Spiegel können ganz schön unheimlich sein. So zeigen sie einem zum Beispiel schonungslos morgens die grausigen Auswirkungen einer durchzechten Nacht oder den neuesten hässlichen Eiterpickel auf der Nasenspitze an – auch die böse Königin in
„Schneewittchen“ war letztlich nicht mit den Reflektionen ihres besonderen Exemplars zufrieden.
Dass diese Haushaltsgegenstände einen Menschen töten können, ist aber neu – sieht man mal von Supermodels ab, die darin gerade ihre erste Falte entdeckt haben…
In „Mirrors“, dem zweiten US-Schocker des französischen Regisseurs Alexandre Aja, haben die Spiegel einen ganz eigenen und mörderischen Willen, der so manches Unheil anrichten kann.
Der Ex-Cop Ben Carson („24”-Star Kiefer Sutherland) hat während eines Einsatzes versehentlich einen Kollegen erschossen. Seitdem ist er Alkoholiker, Tabletten-abhängig und arbeitslos. Auch seine Frau Amy (Paula Patton, „Deja Vu“), mit der er zwei Kinder hat, hat ihn verlassen, da sie seine selbstzerstörerische und aggressive Lebensweise nicht mehr ertragen konnte.
Also ist Ben kurzfristig bei seiner jüngeren Schwester Angela (Amy Smart, „Road Trip“) eingezogen. Der neue Job als nächtlicher Sicherheitsdienst in einem abgebrannten, riesigen Kaufhaus inmitten von New York soll ihm nun einen Ausweg aus der persönlichen Misere verschaffen.
Doch das Bild einer stressfreien und routinemäßigen Arbeit täuscht:
Schon bei seinen ersten Gängen durch die düsteren Korridore des Gebäudes fällt ihm auf, dass etwas ganz und gar nicht mit den überall vertretenen Spiegeln zu stimmen scheint, die sein Vorgänger so penibel gepflegt hat.
In ihnen offenbaren sich Ben schlimme Dinge – verbrannte, um Hilfe schreiende Menschen und andere beunruhigende Erscheinungen, die nur auf der anderen Seite der Scheibe existieren.
Bei weiteren Nachforschungen stellt er fest, dass der vorherige Sicherheitsmann auf nicht wirklich normale Weise ums Leben gekommen ist: Er hat sich mit der Scherbe eines Spiegels die Kehle aufgeschlitzt.
Nachdem sich noch andere fürchterliche Zwischenfälle ereignen, kommt Ben endlich dem tödlichen Geheimnis auf die Spur – doch natürlich will ihm niemand Glauben schenken…
Montagabend auf dem
22. „Fantasy Filmfest“ in Köln: Gerade läuft der Abspann der OV von „Mirrors“. Ein zurückhaltender Applaus ertönt, dann ein leichtes Grummeln. Ein Zuschauer aus den hinteren Reihen steht auf:
„Der Film war mal richtig scheiße!“ sagt er zu seiner Begleitung.
Auch ansonsten herrscht eine eher gemischte Stimmung im Publikum; die durch den Saal kursierenden Meinungen reichen von
„Spannend“ über
„Ganz ok, aber schon enttäuschend“ bis zum bereits genannten, sehr negativen Kommentar.
Schon vor der Vorstellung ist jedem Zuschauer ein Bewertungsbogen vom deutschen Verleiher
Kinowelt ausgeteilt worden. Nachdem man sich in den Sitz hat sinken lassen und langsam den Zettel studiert hat, kommt eine Frage auf:
Wollen die einem jetzt schon vor dem Film indirekt sagen, dass man gleich den letzten Mist zu sehen bekommt, oder stehen inzwischen nur einfach die meisten Vertreiber nicht mehr hinter ihren „Produkten“ und wollen sich Gewissheit abholen, bevor sie nachher noch einen kommerziellen Verlust in Kauf nehmen müssen.
Eine traurige Entwicklung ist das, denn es hat inzwischen wirklich immer mehr den Anschein, dass Filme als „Produkte“ angesehen werden, die wie der neueste Burger beworben und bei keinem anschlagenden Erfolg wie eine heiße Kartoffel fallengelassen werden…
Aber zurück zu „Mirrors“:
Ist Alexandre Ajas neueste Arbeit nach den bei Genrefans so beliebten Vorgängern „
High Tension“ (2003) und „
The Hills Have Eyes - Hügel der blutigen Augen“ (2006) wirklich so aus dem Ruder gelaufen, dass man den vermehrt vernichtenden Meinungen nach dem US-Startwochenende beipflichten müsste?
