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Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone |
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Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone
Ein Film von David Zucker, Jim Abrahams, Jerry Zucker
(USA, 1986)
"Self preservation first, above all things, is the law of the jungle. So it is, for society is a jungle. Go forth and win!"
(Ragnar Redbeard: "Might is Right/The Survival of the Fittest")
"Think ruthless. It´s good for you. It makes you strong."
Anfang der Achtzigerjahre war vom liberalen Geist des New Deal und Roosevelts Vision von einem sozialeren Amerika nichts, aber auch gar nichts übrig geblieben. Denn die (weiße) Mittel- und Oberschicht sah es nicht länger ein, den Armen und Habenichtsen Geld in den nimmersatten Rachen zu stecken, während man selbst vom bösen Staat ausgenommen wurde. Also knallten in den Villen und Think Tanks die Sektkorken, als 1980 endlich Ronald Reagan Präsident wurde.
Sein Rezept (aus den Federn der Chicago-Boys um Hayek und Friedman stammend) ist relativ einfach umschrieben und ging als eine Art negatives Robin Hood-Prinzip in die Geschichte ein: nimm´s von den Armen und gib´s den Reichen (übrigens ein Originalzitat von König Richard aus Disneys Robin Hood-Film). Man sagte auch ‚Reaganomics’ dazu. Ob ein humanistisches Prinzip dahinter steckte kann bezweifelt werden. Die 'trickle down'-Theorie von Adam Smith diente ihm immer als dekorativer Hintergrund: Ist dafür gesorgt, dass es der Oberschicht prächtig geht, tropft der Wohlstand zu den unteren Klassen durch.
Wer´s glaubt.
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Durch Amerika wehte der rauhe Wind des Wandels, der Trend, Reichtum und Wohlstand, hochnäsiges Klassenbewusstsein und protzige Statussymbole ungeniert zur Schau zu stellen. Auf dem Nachttisch des Präsidenten lag George Gilders Reichtum und Armut, das den Amerikanern mehr Ehrfurcht vor seinen Millionären und Milliardären predigte. Im Weißen Haus speiste man von handbemaltem Geschirr im Wert von über 200.000 Dollar. Nancy Reagan verzichtete großzügig auf die 50.000 Dollar, die der Senat zur Verschönerung des Präsidentenhauses zur Verfügung stellte (nach ihren Vorstellungen hätte diese Summe gerade für ein einziges, lausiges Zimmerchen gereicht) und bediente sich aus dem Fond, den ein wohlhabender und wohlmeinender Freundeskreis zur Verfügung stellte. Kostenpunkt: fast eine Million Dollar. Am Ende zahlten die Steuerzahler beim pompösen Aufbrezeln von Reagens Residenz kräftig mit, denn solche Spenden lassen sich ja, wie praktisch, von der Steuer absetzen. In öffentlichen Schulen galt Ketchup ab sofort als Gemüse.
Zwei Jahre nachdem Reagan mit einem triumphalen Wahlergebnis seine zweite Amtszeit antrat, drehte das ZAZ-Team Ruthless People (1986). Ein Film, der so sehr ein Spiegel seiner Zeit ist, auch wenn das vielleicht keine Absicht war.
Hinter dem ZAZ-Kürzel verbergen sich die Zucker-Brüder David und Jerry sowie Jim Abrahams. Sie schrieben das Drehbuch zum Kentucky Fried Movie (1977) und führten Regie bei Airplane! (Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug, 1980), dem legendären Klassiker der modernen, amerikanischen Film-Persiflage. Nach Top Secret (1984) war dies ihr letzter gemeinsamer Film. Und was für einer.
Ruthless People versammelt eine Schar von Spielern, also Spieler im Sinne Pierre Bourdieus. Soziale Akteure, die täglich einen Kampf um Kapital und Prestige kämpfen. Die einen haben dabei den Kürzeren gezogen, wie der Verkäufer Ken Kessler (Judge Reinhold) und seine Frau Sandy (Helen Slater), eine begabte aber viel zu schüchterne Modedesignerin. Die anderen wohnen in einer großen Villa, wie der Unternehmer Sam Stone (Danny DeVito) und seine Frau Barbara (Bette Midler) – und sind trotzdem nicht glücklich. Sam möchte sein übergewichtiges Eheweib gerne loswerden, alles ist für das Nachhelfen ins Jenseits vorbereitet, da kommt ihm Ken zuvor und entführt Barbara, um Lösegeld zu erpressen. (Sandy arbeitete vor kurzem noch in Stones Firma.) Er kann schlecht ahnen, dass Sam das nur allzu recht kommt und gibt sein möglichstes, eine Lösegeldübergabe zu sabotieren. Doch er hat nicht mit seiner Geliebten Carol (Anita Morris) und ihrem unterbelichteten Ersatzliebhaber Earl (Bill Pullman) gerechnet, die versuchen Sam zu erpressen und dabei auch fast alles falsch machen.
