„Cashback“ hat schon eine recht einzigartige Entstehungsgeschichte: 2004 drehte Regisseur Sean Ellis einen 18-minütigen Kurzfilm unter dem selben Namen. „Cashback“ von 2006 ist quasi die Langversion des Kurzfilms, realisiert mit gleicher Besetzung und gleicher Crew – und die Dreharbeiten waren vollendet, bevor Regisseur Sean Ellis eine wichtige Nachricht betreffend seines Kurzfilms erhielt: „Cashback“ wurde tatsächlich für den Oskar als bester Real-Kurzfilm nominiert! Soviel sei bereits verraten: auch die Langversion ist ein hervorragender Streifen, der auf jeden Fall eine dicke Empfehlung bekommt. Und auch ohne Kenntnis des Kurzfilms kann man den Film anschauen, da der Kurzfilm auch in voller Länge enthalten ist, ohne dass dies dem unbedarften Zuschauer auffällt. Insofern gibt es also auch keinen Vergleich der beiden Versionen.
Kunststudent Ben leidet wie ein geprügelter Hund: frisch von seiner Freundin Suzy getrennt, kann er nachts kein Auge mehr zumachen. Und das wortwörtlich! Nach Wochen ohne Schlaf entscheidet er sich, das beste aus seiner Situation zu machen und verkauft seine gewonnenen 8 Stunden pro Nacht um in einem Supermarkt in der Nachtschicht zu schaffen. Dort lernt er allerlei skurrile Kollegen kennen, doch die süße Sharon hat es ihm besonders angetan. So ganz nebenbei entdeckt er dann auch noch, dass er einfach so die Zeit anhalten kann – was er sogleich nutzt, um die attraktivsten Kundinnen zu zeichnen. Doch trotz diese
r tollen Fähigkeit ist es nicht so einfach, Sharons Herz zu gewinnen...
„Cashback“ erinnert stimmungsmäßig an eine Mischung aus „Garden State“ und „
Donnie Darko“; eine Melange aus Romanze, Komödie, Arthouse-Drama und ein Hauch Fantasy. Optisch herausragend, sympathisch gespielt, und herrlich humorvoll überzeugt dieses kleine Indiejuwel in fast allen Kategorien; nur kleinere Probleme – die allerdings Geschmackssache sind – verhindern hier die volle Punktzahl. Gerade die beiden Hauptdarsteller, Sean Biggerstaff als Ben und Emilia Fox als Sharon, haben eine wunderbare Chemie auf der Leinwand und überzeugen absolut in ihren Rollen, auch weil sie eben nicht den typischen Filmstarlook haben und somit wie Otto-Normal-Bürger, die durchaus in einem Supermarkt jobben könnten, wirken. Das tut dem Film natürlich ungemein gut und hilft bei der Identifikation mit seinen Protagonisten. Überhaupt merkt man dem Film seine britische Herkunft an: die Darsteller sind keine Schönheiten, die Erzählung ist unaufgeregt, und auch mit nackter Haut hat „Cashback“ keinerlei Probleme – was ja auch Sinn macht, wenn Ben eben seine Freizeit mit dem Zeichnen von Akten verbringt. Und positiv anzumerken ist hier dann auch, dass die Damen eben kein Silikon haben, was wahrscheinlich Männlein und Weiblein zufrieden stellt, wenn man sich für Sean Ellis Werk als Datefilm entscheidet, für den er sich auch hervorragend eignet.
„Cashback“ ist humorvoll genug, um über seine gesamte Laufzeit von knapp 100 Minuten nie zu langweilen. Passenderweise verfällt der Film aber auch nie in tumben Slapstick (auch wenn es einige Szenen gibt, die dann doch eher „physical comedy“ sind), und auch Ekelwitze mit Blut, Sperma und anderen Körperflüssigkeiten spart sich der Film gnädigerweise. Überhaupt gibt es wenige Szenen, wo man wirklich laut loslacht, dafür hat man aber eigentlich dauerhaft ein Grinsen im Gesicht, da Bens Geschichte einerseits einfach zu herzerwärmend ist, andererseits die wirklich lustigen Pointen äußerst gezielt eingesetzt sind, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Häufig stehen diese in Verbindung mit den Sequenzen, in denen Ben die Zeit anhält: und falls die Info bei der Internet Movie Database stimmt, dass diese Szenen ohne Computertricks entworfen wurden, dann Respekt! Zwar wackelt manchmal minimal ein Darsteller, aber allein der angehaltene Schnee sorgt für verblüffende Bilder, die den Film zu einem Augenschmaus machen. Aber auch Michael Lambourne und Michael Dixon, als die beiden Spaßvögel des Supermarktes sorgen für jede Menge Erheiterung, ohne als Comicfiguren zu enden; und Stuart Goodwin als Jenkins, der Chef mit frappierender Ähnlichkeit zu Stromberg, setzt dem ganzen die Krone auf.
Natürlich gibt es auch kleinere Abzüge in der B-Note. So ist der Einstieg des Films nicht ganz gelungen. Wir erfahren, dass sich Ben von seiner Ex-Freundin getrennt hat, aber sein unendlicher Weltschmerz deswegen ist nicht wirklich komplett nachvollziehbar. Gut, er ist halt Künstler und daher vielleicht sensibler oder so, aber wirklich rund läuft dieser Aspekt leider nicht. Auch tut die Musik ihr übriges und trägt enorm dick auf, so dass das noch unverständlicher wirkt. Ebenfalls stellt sich die Frage, ob ein Hauptdarsteller, der „wehrlose“ Frauen teilweise auszieht um sie zu zeichnen, denn wirklich ein patenter Held für den Film ist – andererseits verkauft Hugh Jackman in „
Real Steel“ seinen Sohn ohne mit der Wimper zu zucken für tausende von Dollar, worüber sich auch keiner beschwert. Ben ist sympathisch genug, dass diese Aktion hier schriftlich deutlich übler rüberkommt, als im Film: eine Huldigung an die Schönheit im Augenblick und des weiblichen Körpers – oder so. Halt sowas.
Ergo ist „Cashback“ ein äußerst vergnüglicher Film, der meistens die richtigen Töne trifft und visuell ergreifend realisiert ist. Sympathisch, witzig, herzerwärmend und eben mit dem gewissen Indie-Bonus bekommt das Werk von Sean Ellis definitiv eine Empfehlung!