„Terminate. You do that voodoo that you do so well.“
Als die USA nach den verheerenden Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den Irak einmarschierten, begründeten sie ihr militärisches Vorhaben zunächst damit, dass die Prüfung der irakischen Waffenarsenale durch die Waffeninspektoren der UNO behindert werden würde. Es dauerte nicht lang, bis der Irak reagierte. Die Einwilligung in die Waffenkontrollen führte im folgenden zu einem ebenso raschen wie
überraschenden Zielwechsel der USA, da es ab nun offiziell galt, den irakischen Präsident Saddam Hussein zu stürzen. Verständlicherweise wurden schnell Amerika-kritische Stimmen laut, die mutmaßten, weniger der Sturz eines Unrechtsregimes, denn vielmehr die Zukunftssicherung amerikanischer Energieversorgung sei das wahre Ziel der USA. Plötzlich war sie geboren, tauchte auf aus dem Nichts: die Debatte um die Verquickung von wirtschaftlichen Zielen und militärischem Vorgehen durch Dick Cheney (Vize-Präsident unter George W. Bush) und den mächtigsten Mann der Welt. Bis heute wird sie offen diskutiert. Und genau hier setzt gewissermaßen unsere Geschichte ein:
In einer gar nicht weit entfernten Zukunft wird der (fiktive) Nahoststaat
Turaqistan (ein Schelm, wer Böses denkt...) von Krieg und Zerstörung gebeutelt. Ein ehemaliger US-Vizepräsident (Dan Aykroyd) wittert die Chance seines Lebens und beginnt systematisch damit, inmitten der Kriegswirren ein
Monopol aufzubauen, dessen Macht in Hand des Unternehmens
Tamerlane liegt. Keine Möglichkeit wird fortan ausgelassen, aus den Leiden des Krieges Kapital zu schlagen, wäre da nicht ein klitzekleines Problem: der Öl-Minister des Nahen Ostens, Omar Sharif (!) (Lyubomir Neikov), beginnt nämlich plötzlich, den Interessen des amerikanischen Konzerns zuwider zu agieren. Kurzum beauftragt der Ex-Vize den Profikiller Brand Hauser (John Cusack), um das leidige Problem endgültig aus der Welt zu schaffen. Als Tarnung gibt der nun gezwungenermaßen zum Trade Show Producer
Tamerlanes „beförderte“ Hauser vor, die Glitzer- und Glitterhochzeit des Popsternchens Yonica Babyyeah (kaum wiederzuerkennen: Hilary Duff) zu organisieren. Allein dieser Job stellt den Auftragskiller jedoch schon vor ungeahnte Schwierigkeiten. Richtig chaotisch wird es aber spätestens, als die hübsche Reporterin Natalie (Marisa Tomei) in der zwecks Tarnung errichteten Handelsausstellung auftaucht und Nachforschungen anstellt. Zu dumm, dass Hauser auch nur ein Mann ist...
Es ist ein zunächst leicht befremdlich anmutendes Setting, in das uns der politisch orientierte Dokumentarfilmer
Joshua Seftel mit seinem ersten großen Spielfilm
„WAR INC.“ entführt. Und doch wird dieser erste Eindruck schon recht bald in den Hintergrund gedrängt, um dem Gefühl, etwas Bekanntes und Vertrautes zu sehen, Platz einzuräumen. Denn die Parallelen zur Gegenwart, in welcher die Rolle Amerikas im Irak-Krieg immer noch nicht geklärt ist, sind nur allzu offensichtlich. Der von
Dan Aykroyd („Blues Brothers“ [1980]) verkörperte und wunderbar überzogen gespielte Ex-Vize-Präsident, der selbst auf dem stillen Örtchen (und somit gewissermaßen zwischen Tür und Schüssel) seinen Geschäften nachgeht, erscheint nicht von ungefähr wie die fleischgewordene Karikatur des ehemaligen Vize-Präsidenten Cheney, der bis zum Jahre 2000 Chef des Öldienstleisters
Halliburton war. Es kann somit kaum ein Zufall sein, dass der geplante Bau einer Öl-Pipeline den Ausgangspunkt für die nachfolgenden obskuren Ereignisse im Film liefert. Und obskur ist gelinde gesagt noch freundlich ausgedrückt: inmitten der Kriegswirren existiert eine geschützte Zone, die
Emerald City, in welcher sich amerikanische Firmen derart etabliert und eingenistet haben, dass man fast Angst haben muss, von Leuchtreklame und Merchandising erschlagen zu werden. Das offenkundige Mittel der Satire, die Verspottung und damit einhergehende kritische Auseinandersetzung mit Missständen oder Personen, wird hier spätestens in dem Moment vollends auf die Spitze getrieben, als
John Cusacks („
2012“ [2009]) von inneren Dämonen gepeinigter Charakter eine
Popeye's Fried Chicken-Filiale betritt, um in den sich dort befindenden geheimen Bunker von
Tamerlane zu gelangen. Arbeit zum Mitnehmen oder hier essen.
