Was machen viele Menschen, um sich das Leben einfacher zu gestalten? Sie denken in Schubladen. Eine Schublade für das, eine andere für jenes, denn fein sortiert soll unser Leben sein. Aber passt der Inhalt auch immer? Sicherlich erscheint es einfach, das nähere Umfeld eines Jeden in verschiedene Fächer zu stopfen, doch läuft man – bildlich ausgedrückt – Gefahr, am Ende einen Schrank biblischen Ausmaßes vorzufinden, der mit seinen zig Fächern weniger für Ordnung oder Erleichterung, sondern vielmehr für eines steht: Engstirnigkeit. Die unzähligen Individuen einer augenscheinlich noch so sehr katalogisierten Gesellschaft lassen sich jeweils nicht ohne schmerzhaftes Biegen und Brechen in nur eine einzige Lade ablegen.
Denn was ist ein Individuum anderes, wenn nicht der lateinischen Bedeutung folgend ein unteilbares, einmaliges Einzelwesen? Einmalig, jeder für sich einzigartig. Es kann somit bei genauerer Betrachtung kein Zufall sein, dass sich das vorliegende Werk auch partout nicht einer Schublade, genauer gesagt: einem Genre zuordnen lassen will. Wahrscheinlich umschwebten den 1975 16jährigen
Luc Besson („
Johanna von Orleans“ [1999]) ähnliche Gedanken wie die zuvor von mir getätigten, als er seine ersten Ideen zu
„DAS FÜNFTE ELEMENT“ niederschrieb. Jung, unschuldig, von der Idee besessen, irgendwann in naher Zukunft seine Vision eines Science-Fiction-M
ärchens auf die große Leinwand zu bringen, nahmen Bessons Gedanken im Jahre 1990 endlich Form an. Doch es war dem aufstrebenden Filmemacher noch nicht vergönnt, mit den Dreharbeiten zeitig zu beginnen, da die veranschlagten 100 Mio. Dollar Produktionskosten der Produktionsfirma deutlich zu hoch waren. Das Risiko eines Flopps wollte nicht heraufbeschworen werden. So musste vor dem weltweiten Kinostart 1997 erst „Léon – Der Profi“ [1994] ein beachtlicher Kinoerfolg werden, um die Angst vor einer Blamage an den Kinokassen abzuschütteln und die Weichen für die wohl schillerndste Zukunftsvision des Jahres 2263 aller Zeiten zu stellen. Und die kann sich durchaus sehen lassen.
Zu Beginn des Abenteuers – im Jahre 1914 – findet ein Archäologe mit seiner Begleitung (einem Reporter und einem Priester) in einem verfallenen Tempel in Ägypten historische Inschriften, die von dem
unfassbar Bösen berichten, das – alle 5000 Jahre entfesselt – versucht, das Leben zu vernichten. Vier jeweils für eines der Elemente Wasser, Erde, Feuer, Luft stehende Steine sollen, wenn sie zusammen mit einem fünften Element, das für die Liebe steht und in einem Sarkophag verborgen liegt, in dem Tempel aufgestellt werden, die einzig wirksame Waffe gegen das Böse bilden. Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer, da wie aus heiterem Himmel plötzlich ein Raumschiff mit Außerirdischen – den
Mondoshawan – vor dem Tempel landet. Der Archäologe wird kurzerhand getötet und zwangsläufig der Steine entledigt, um sie vor dem drohenden Krieg zu beschützen. Der Priester wird beauftragt, das Wissen um das bevorstehende Auftauchen des Bösen an die folgenden Generationen weiterzugeben, um diese vorzubereiten.
Zeitsprung. Wir schreiben das Jahr 2263. Das
unfassbar Böse taucht in Gestalt einer schwarzen gigantischen Sonne im All auf und verbündet sich mit dem Waffenhändler Jean-Baptiste Emanuel Zorg (Gary Oldman, „
Hannibal“ [2001]). Die
Mondoshawan entsenden kurzerhand ein Raumschiff mit der Außerirdischen Leeloo Minai Lekatariba-Lamina-Tchai Ekbat De Sebat (Milla Jovovich, „
Resident Evil“ [2002]) an Bord zur Erde, um das fünfte Element zur Verteidigung derselben beizusteuern. Dass das Schiff auf seinem Weg zerstört wird und mit ihm alles, was sich an Bord befunden hat, stellt das Militär der Zukunft vor keine allzu große Herausforderung, ist es ihm doch scheinbar ein Leichtes, aus einigen wenigen Zellen von Leeloo kurzerhand ein neues, menschliches, perfektes Wesen zu klonen. Gesagt, getan. Doch Leeloo entkommt aus dem Labor – und gerät nach einer abenteuerlichen Fluchtaktion in das Taxi von Korben Dallas (Bruce Willis, „
Stirb langsam“ [1988]), einem Ex-Offizier einer Spezialeinheit. Dieser ist sofort hin und weg von der schönen Fremden, versteht traurigerweise aber kein Wort von dem, was sie sagt. Erst nach und nach offenbart sich Korben die ganze Wahrheit. Spätestens als das Militär ihn höchstpersönlich bittet, eine Mission anzutreten, die das Beschaffen von vier überlebenswichtigen Steinen zur Aufgabe hat, ahnt der Ex-Offizier, dass sich sein Leben von heute auf morgen zu einer wahren Achterbahnfahrt entwickeln wird. Das Abenteuer kann beginnen.