Das größte Problem des Films dürften die im Vorfeld entstandenen, zu hohen Erwartungen der Zuschauer sein.
Immerhin ist das Werk in den USA mit einer groß angelegten Werbekampagne (ohne „Mirrors“ allerdings vorher der Presse zugänglich zu machen, was meist eine gewisse Skepsis schafft) in die Kinos gehievt worden, bei welcher schon mit zwei besonders blutrünstigen (und Spoiler-beinhaltenden!) Szenen der Eindruck eines knallharten Splatterfilms entstanden sein dürfte.
Das ist Ajas Remake des koreanischen Streifens „Into The Mirror“ (2003) aber eigentlich gar nicht, denn bis auf besagte Momente versucht der Film eher eine gruselige Atmosphäre mit Spannung und einigen klassischen Schockeffekten aufzubauen.
Und das gelingt ihm über die längste Laufzeit recht gut, wobei vor allem das Set-Design des dunklen Gebäudes ins Auge sticht und für so einige wohlige Schauer sorgt.
Auch das Timing und die Spannungsbögen sitzen zumindest in der ersten Filmhälfte, und Kiefer Sutherland legt eine sehr gelungene Performance an den Tag, die den Zuschauern überzeugend das Bild eines gebrochenen Mannes vermittelt, der einfach alles versucht um seine Familie zu schützen während die Zeit knapp wird und ihm niemand wirklich glaubt.
Der hektisch-dramatische Score stammt übrigens von Javier Navarrete, den wohl die meisten Leute durch seine Oscar-prämierten Klänge zu „
Pans Labyrinth“ (2006) noch in bester Erinnerung haben dürften. Sein Soundtrack zu „Mirrors“ ist zwar eindeutig weniger markant ausgefallen, untermalt aber dennoch sehr treffend das spukhafte Szenario.
In Interviews hat der französische Regisseur, dessen Lieblingswort scheinbar
„gory“ lautet, öfters betont, dass er sein aktuelles Werk gerne in der Tradition von „
Shining“ (1980) sieht.
Nun ja, dieser Vergleich ist schon sehr vage, denn „Mirrors“ ist nicht mehr oder weniger als ein gelungener Event-Horrorfilm, der eindeutig eher neben guten modernen Produktionen wie „
Silent Hill“ (2006) oder dem „Ring“-Remake (2002) anzusiedeln ist, als neben Kubricks zeitlosem Klassiker.
Wichtig ist hier auch, dass man bitte keine Logik-Ansprüche an den Film stellt.
Hallo?! Es geht um
mordende Spiegel – weder hat man so etwas schon selbst erlebt, noch sollte man den Protagonisten Fehlhandlungen in Situationen (z.B. das Übermalen von Spiegeln) unterstellen…schließlich ist es ja auch für sie das erste Mal!
In der zweiten Filmhälfte kommt es zu einem vermehrten Einsatz digitaler Effekte – einer technischen Errungenschaft, die leider so ziemlich jedes Aufkommen von Gruselstimmung sofort im Keim erstickt und nur einem gewissen Schauwert dient.
Das ist sehr schade, denn mit etwas weniger Augenmerk auf eine moderne Mainstream-Zielgruppe hätte man aus „Mirrors“ mehr als einen brutalen Popcorn-Schocker machen können.
Zumindest ist der Film auch so schon wesentlich gelungener als das einschläfernde koreanische Original von Sung-ho Kim, da er eigentlich nur dessen Grundidee übernimmt und ansonsten schon eine Eigendynamik besitzt.
Und mal ehrlich: So unglaublich innovativ ist Ajas voriges Werk auch nicht gewesen, als dass man jetzt von einer echten Enttäuschung sprechen müsste. Der Regisseur, der sich einst bei
Gore-Hounds einen Namen wegen seinem Blutbad „
High Tension“ gemacht hat, hat sich nun scheinbar mehr der Hollywood-Kultur angepasst und überlässt die wahren Genre-Perlen lieber anderen Kollegen – wie zum Beispiel seinem Landsmann Pascal Laugier, der mit „
Martyrs“ (2008) eine echte Glanzleistung abgeliefert hat.
Fazit: „Mirrors“ ist ein insgesamt wirklich guter Unterhaltungs-Horrorfilm mit überzeugenden Darstellern, packender Stimmung und einem vielleicht nicht bahnbrechenden aber trotzdem tollen Ende geworden.
Wer hier allerdings ein Meisterwerk erwartet, wird wohl enttäuscht werden!
Eine Frage auf dem Bewertungsbogen war: Würden Sie den Film weiterempfehlen?
Ja lautet die Antwort.