Wer nun aber denkt, die politische Action-Satire mit kratergroßen Thriller-Einschlägen würde dem Zuschauer ein Dauergrinsen auf die Lippen zaubern, irrt gewaltig. Der Gegenwartsbezug zeigt hier nämlich seine andere Seite, die sich als seine unmittelbare Folge präsentiert. Das Setting an sich, so nicht in der quietschbunten
Emerald City angesiedelt, ist durchweg dreckig, düster und ausweglos erscheinend, so dass die eingestreuten humorigen Elemente eher dem Zweck dienen, das kriegsbedingt Trostlose erträglicher zu gestalten, anstatt den Zuschauer ausnahmslos zum Lachen zu animieren.
Zu allem Überfluss schlägt die Inszenierung hier und da gehörig über die Strenge, indem sie das Geschehen für Satire-Verhältnisse fast schon
zu grotesk übersteigert und somit kontraproduktiv über die anklingende politische Kritik obsiegt, anstatt ihr unterstützend unter die nicht vorhandenen Arme zu greifen. Gewissermaßen geriert sich der Film im Nachhinein wie eine politisch engagierte Stellungnahme, die etwas auf Sparflamme köchelt und ihr Ziel aufgrund des übermäßigen Gebrauchs von Rabatz, Radau und Ablenkung wie eine fehlgeleitete Rakete nicht immer erreicht.
Rumms! Somit ist
„WAR INC.“ weder ausnahmslos lustig noch durchgehend anklagend, auch wenn er es erkennbar in jeder Sekunde gerne sein würde. Doch der Film nimmt den Zuschauer nicht fest genug an die Hand. So weiß dieser trotz satirischer Stilmittel, der überaus ansehnlichen Darstellerriege (die wieder einmal für ein Cusack-Familientreffen sorgt) und einer beeindruckend bombastischen Inszenierung (die es auch ohne großes Budget ordentlich krachen lässt) schlichtweg nicht über die ganze Laufzeit, ob er nun lachen oder lieber schlucken sollte. Und diese Reaktion ist hierbei nur konsequent, kann sich doch auch der Film bis zum etwas konstruiert wirkenden Schluss nicht so recht entscheiden, welche Richtung er nun genau einschlagen möchte.
Zu böse, um durchgehend lustig zu sein, demgegenüber etwas zu zahm, um als waschechte Satire mit politischer Kritik bezeichnet werden zu können, ist
„WAR INC. - SIE BESTELLEN KRIEG: WIR LIEFERN!“ am Ende des Tages irgendwie von allem etwas. Ein leicht inkohärentes, bunt gemischtes und auf Hochglanz getrimmtes Allerlei, bei dem an allen Ecken und Enden großes Potenzial aufleuchtet, welches jedoch nicht gänzlich in der Art ausgekostet wird, wie man es sich bei einem solch heiß diskutierten Thema vielleicht gewünscht hätte. Aber der Mut, ein derartig ehrgeiziges Projekt
überhaupt in Angriff genommen und mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln zu dem vorliegenden Ergebnis gebracht zu haben, verdient demgegenüber uneingeschränkt Respekt. Auch wenn es dem Film nicht vollständig gelingt, die Verquickung von wirtschaftlichen Zielen und militärischem Vorgehen ins Lächerliche zu ziehen: unterhaltsam und optisch eindrucksvoll sind die 103 Minuten allemal.
Die erste Version der vorliegenden Kritik basierte auf der amerikanischen Originalfassung, die im Rahmen des Oldenburger Filmfestes 2008 gezeigt wurde. Dieser Text wurde nunmehr überarbeitet und um eine kurze DVD-Besprechung erweitert, die sich unten in der Infobox befindet. (Der Autor, 05.08.2010)