„Some people are worth melting for.“
Man merkt's allmählich: Es wird Winter. Die dunkle Jahreszeit, die sich jedes Jahr immer völlig unerwartet am Ende desselben ansiedelt und so überraschende Feste wie Weihnachten oder Silvester beherbergt, marschiert mit immer größer werdenden Schritten voran, Kälte, Schnee und Eisglätte im frostigen Schlepptau. Wäre es da nicht eigentlich mal wieder an der Zeit, mit den Liebsten den (hoffentlich) schön angenehm temperierten Kinosaal des Vertrauens aufzusuchen, für zumindest wenige Stunden die Tristesse und Wintermüdigkeit komplett zu vergessen und stattdessen die Kinomagie unser aller Herz erwärmen zu lassen?
Womit wir die Kitschtore bereits weit aufgestoßen hätten und uns ruhigen Gewissens dem diesjährlichen
Disney-Weihnachtsmärchen widmen können. Denn wann, wenn nicht zu Weihnachten, darf es ungeniert kitschig, rührig und sentimental zugehen? Eben. Und das 3D-Spektakel
„DIE EISKÖNIGIN“ („
Frozen“), das nur sehr lose auf einzelnen Motiven von Hans Christian Andersens Märchen „Die Schneekönigin“ (1845) basiert und im Deutschen zudem mit dem vielsagenden Untertitel „Völlig unverfroren“ daherkommt, bleibt selbst im Zeitalter modernster CGI-Technik größtenteils in der Tradition des Mäusekonzerns verhaftet, neben den Augen auch stets das Herz des Zuschauers zu verwöhnen. Keine Frage: Einen schöneren, optisch imposanteren
und thematisch besser passenderen Weihnachtsfilm als diesen, noch dazu einen für die ganze Familie, wird es in 2013 wahrscheinlich nicht mehr geben. Doch trotz aller Güte: Ein Meisterwerk, wie es uns in der Vergangenheit mit „Das Dschungelbuch“ [1967] oder zuletzt mit „
Der König der Löwen“ [1994] kredenzt wurde, bleibt uns
Disney im neuen Jahrtausend nach wie vor schuldig.
„Frozen“ erzählt die frostige Geschichte von Anna (Originalstimme: Kristen Bell), die sich zusammen mit dem Bergmann Kristoff (Jonathan Groff), dessen treuem Rentier Sven und einem lustigen Schneemann namens Olaf (Josh Gad) auf die gefahrvolle Suche nach ihrer Schwester Elsa (Idina Menzel) begibt. Denn nachdem diese „dank“ der in ihr schlummernden eisigen Kräfte aus Versehen das komplette Königreich Arendelle in tiefsten, fortdauernden Winter gestürzt hat, flüchtete sie, um von nun an alleine in der Einöde zu leben. Wird es dem Quartett möglich sein, das Königreich zu retten und Elsa davon zu überzeugen, dass es zu Hause, im Kreise der Familie, doch immer noch am Schönsten ist, eisige Kräfte hin und her?
Nach dem ausgezeichneten „
Rapunzel - Neu verföhnt“ [2011] ist dies ein weiteres Märchen aus der
Disney-Schmiede, das im modernen CGI-Animationsgewand präsentiert wird, und wieder einmal zeigen die unzähligen Effektekünstler, was sie mithilfe digitaler Rechengewalt auf die Leinwand zu zaubern vermögen. Wurde damals der Löwenanteil des Budgets in die am Ende umwerfend realistische Animation von Rapunzels Haarpracht gesteckt, so ist es hier gelungen, Schnee fotorealistisch darzustellen. Wenn unsere Helden durch Schnee waten, im Schnee fallen oder mit Schnee werfen, dann geschieht dies in einer Perfektion, die die Messlatte für künftige Produktionen gehörig nach oben legt: In technischer Hinsicht überzeugt das 53. Animationsabenteuer auf ganzer Linie und verwöhnt das Auge mit Schneegestöber der schönsten, dreidimensionalen Art.
