Ein König hatte eine Tochter, die war über alle Maßen schön aber dabei so stolz und übermütig, daß ihr kein Freier gut genug war.
So beginnt das Märchen bei den Gebrüdern Grimm, das sich im Laufe der Zeit schon einiger Verfilmungen erfreuen durfte. Nach zwei schwarz-weiß-Filmen der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1954 und 1962, gab es schließlich auch die DEFA-produzierte Ostversion, die den Stoff so nacherzählt:
Als Prinzessin Roswitha verheiratet werden soll, ist sie wenig erfreut. Ihr Vater, der König, hat viele Freier eingeladen, die ihr im heimischen Schloss den Hof machen wollen. Die Schöne mit dem fuchsroten Haar und den meerblauen Augen aber gibt sich hochmütig und verspottet ihre Verehrer. Enttäuscht und wütend verlangen diese von dem König, Roswitha mit dem nächsten Bettler zu verheiraten, der ans Schlosstor klopft. Als sogleich ein Spielmann auftaucht, wird dieser mit der unglücklichen Roswitha vermählt und nimmt sie mit in sein schäbiges Haus, wo sie fortan kochen und arbeiten soll. Was die störrische Prinzessin aber nicht weiß, ist, dass es sich bei ihrem Mann um niemand anderen als um einen König handelt, der ihr nur eine kleine Lektion erteilen will…
„Ach ich armes Mädchen zart, hätt’ ich genommen den König Drosselbart!“
Altbacken? Langweilig? Zu kitschig? Nicht in diesem Fall. Auch wenn man dies bei einer Märchenverfilmung vielleicht vermuten
könnte, so liefern doch gerade auch die von der Deutschen Film AG – kurz
DEFA produzierten Filme einen hohen Unterhaltungsfaktor. Was für Kinder der DDR eine gehörige Portion Nostalgie liefert, bringt für Erwachsene 70 Minuten lang augenzwinkerndes Spielvergnügen. Der Humor dient bei
König Drosselbart nämlich nicht nur dem Unterhaltungswert; es wird ihm auch nachgesagt, dass er ironische Spitzen auf den damaligen SED-Staat enthalte. Ob man dies in den Film hineininterpretieren kann, bleibt jedem selbst überlassen. Die Kritik ist, wenn sie denn wirklich gewollt in die Handlung eingeflochten wurde, nicht so offensichtlich, dass man durch einen Wink des legendären Zaunpfahls darauf aufmerksam gemacht würde. Dennoch kann man die Figur der Prinzessin Roswitha als Symbol für Widerstand verstehen, wenn sie sich gegen das ihr auferlegte System richtet und sich – auch wenn man dies bei der Story vermuten könnte – bis zum Ende nicht verbiegen lässt. Ihr Spott an sinnlosem Nachgeplapper der Obrigkeit ist wohl die offensichtlichste Szene, aus der sich Parallelen zum politischen System der DDR ableiten lassen.
Wie gesagt ist es aber auch gar nicht notwendig, dass man hier versucht, zwischen den Zeilen zu lesen und dieses und jenes an schwarzhumorigen Tiefgängen herauszuarbeiten. „
König Drosselbart“ ist auch so verdammt witzig, wozu größtenteils die spielfreudigen Darsteller beitragen.
Manfred Krug verkörpert einen charmanten, ausgeglichenen Witzbold, der die Spitzen der störrischen Prinzessin „Allerliebst“ – wie er sie gern nennt – ein ums andere Mal mit einem Spruch abzuwehren weiß und sich dennoch nie aus der Ruhe bringen lässt.
Karin Ugowski schafft es, der Prinzessin trotz ihres übertriebenen Hochmuts durchweg Sympathie einzuhauchen und die Zuschauerschaft stets auf ihrer Seite zu halten.
Unfreiwillig komisch hingegen ist allerdings die Ausstattung der Settings in den einzelnen Szenen. Fast durchgängig vor grauer Leinwand gespielt, lässt man sich schnell zu einem scharfzüngigen Kommentar hinreißen: „In der DDR gab es ja nichts – keinen Kaffee, keine Bananen… und keine Hintergründe!“ Zwar lenkt der gute Cast und die freche Handlung größtenteils von diesem Makel ab. Hat man sich aber einmal darauf konzentriert, kann es sein, dass es einem den ganzen Film hindurch immer wieder auffällt. Allzu schlimm ist dies nicht, denn das sorgt ja für ein paar zusätzliche Lacher – nur, dass diese höchstwahrscheinlich nicht vom Drehbuchautor gewollt waren. Spätestens als König Drosselbart durch einen Türrahmen geht, der mitten in seinem (grau in grau gehaltenen) Zimmer steht und sich auf einmal draußen befinden soll, obwohl sich die Umgebung überhaupt nicht geändert hat, muss man über diese kärgliche Ausstattung schon sehr schmunzeln. Pompösität wäre zwar überhaupt nicht notwendig gewesen – ein bisschen mehr Kreativität hätte es dann aber doch getan.
So bleibt nur zu sagen, dass sich „
König Drosselbart“ wie beispielsweise auch „
Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ in eine Reihe liebevoll inszenierter Märchenverfilmungen einreiht und – sofern man ihn als Kind gesehen hat – ein niemals zu vergessenen Nostalgiebonus enthält.
~Weihnachtsskala~ (1 = niedrig / 10 = hoch)
Nostalgie: 9 (zumindest für alle, die schon in Stöpselgröße den Film genießen konnten)
Familientauglichkeit: 8 (für die Kleinen zauberhaft und lehrreich, für die Großen unglaublich witzig)
Darsteller-Bonus: 8 (ein charmanter Manfred Krug und eine borstige Karin Ugowski – da steckt die Romantik in der Bissigkeit – toll!)
Besinnlichkeitsfaktor: 3 (hier kommt die Ruhe zu kurz... macht aber nichts, frischer Wortwitz bringt’s auch)