Die Wangen sind mit Asche beschmutzt, aber der Schornsteinfeger ist es nicht.
Ein Hütchen mit Federn, die Armbrust über der Schulter, aber ein Jäger ist es nicht.
Ein silbergewirktes Kleid mit Schleppe zum Ball, aber eine Prinzessin ist es nicht.
Wer ist das?
Nahezu jedem ist das romantische Märchen „Aschenputtel“ der Gebrüder Grimm bekannt: Ein hübsches Mädchen wird von ihrer Mutter und ihren Stiefschwestern als billige Arbeitskraft ausgebeutet und sehnt sich doch nur danach, auch auf den Ball des Prinzen gehen zu dürfen, um dort ihr Glück zu finden. Unterstützung erhält sie hierbei von einer wundersamen Fee, einem verlorenen Tanzschuh und einem hartnäckigen Prinzen.
So einfach und so schön können Märchen sein. Dass sie aber auch noch viel komplexer, fantasievoller und sogar wunderschön sein können, beweist Václav Vorlíček mit seiner Märchenverfilmung der etwas anderen Art.
Aschenbrödel (Libuše Šafránková) lebt auf einem großen Gehöft, das einst ihrem Vater gehörte. Seit dieser aber verstorben ist, verrichtet sie nur noch Arbeiten für ihre herrische Stiefmutter (Carola Braunbock) und deren selbstverliebte Tochter Dora (Dana Hlaváčová). Als Vincent, ein Knecht des Hofes, ausgeschickt wird, um Stoffe zu kaufen, wünscht sich Aschenbrödel von ihm nur, dass er ihr mitbringe, was ihm auf seinem Weg vor die Nase fällt. So entsteht auch schon ihre erste, durch die Hand des Schicksals gewobene
Verbindung zu dem Prinzen des Landes (Pavel Trávníček): Dieser beweist seinen Freunden seine Jagdkünste und schießt drei Haselnüsse von einem Baum, die dann Vincent in seiner Kutsche in den Schoß fallen. Und hiermit nimmt die Geschichte ihren Lauf…
Statt einer Fee mit Zauberstab gibt es in dieser Verfilmung die Eule Rosalie, die zusammen mit den drei Zauberhaselnüssen Aschenbrödels sehnlichste Wünsche erfüllt. Will sie zunächst nur endlich wieder mit ihrem Pferd Nikolaus ausreiten und mit ihrem Hund Kaspar auf die Jagd gehen, anstatt auf dem Hof ihrer Stiefmutter zu arbeiten, wünscht sie sich später, auf den Ball des Prinzen gehen zu können und träumt schließlich davon, ihn zu heiraten. Somit schlüpft sie in verschiedene Rollen, in denen sie dem Prinzen begegnet, der mithilfe eines Rätsels noch herausfinden muss, dass es sich jedes Mal um dasselbe Mädchen handelt.
Die Beziehung zwischen Aschenbrödel und dem Prinzen ist genau wie die Geschichte ausgefeilter und detailreicher als im Originalmärchen. So ist es nicht so, dass der Prinz Aschenbrödel erst hinterher rennt, nachdem sie ihren Schuh verloren hat. In jeder Rolle, in die sich das Mädchen „verwandelt“, begegnet sie wie durch Zufall dem Prinzen und hinterlässt bei ihm einen bleibenden Eindruck; sowohl zum Beispiel als rotzfreche Göre, die auch vor Ihrer Hoheit kein Blatt vor den Mund nimmt, als auch als junger Jäger, der im Wald seine Schießkünste unter Beweis stellen kann. Jedes Mal, wenn Aschenbrödel unerwartet verschwindet, rennt ihr der Prinz hinterher. Dieses Motiv wird auch ganz am Ende des wieder aufgegriffen, als das glückliche Brautpaar durch tiefsten Schnee dem Horizont entgegen reitet und der Prinz bald einige Pferdelängen zurück liegt und versucht, seine Prinzessin wieder einzuholen. Somit wird auf sehr romantische Art und Weise dargestellt, dass es nicht nur das dreckige kleine Dienstmädchen ist, das zu einem von allen Seiten begehrten Prinzen aufschaut, sondern auch der Prinz selbst, der sich in ein von Asche beschmiertes Mädchen mit der inneren Schönheit einer Königin verliebt.
Die Geschichte in Zusammenhang mit der bildschönen Hauptdarstellerin Libuše Šafránková, die mit ihrer zartweißen Haut, den rehbraunen Strahleaugen und ihrer natürlichen Schönheit wie perfekt für die Rolle des Aschenbrödel scheint, den zahlreichen Bildern eines dick verschneiten, in der Sonne glitzernden Winterwaldes und einer liebevoll komponierten Musik, die ins Ohr geht, bringt Eisklumpen zum Schmelzen und löst eine wohlig warme Stimmung im Herzen eines jeden Zuschauers aus.
Der Erfolg des Films spricht für sich: Seit seiner Premiere im Jahr 1973 in der ČSSR, 1974 in der DDR in dem ostberliner Kino „Babylon“ und in der BRD 1975 wird er regelmäßig in der Weihnachtszeit auf verschiedenen TV-Sendern in Norwegen, Deutschland, der Schweiz, Tschechien und der Slowakei ausgestrahlt und erfreut sich großer Bekannt- und Beliebtheit.
“Drei Haselnüsse für Aschenbrödel” ist eine der schönsten Märchenverfilmungen überhaupt. Spätestens, wenn man diesen Film das erste mal wieder im Dezember gesehen hat, sollte die Weihnachtsstimmung einen unaufhaltsam überrollen.
Weihnachtsskala (1=sehr wenig/niedrig; 6=sehr viel/hoch)
- Besinnlichkeitsfaktor: 5
- Sing-along-Faktor: 6
- Familientauglichkeit: 6
- Klassiker-/Kultpotenzial: 6
- Romantikbonus: 6