In diese Spielanleitung platzieren Zucker und Abrahams Missverständnis über Missverständnis. Ein heilloses Chaos, trotzdem mit Happy End. Insofern ist Ruthless People auch ein Film über die Allmacht des Zufalls geworden. Die Spieler verfolgen sorgfältig ausgetüftelte Pläne, doch der Fehlerteufel schleicht sich in jedes System.
Vor allem aber ist Ruthless People ein Film, der perfekt in die Achtziger passt. In einem ideologischem Klima wie diesem, in dem jeder angeblich seines Glückes Schmied sei und wem es schlecht ging solle halt sehen wo er bleibt, konnten Filme wie dieser vortrefflich gedeihen.
Ken und Sandy leben in einer Gesellschaft, in der spätestens seit Reagans erster Amtszeit das Rattenrennen ums große Geld ausgebrochen ist. Die beiden wollen endlich auch ein Stück vom Kuchen abhaben. Und da ihnen das durch rechtschaffende Arbeit nicht gelingt, versuchen sie es mit etwas unlauteren Methoden. Wer meint, das als Abrutschen in die Kriminalität bezeichnen zu können, ist auf dem Holzweg. Es ist die logische Konsequenz in einer Welt, in der der Zweck die Mittel heiligt. Wo man sich das nehmen soll, was man will, egal wem man dabei auf die Finger tritt. Nicht umsonst kursierte in den großen Investmentbanken an der Wall Street das Credo: Rules are for fools.
Die Regisseure machen das in einer der besten Szenen des Films deutlich, in der Ken seine verunsicherte Frau auf Kurs bringt: „Ab sofort sind wir auch gemein! Gemein und reich!“, und dabei eine Spinne aus dem Haus auf die Veranda trägt und wieder ins Haus geht. Nur, um zwei Sekunden später wieder heraus zu stürmen und die Spinne zu zertreten.
Dabei lassen ZAZ keine Zweifel daran, dass nicht Ken und Sandy mit dem Filmtitel gemeint sind. Auch nicht Barbara Stone, die sich erst als tyrannischer Quälgeist für die überforderten Entführer erweist, sich am Ende jedoch mit ihnen zusammentut.
Ruthless People ist, aus filmfachlicher Sicht, vor allem eins: ‚erwachsen’. Airplane! ist ein Meilenstein der anarchischen Extremsatire, und die Figuren befinden sich permanent in einem Ironiemodus, der dem Zuschauer signalisiert, nichts zu keiner Sekunde ernst nehmen zu können. In Ruthless People sind die Figuren durchaus ‚normal’ – es sind die Umstände, die alles ins Absurde gleiten lassen. Diese Änderung des modus operandi haben Zucker und Abrahams vortrefflich hinbekommen – und dabei immer noch unzählige köstliche Verrücktheiten in den Film gepackt, so dass man sich angesichts aktueller Produktionen nur eine Wiedervereinigung der drei Ausnahmekönner wünscht.
Natürlich ist der Bande ihr Sinn für hinterfotzigen Brachialhumor nicht ganz abhanden gekommen. Meine Lieblingsszene: Danny DeVito nimmt ein Telefonat an, während ihn die Polizei vernimmt: "Debbie? Nein, Debbi kann gerade nicht ans Telefon. Sie hat gerade, ähm..., den Mund ziemlich voll. Sie ruft zurück. [legt auf] Lustig, wenn die Leute sich verwählen!". Das Original ist zur Abwechlung mal weniger einfallsreich. Da heißt es kurz und bündig: "I´ve got my dick in her mouth.". Da kann sich jetzt jeder aussuchen, was ihm lieber ist, wozu gibt es DVDs.
Die Schauspielerleistungen: allesamt überragend. DeVito bekommt den schmierigen Kapitalisten genauso genial hin wie Midler die keifende Schreckschraube, Reinhold den ungeschickten Hobbykidnapper, Slater das schüchterne Rehlein oder Pullman den tumben Tollpatsch. (Und NEIN: Mrs. Stone ist natürlich nicht 'verrückt'. Das ist nur eine deutsche Filmtitelübersetzungsschnapsidee.)
Das ganze Thema geht natürlich auch in ernst. Ein Jahr später kam Oliver Stones Wall Street heraus. Und: die schleimtriefende Konterrevolution, Herbert Ross´ The Secret of My Success (Das Geheimnis meines Erfolgs). Igitt!!!
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