Doch was ist mit dem Rest? Wenn man wollte, könnte man (mal wieder) vorschnell zu dem Schluss kommen, dass in Anbetracht der technischen Perfektion alles andere zwangsläufig etwas verblassen muss. Bisher konnten die
Disney-Studios ihre Filme jedenfalls immer noch mit herzallerliebsten Charakteren, schmissiger Musik und einfachen, aber Werte vermittelnden Geschichten davor bewahren, als bloße Technik-Demos durchzugehen. Dieser
Disney-Bonus greift freilich auch hier, wenn etwa der putzige Schneemann Olaf (im Deutschen von Hape Kerkeling vertont) seine Karottennase vor Rentier-Sidekick Sven verteidigen muss, was gerade bei den Kleinsten für große Lacher sorgen dürfte. Die Großen hingegen erfreuen sich beispielsweise am tragikomischen Lied über Olafs Wunsch, endlich einmal einen warmen Sommer zu erleben. Wenn er auch noch so schön trällert, stimmen wir mit Kristoff überein: „Jemand muss es ihm sagen.“
Apropos Trällern: Ganz im Stile der alten
Disney-Klassiker darf auch hier aus voller Seele gesungen werden. Wem das schon früher ein Graus war, der wird in
„DIE EISKÖNIGIN“ auf eine harte Probe gestellt. Wenn die musicalerprobte
Idina Menzel als Elsa in der OV die Powerballade „Let It Go“ schmettert, dann wirkt das im perfekt ausgestatteten Kinosaal noch einmal so gut und zaubert allen
Disney-Fans ein Lächeln aufs Gesicht. Man spürt ihn hier und da, den Zauber des Klassischen, der einem Schneegestöber gleich durch die perfekt getrickste Landschaft zieht und eindrucksvoll zeigt, dass das Mausstudio gradlinig und zielstrebig seinen Weg durch das neue Jahrtausend geht. Nur leider wirkt dieses Mal, anders noch als in „Rapunzel“, alles ein wenig steriler, um nicht zu sagen:
kälter, was, abgesehen von der nicht zu verleugnenden Ironie des Ganzen, vielleicht die größte Überraschung darstellt. Anders ausgedrückt: Die Verortung in einer Winterlandschaft ist wahrscheinlich derart gelungen, dass sich diese Tatsache auf verrückte Art und Weise auf einen Großteil des Films niederschlägt.
Es ist zugegebenermaßen ein seltsamer Umstand, den man nicht so recht in Worte zu fassen vermag. Denn im Grunde besitzt das CGI-Märchen alle Zutaten eines klassischen Animations-Meisterwerks und verquirlt diese auf modernste Art und Weise zu einem Potpourri der großen Gefühle und massig Spaß. Und natürlich ist dem Rezensenten klar, dass die karge, jedoch optisch ansprechende Schneelandschaft notwendig ist, wenn man ein Märchen über eine Eiskönigin zu inszenieren gedenkt. Keine Frage. Aber dann muss auf Seiten der Charaktere auch genügend Wärme transportiert werden, um der fortschreitenden Kälte auf der Leinwand Einhalt zu gebieten. Dies gelingt
Disney in
„DIE EISKÖNIGIN“ leider nicht immer überzeugend, zu abgedroschen sind doch teilweise die dargebotenen Klischees, die das moderne Märchen nach klassischer Vorlage bereithält.
Nur manchmal, dann aber glücklicherweise umso prägnanter, durchbricht der Film mitsamt seinen Figuren übliche Schablonen-Muster, indem etwa auf einen wirklichen Antagonisten in dem Sinne verzichtet wird (die vermeintlich Böse ist ja genaugenommen nur das tragische Opfer ihrer Gabe, die sich als Fluch erweist). Stattdessen dürfen erstmals zwei kleine Nebenfiguren unabhängig voneinander ihre fiesen Intrigen umzusetzen versuchen. Das ist neu und erfrischend, weil deutlich wird, dass das Maus-Studio keineswegs immer derart hunderprozentig traditionstreu agiert, wie manch einer zuweilen mutmaßt. Und somit sind es weit weniger die optischen Bombast-Finessen, sondern vielmehr einige kleine und überraschende Details am Rande des schneebedeckten Weges, die abseits aller Kritik letztlich das Kritikerherz erwärmen und
Disneys neuestes Weihnachtsmärchen mit Abzügen zum abermals gelungenen Streich für alle Altersklassen werden lassen.
Fazit: Disneys aktueller Weihnachtsfilm
„DIE EISKÖNIGIN“ ist trotz einiger Mängel ein wirklich schönes Animationsmärchen für die ganze Familie, das mit viel Liebe zum verschneiten Detail und dem Herz am rechten Fleck manch anderen Genrevertreter aus diesem Jahr (k)alt aussehen lässt. Sehr sehens- und dank des schwungvollen Soundtracks auch überaus hörenswert. Auch wenn
Disney uns einmal mehr das erhoffte Meisterwerk vorenthält: Schnee von gestern sieht anders aus. Weihnachten kann also getrost kommen.
Cover & Szenenbilder: Copyright:(c) Disney