"Cocktail für eine Leiche" ist in erster Linie ein formales Experiment, dass Hitchcock nur begrenzt aufgeht. Woran es scheitert, darüber streiten sich viele.
Aber von vorne: Erzählt wird von Brendon (John Dall) und Phillip (Farley Granger), zwei junge Männer aus der Upper-Class, die von ihrem Philosophieprofessor den Floh ins Ohr gesetzt bekommen haben, es gäbe den perfekten und auch berechtigten Mord. Also killen sie einen Kollegen und stecken ihn in eine Truhe im Wohnzimmer, um danach, quasi als Nervenkitzel, eine Dinerparty abzuhalten, zu der auch ihr Professor (James Stewart) eingeladen ist.
Das spannende an "Rope" ist, dass es auf einem Thaterstück basiert und auch dadurch seine Spannung bezieht. Alles passiert in Echtzeit und in nur einem Raum. Hitchcock inszeniert das Ganze auch so - ohne Schnitt. Zumindest ohne sichtbaren. Weil damals die Filmrollen nur 10 Minuten lang waren, sind auf 77 Minuten doch 7 Schnitte versteckt (Zum Beispiel zoomt die Kamera an den Rücken einer Person heran und dann wieder heraus – dazwischen ist der Cut).
Das formale Experiment ist aber garnicht das große Problem. Natürlich hätte es das nicht gebraucht, klar sieht man die verstecken Cuts, aber es glückt auch insofern, als dass es Spannung aufbaut. Problematisch sind eher die Geschichte und vorallem die Figuren.
Dafür, dass die beiden ihren Mord zum einen auf einem philosophischen Konzept basieren an das sie glauben
und zum anderen es wegen des Kicks tun, ist Phillip völlig neben der Spur und so nervös, dass es zu Verdächtigungen führen muss. Warum sie ausgerechnet jemanden töten, der zu ihrem Freundeskreis gehört, dementsprechend vermisst wird und sie zwangsläufig Fragen gestellt bekommen, habe ich auch nicht ganz verstanden. Und James Stewart ist als Professor in der Rolle des Detektivs, der das Ganze aufdecken muss.
Also werden aus dem nichts Streitgespräche über die Berechtigung zum Mord geführt und andere überdeutliche Hinweise gestreut, die Stewart auf alles stoßen müssen. Das der arrogante Brendon das ja so wollte, weil er von seinem Mentor Applaus für sein Kunstwerk erhofft, erscheint dann doch ein wenig aus dem Hut gezaubert. Und das Stewart am Ende sein Konzept irgendwie relativieren und rechtfertigen muss und schockiert ist, dass es jemand umgesetzt hat, wirkt auch bemüht.
Überhaupt ist die Idee mit dem philosophischen Konzept unbefriedigend eingearbeitet. Es wird nämlich nie wirklich diskutiert. Die Statements der Befürworter sind schlicht verrückt und gleich als solche erkennbar. Oliver Stone hat in "
Natural Born Killers" eine ähnliche Sequenz, in der Mickey den Mord als ultimative Freiheit beschreibt. Doch Stone gelingt es, dem Zuschauer diesen Wahnsinn zumindest für einige Zeit als plausibel zu verkaufen und spielt so mit unseren Köpfen.
Vielleicht ist aber auch einfach eine aus der Zeit geborene Idee, immerhin geht es dabei um minderwertiges und höher wertiges Leben. Wo das 1948 hergekommen ist, kann man sich ja denken.
Andererseits hat Hitchcock mit Brendon wieder einen dieser tollen Psychopathen, den John Dall auch wunderbar arrogant und charmant-schleimig spielt. Killer sind bei Hitchcock öfter ganz normale, gut situierte Typen mit Bildung und Manieren, denen halt irgendwo ein Eck fehlt. Das macht sie umso interessanter und spannender.
Darüber hinaus ist "Cocktail für eine Leiche“ wegen seiner Auseinandersetzung mit Homosexualität interessant. Dass Brendon und Phillip ein Paar sind wird mehr als deutlich, auch wenn es nie angesprochen wird. Man sieht, dass Homosexualität ein Teil der Geschichte ist und gleichzeitig versucht wird es nicht zu offensichtlich zu zeigen. Am besten ist die Szene in der Brendon zu einem ältern Besucher ihrer Party sagt, Phillip werde über das Wochenende zu Brendons Mutter fahren um sich auszuruhen. Der ältere Herr reagiert darauf unterstützend, als wäre es das normalste auf der Welt. Und das zu einer Zeit in der Homosexualität von weiten Teilen der Bevölkerung und auch Hollywoods als schlicht nicht existent bezeichnet wurde. Von der Produktionsseite her wurde auch vehement versucht alle homosexuellen Anspielung aus dem Drehbuch zu streichen. Hitchcock hat sie allerdings irgendwie wieder hinein geschmuggelt.
Ein interessanter Film und wert ihn anzusehen. Wann hat Hitchcock schon etwas wirklich Verzichtbares gemacht? Allerdings gibt es viel Besseres von ihm.