In seiner langen Karriere hat sich der italienische Regisseur Damiano Damiani immer wieder mit den Verbindungen zwischen Politik und der Mafia auseinandergesetzt - zum Beispiel in seinem Film DAS VERFAHREN IST EINGESTELLT: VERGESSEN SIE'S!, oder in seiner TV-Serie ALLEIN GEGEN DIE MAFIA. Auch WARUM MUSSTE STAATSANWALT TRAINI STERBEN? schlägt in die gleiche Kerbe, aber Damiani thematisiert hier noch eine weitere Fragestellung: Die nach der Verantwortung der Kunstschaffenden.
In Palermo steht die Premiere des neuen Films von Giacomo Solaris (Franco Nero) bevor: Eine bittere Anklage gegen den Staatsanwalt Traini, dem im Film wenig verschleiert vorgeworfen wird, mit der Mafia zusammenzuarbeiten und in einem entscheidenden Verhör dafür gesorgt zu haben, daß der Protokollführer nicht im Raum war. Der Aufruhr um Solaris' Film ist groß; ein Assistent des Staatsanwaltes will den Film verbieten lassen, an dessen Ende die Traini-Figur in Selbstjustiz erschossen wird, und Solaris selbst vor Gericht stellen. Traini selber sieht die Angelegenheit gelassener und will kein Gerichtsverfahren - vielleicht, weil in einem Prozeß auch die im Film geäußerten Vorwürfe an Gewicht gewinnen könnten? Wenig später ahmt das Leben die Kunst nach: Traini wird in seinem parkenden Wagen erschossen, und um ihn herum versuchen alle Parteien, sich abzusichern. Solaris beginnt, nachzufo
rschen.
Die Figur Solaris dient als Alter Ego für Damiani selber, der sich mit seinen Geschichten über Macht und Korruption selber zu gewissem Grad als aufzeigende Instanz versteht. Der Regisseur nutzt den Plot, um über die Verantwortung des Kunstschaffenden - in diesem Falle des Filmemachers - zu reflektieren: Darf ein Film so eindeutig wie hier Stellung gegenüber tatsächlichen Ereignissen beziehen, ohne als Rufmord gehandelt zu werden? Ist es für den Filmemacher eine Pflicht, tatsächliche Mißstände aufzudecken und dafür sogar ein Gerichtsverfahren (und mögliches Berufsverbot) zu riskieren? Ist Solaris mit seinem Film, der in der Selbstjustiz gipfelt, vielleicht sogar (mit-)verantwortlich am tatsächlichen Tod des Staatsanwaltes?
Damiani webt diese Fragen in eine komplexe Geschichte ein, in der viele Figuren in Grauzonen leben. Trainis Partei trennt sich umgehend von einem ihrer prominentesten Mitglieder, dem hinter vorgehaltener Hand Mafiaverbindungen nachgesagt und durch den Skandal eventuell in die Öffentlichkeit gerückt werden könnten. Die Ehefrau des Staatsanwaltes ist fassungslos über den Tod ihres Mannes und gibt Solaris die Schuld, die Mörder angestachelt zu haben, aber sie gibt freimütig zu, rein aus Vernunft wegen der sozialen Stellung geheiratet zu haben. Der im Film angesprochene Protokollführer scheint nicht bestochen worden zu sein, aber als Solaris ihn besucht, taucht sofort Trainis Rechtsanwalt auf.
Weil Damianis Filme oftmals als Thriller inszeniert sind, vermutet man auch hinter WARUM MUSSTE STAATSANWALT TRAINI STERBEN? einen spannungsgeladenen Krimi - der ehemalige deutsche Verleihtitel DER TERROR FÜHRT REGIE verstärkt diese Erwartung freilich noch. Aber Damiani erzählt eine andere Geschichte, viel langsamer und ruhiger als erwartet, und will in den komplexen Konstellationen, die er zeichnet, eher Fragestellungen als Adrenalin unterbringen.
Die Auflösung enttäuscht auf den ersten Blick - aber auf den zweiten ist sie bitterer, als es eine andere gewesen wäre. Nicht die tatsächlichen Gründe für Trainis Tod sind entscheidend, sondern das, was das Umfeld daraus macht: Ist es legitim, wenn die Chance besteht, einen hochrangigen Politiker zu stürzen, die viel unspektakulärere Wahrheit beiseitezuschieben? Heiligt der Zweck die Mittel? Natürlich steht Solaris - als Spiegelbild von Damiani selbst - für die Wahrheit ein. Aber damit steht er zum Schluß alleine da.