Nights“ [2004]) vorbeikommen, um zusammen mit ihren Liebsten das Weihnachtsfest zu begehen. Und spätestens jetzt mutiert der Trott, vor dem die Kranks eigentlich fliehen wollten, vollends zum hektischen Wettlauf gegen die Zeit, aufgebrachte Last-Minute-Einkäufer und Familienglück…
John Grisham wird nicht gerade in Verbindung mit heiteren, besinnlichen Weihnachtskomödien gebracht. Der Autor zahlreicher Justiz-Bestseller belehrte jedoch alle eines Besseren, als er 2002 mit
„Das Fest“ (
„Skipping Christmas“) eine satirisch-amüsante Abrechnung mit dem zur Weihnachtszeit vorherrschenden Materialismus veröffentlichte, die natürlich auch sofort zum Bestseller avancierte. Da wir mittlerweile wissen, wie die Uhren in der Traumfabrik ticken, war es selbstverständlich nur eine Frage der Zeit, bis die dazugehörige Kinoverfilmung anstehen sollte. Die von Regisseur
Joe Roth für $60 Mio. recht teuer produzierte Adaption nach einem Drehbuch von
Chris Columbus („
Kevin - Allein zu Haus“ [1990]) funktioniert als solche auch anfangs recht gut, läuft jedoch spätestens im Mittelteil Gefahr, als ermüdende, aus unzähligen slapstickreichen Verwicklungen bestehende Nummernrevue zu enden. Das Fest der Liebe droht zur gefährlichen Rutschpartie auf dünnem, brüchigem Eis zu werden.
Dabei macht
„VERRÜCKTE WEIHNACHTEN“ (
„Christmas with the Kranks“) im Grunde vieles (wenn auch nicht alles) richtig, indem er zum einen Kenner der literarischen Vorlage in bekanntes, nur allzu vertrautes Terrain stößt, während Neuankömmlinge zum anderen nicht frierend und verloren in der Kälte zurückgelassen werden. Alle Bausteine, die
„Das Fest“ zur amüsanten Weihnachtslektüre für Jedermann werden ließen, finden sich nämlich auch im Film wieder und sorgen mehr als nur einmal für Lacher und Schmunzler.
Tim Allen und
Jamie Lee Curtis spielen das Ehepaar Krank wahrlich mit ordentlich Spaß an der Freude, und auch
Dan Aykroyd („
War Inc.“ [2008]) stellt im Nachhinein eine glänzende Wahl für die Rolle des Weihnachtsfest-Fanatikers Vic Frohmeyer dar.
Doch das „aber“ folgt auf dem Fuße. War
„Das Fest“ noch eine amüsante Satire mit leisen, hintersinnigen Untertönen, hat Drehbuchautor Columbus hingegen sichtlich Freude daran, den Film – sehr zum Leidwesen der Dramaturgie – zu einem slapstickgeladenen Geschenk zu verschnüren, an dem man spätestens kurz vor Schluss keinen richtigen Gefallen mehr zu finden vermag. Jeder Anflug von leiser Kritik auf den an Weihnachten vorherrschenden Konsumwahn und Materialismus wird regelrecht übertönt von einem knallbunten und hektischen Potpourri an teils gelungenen, teils auch weniger gelungenen Gags, so dass man den Eindruck gewinnen könnte, hier versucht jemand nur allzu krampfhaft, lustig zu sein.
Dass der filmgewordene Weihnachtsk(r)ampf letztlich dann doch gerade noch so die Kurve kriegt und zu einem zumindest soliden Vertreter seiner Zunft gerät, liegt vor allem in dem Umstand begründet, dass ein drohender Schicksalsschlag in Gestalt des längst überfälligen Ernstes über dem Geschehen schwebt und Zeit zum Luftholen bietet (hiermit sind nicht nur die Kranks gemeint!). Plötzlich scheint all der übertriebene Klamauk vergessen, während Jubel, Trubel, Heiterkeit, aber auch Sentimentalität und Dankbarkeit zusammen vor dem festlich geschmückten Baum Platz nehmen und gemeinsam das Fest der Liebe begehen. Weihnachtshasser mögen bei diesen Aussichten zwar leicht genervt die Nase rümpfen, doch man hat ja schließlich jedes Jahr aufs Neue die Möglichkeit, dem „Wahnsinn“ zu entfliehen. Was wäre das Leben auch ohne seine kleinen Herausforderungen?