Einzigartigkeit. Schubladendenken.
„DAS FÜNFTE ELEMENT“ scheint wie geschaffen für eine Abhandlung über diese Stichworte, liest sich doch die Inhaltsangabe schon wie eine originelle, gänzlich andere Filmidee. Der altbekannte Kampf Gut gegen Böse wird hier neu verpackt als poppig-bunte, extravagant-schräge Science-Fiction-Mär, die sich gewissermaßen als farbenfrohes Pendant zu Ridley Scotts düsterem Meisterwerk „Blade Runner“ [1982] aufspielt. Regierten im Los Angeles von Scotts Vision Dunkelheit, Regen und Schatten den daraus resultierenden tristen, depressiven Alltag der Menschen, zelebriert Luc Bessons Abenteuer mit seinen schrillen Gestalten und noch schrilleren Outfits aus der schillernden Fantasie des
Jean-Paul Gaultier ein glamouröses Fest des besonderen Geschmacks. Ob dieser gut oder eher schlecht ausfällt, bleibt jedem selbst überlassen. Wichtig ist zuvörderst, dass das Werk als Ganzes rund erscheint. Und hier muss man Besson einfach zugute halten, dass er den bewusst überspielten und überspitzten Stil von Anfang bis Ende ohne Rücksicht auf Verluste durchzieht.
Bruce Willis spielt wunderbar,
Milla Jovovich ist ein echter Blickfang, und auch sonst überzeugt die Inszenierung fast ausnahmslos. Die Mischung aus Abenteuer, Action, Science-Fiction, Komödie und einem Schuss Mystik, die es dem Zuschauer gänzlich unmöglich macht, eine einheitliche Kategorisierung für den Film zu finden, macht einfach Spaß. Sofern man sich darauf einlässt, wohlbemerkt.
Denn eingefleischte Science-Fiction-Fans werden das Drehbuch gewiss als zu einfach gestrickt abtun, wenn sie mit der falschen Erwartungshaltung an den Film gehen. Sicherlich ist die Geschichte im Nachhinein nicht sonderlich originell und kann vor allem nicht mit der Atmosphäre eines „Blade Runner“ aufwarten. Will der Film aber auch gar nicht. Denn – die tollen Digital-Effekte mal außen vor gelassen – bei genauerer Betrachtung entzieht sich der Film dem direkten Vergleich mit Science-Fiction-Genre-Vertretern. Der Grund ist dabei so einfach wie einleuchtend. Luc Besson denkt einfach nicht in Schubladen! Er erschafft sich etwas Eigenes und lässt seine Sichtweise auf die Dinge nicht durch vereinfachtes Denken schmälern. So individuell die Menschen sind, so individuell können schließlich auch die Filme dieser Menschen sein. Wahrscheinlich muss man
„DAS FÜNFTE ELEMENT“ deshalb auch mehrmals sehen, um alle Feinheiten der Inszenierung zu erkennen, angefangen bei der Zigarette, die fast nur aus dem Filter besteht, hin zu vertrauten Fast-Food-Ketten, die einem auch im Jahre 2263 das Leben schöner machen sollen. Besson versteht es einfach, schnörkellos, elegant und mit unbändiger Leichtigkeit zu inszenieren, sei das Szenario auch noch so abstrus oder abgehoben.
Vergessen wir also das Schubladendenken für knappe 2 Stunden und tauchen zusammen mit Luc Besson, Bruce Willis und Milla Jovovich ein in ein erfrischend anderes Filmabenteuer, das uns eine neuartige Sicht auf eigentlich Altbekanntes zeigt. Recycling, mag man meinen, vor allem im Hinblick auf das altbekannte Gut-Böse-Muster. Ja, aber angereichert und präsentiert mit derart viel ausgefallenen Ideen, dass man nicht umhin kommt, diesem Werk die Eigenständigkeit zuzusprechen, die es von Anfang an verdient hätte. Kurzum:
Einzigartig!