Wenn man mit Pipi in den Augen lachend aus dem Kino kommt, muss das nicht immer bedeuten, dass man sich zuvor eine besonders witzige Komödie angeschaut hat. Manchmal war der eben gesehene Film auch einfach so unterirdisch schlecht, dass er schon wieder etwas Komisches an sich hatte. Oder das Werk verlässt den Zuschauer während des Abspanns - wie im Fall von „Shiver“, dem neuen spanischen Gruselthriller - mit einem dermaßen obskuren „Song“, dass sich die Leute im Foyer schon fragen, was man da wohl grad Lustiges geschaut hat. Der Verfasser dieses Textes sieht in diesem Zusammenhang noch immer vor dem geistigen Auge irgendwelche Druidenpriester um Stonehenge tanzen…
Der Teenager Santi (Junio Valverde, „The Devils Backbone“) leidet an einer seltenen Hautkrankheit, die es ihm nicht ermöglicht, sich ungeschützt dem Sonnenlicht auszusetzen. Auch in der Schule wird er von den meisten eher als „Freak“ angesehen, weshalb ihm nicht viel anderes in der Freizeit bleibt, als nachts mit seinem einzigen Freund Leo (Jimmy Barnatán) die örtlichen Videospielhallen unsicher zu machen.
Als sich Santis Zustand zu verschlechtern scheint, entschließt sich dessen alleinstehende Mutter Julia (Mar Sodupe) dazu, mit ihm in ein abgelegenes Tal zu ziehen, das nur geringfügig von Sonnenstrahlen berührt wird.
Dort freundet sich der Außenseiter schon bald mit der hübschen Gleichaltrigen Ángela (Blanca Suárez) an, und seine Situation bessert sich langsam...wären da nicht die etwas eigenartigen Dorfbewohner und die unheimlichen Vorfälle, die sich im dunklen Wald um das große Haus herum abspielen: Schafe werden scheinbar von einem wilden Tier gerissen, und als in Santis Anwesenheit ein Mitschüler auf grausame Weise den Tod findet, entwickelt sich der Umzug schnell zu einem wahrhaften Albtraum für den Jungen.
Nicht nur, dass er selbst bald in Lebensgefahr gerät, auch die Polizei ist an dem wie ein Vampir lebenden Santi interessiert – schließlich ist er jedes mal beim Tatort gewesen…
„Shiver“ ist nach dem mehrfach preisgekrönten „Fausto 5.0“ von 2001 das neueste Werk des Spaniers Isidro Ortiz.
Was der Regisseur seinem Publikum diesmal serviert, ist ein atmosphärisch dichter Mix aus verschiedenen Bereichen des Horrorgenres, wobei erst nach einer gewissen Spielzeit klar wird, worauf die Geschichte letztendlich hinausläuft.
Das Vampir-Thema wird durch die Figur des „Sonnenallergikers“ Santi ebenso angerissen, wie der Tierhorror oder ein scheinbar verfluchter Wald.
Und man muss schon sagen, dass Ortiz es durchaus versteht, diese Elemente über die längste Strecke zu einem harmonischen Ganzen zu verweben – auch wenn es bei seinem aktuellen Film nicht ganz zum großen Wurf gereicht hat.
Leider verlässt er sich nämlich nicht völlig auf die gruselige Stimmung und die durch die unbekannte Bedrohung erzeugte Spannung, sondern verrennt sich gegen Ende manchmal etwas mit den „Ermittlungen“ seiner jugendlichen Protagonisten, was dann ein wenig wie das „Blair Witch Project“ der
„Drei ???“ anmutet.
Dazu muss leider auch angemerkt werden, dass die Figur des Santi insgesamt
zu weinerlich angelegt worden ist – zwar handelt es sich bei „Shiver“ in gewisser Weise auch um eine
„Coming-of-Age“-Geschichte, aber als Hauptperson in einem Horrorfilm hinterlässt der Charakter einen nicht ganz so guten Eindruck. Dafür kann man allerdings wohl weniger bei dem Schauspieler Junio Valverde die Schuld suchen, sondern in dem Drehbuch bzw. der Charakterisierung.
Eigentlich liefern ohnehin alle Darsteller eine gute Leistung ab, lediglich Jimmy Barnatán als Santis bester Freund Leo strapaziert ab und zu als typischer humoristischer Beisatz die Nerven…aber diese Momente bleiben wirklich im Rahmen.
Besonders gelungen ist an dem Werk, wie bereits erwähnt, die Atmosphäre:
Die stets abendlich wirkende Landschaft wird vom Kameramann Josep M. Civit gekonnt in wohlig-schaurige Bilder verpackt, die dem Zuschauer glaubhaft das Gefühl vermitteln, dass in diesen Wäldern tatsächlich etwas ganz und gar nicht stimmt.
Die Auflösung des Spuks ist dann leider nicht ganz so fesselnd, wie man es erst von der Geschichte erhofft hat, aber jetzt auch nicht „aus dem Hut gezaubert“ oder störend. An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass das Poster/Cover-Motiv des Films nicht sehr geschickt ausgewählt worden ist…
Unterm Strich wäre bestimmt mehr Potential in dem Stoff gewesen, aber so bleibt eben „nur“ ein überdurchschnittlicher Gruselfilm, der mit Sicherheit sein Publikum finden wird.
Auf der großen Leinwand entfalten dabei die tollen Aufnahmen natürlich noch eine grössere Wirkung, allerdings hat man die Möglichkeit, das Werk in dieser Form zu erleben, hierzulande nur auf dem
„Fantasy Filmfest“ gehabt.
Während aus den USA kaum noch originelle Beiträge aus dem Horrorsektor kommen, rücken andere Länder immer mehr an die Spitze der Zuschauergunst – und da muss neben Frankreich („
Inside“, „
Martyrs“) zweifellos auch Spanien genannt werden, in dem in letzter Zeit so packende Titel wie „
[Rec]“ (2007) oder die mexikanische Co-Produktion „
Das Waisenhaus“ (2007) entstanden sind.
Auch „Shiver“ darf sich – wenn auch etwas weiter außen – in die Liste der besseren aktuellen Schocker einreihen.
Sehenswert!