„You have conquered, and I yield. Yet, henceforward art thou also dead — dead to the World, to Heaven and to Hope! In me didst thou exist — and, in my death, see by this image, which is thine own, how utterly thou hast murdered thyself.“
(aus Edgar Allan Poes Erzählung
„William Wilson“, 1839)
Der Horror hat viele Gesichter:
Manchmal sind es Axt-schwingende Mutanten oder blutsaugende Vampire. Auch aus der Hölle zurückgekehrte Zombies oder Masken-tragende Psychopathen sind gern gesehene Gallionsfiguren.
Sogar der Krieg ist in Coppolas Meisterwerk „Apocalypse Now“ (1979) von dem von Marlon Brando verkörperten Colonel Kurtz mit diesem Begriff umschrieben worden.
2008 haben offensichtlich Spiegel als Vorboten des Grauens Hochsaison, denn diese Objekte stellen sowohl in Alexandre Ajas neuestem Schocker „
Mirrors“ als auch in dem subtilen Thriller „The Brøken“ von Sean Ellis (Oscar-Nominierung im Jahr 2006 für seinen Kurzfilm „
Cashback“) eine Bedrohung dar.
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Während die Geschichte in Ersterem jedoch noch auf konventionelle Weise erzählt wird, fordert Regisseur Ellis zum vollen Wirken seines Films vom Publikum eine hohe Aufmerksamkeit und ein genaueres Betrachten der einzelnen, kunstvoll komponierten Bilder.
Das erste Unheil ereignet sich am Geburtstag ihres Vaters: Die Radiologin Gina McVey (Lena Headey, „
300“) sitzt gerade mit diesem (Richard Jenkins, „Wolf“), sowie ihrem Lebensgefährten Stefan (Melvil Poupaud, „Speed Racer“), ihrem Bruder Daniel (Asier Newman) und dessen Freundin Kate (Michelle Duncan) zu Tisch, als aus heiterem Himmel der große Spiegel im Raum zerspringt.
Obwohl es sich durchaus um ein merkwürdiges Ereignis handelt, zerbricht sich keiner der Anwesenden darüber weiter den Kopf.
Wenige Tage später glaubt Gina auf der Strasse ein Auto vorbeifahren gesehen zu haben, an dessen Steuer sie selbst gesessen hat. Sie folgt dem Fahrzeug in eine Tiefgarage und der Fahrerin in eine Wohnung…
Nun erinnert sie sich nur noch an den darauf folgenden Autounfall, den sie in einem Panikanfall verursacht hat.
Alles, was sich zwischen beiden Ereignissen zugetragen hat, ist aus ihrem Gedächtnis verschwunden. Nachdem sich auch Stefan in ihren Augen anders als sonst verhält, versucht sie mit Hilfe des Psychiaters Dr. Robert Zachman (Ulrich Thomsen, „
Adams Äpfel“, „
Hitman“) die Ursache ihres Problems herauszufinden.
Ist wohlmöglich nur das Trauma ihres Unfalls dafür verantwortlich, dass sich nun auch ihr Empfinden zu einer Bezugsperson verändert hat, oder steckt etwas viel Schrecklicheres hinter den mysteriösen Vorfällen?
Sean Ellis macht es einem wirklich nicht leicht, sich zu „The Brøken“ eine feste Meinung zu bilden. Oberflächlich betrachtet handelt es sich schlicht um eine stilvolle Neuinterpretation eines großen Klassikers des fantastischen Films (der natürlich jetzt nicht genannt werden soll). Der Unterschied ist nur, dass sich der Regisseur extrem viel Mühe gibt, fast das gesamte Geschehen durch Andeutungen im Kopf des Zuschauers passieren zu lassen, und erst gegen Schluss explizit etwas zeigt.
Und keine Frage, damit erzeugt er trotz hypnotisch-langsamem Tempo eine ganz gewaltige Spannung, die tatsächlich bis zum Ende bestehen bleibt, obwohl man doch eigentlich schon längst weiss, wie (oder besser: wohin) der Hase läuft.
Zerbrochene Spiegel, aufeinanderprallendes Metall und in Wasser eindringende Tropfen: Diese Bilder vermitteln den Zuschauern ein Gefühl der Zerstörung einer Oberfläche und des Übergreifens in etwas anderes. Doch letztendlich überlässt Ellis auch die Deutung der offensichtlichen Schlüsselmomente jedem Zuschauer selbst und bleibt diesem jegliche wirkliche Erklärung schuldig.
Es besteht nur die Möglichkeit, die wirklich eleganten Aufnahmen und Montagen sorgfältig zu studieren…in der Hoffnung, doch einen klaren Blick hinter die Fassade werfen zu können, die inszenatorisch halt klasse aussieht, aber für den Genrekenner nicht gerade viel Neues bietet.
Im Vorfeld sind große Namen bemüht worden, um dem Publikum einen Eindruck von „The Brøken“ zu vermitteln: Hitchcock, Kubrick, Polanski und Lynch sind nur einige von ihnen. Und ob man es nun glaubt oder nicht – tatsächlich hat jede der genannten Persönlichkeiten eindeutige Spuren in dem Werk hinterlassen. Zusätzlich kommt einem sogar noch Roegs „
Wenn die Gondeln Trauer tragen“ (1973) in den Sinn, wenn die Ereignisse langsam irgendwie zusammengefügt werden.
Auch die Darsteller, an erster Stelle die grossartige Lena Headey, tun ihr Bestes, um den Zuschauern einen emotionalen Zugang zu dem ansonsten eher distanzierten Film zu ermöglichen.
Über weite Strecken hat man das Gefühl, als würde man ein bekanntes Gemälde betrachten und darin nie zuvor entdeckte, abstrakte Strukturen erkennen – selten haben die Begriffe
vorhersehbar und
hochinteressant so nah beieinander gelegen.
Dabei sollte auch das Ende von „The Brøken“ Erwähnung finden, an welchem kaum gesprochen wird, und so Blicke die einzige Aussagekraft besitzen.
Letztlich bleibt es natürlich jedem Zuschauer selbst überlassen, ob er sich auf diese äußerst zurückhaltend erzählte Geschichte einlassen will – beziehungsweise in dieser mehr erkennen möchte, als sie auf der Oberfläche preisgibt.
Die Bewertung mit vier Sternen soll deshalb auch nur eine Tendenz ausdrücken. Ob „The Brøken“ mehr als visuell beeindruckende Unterhaltung bereithält, muss man wohl selbst entscheiden!