Die Chauvet-Höhle im Süden Frankreichs stellt mit 30.000 Jahren alten Höhlenmalereien die ältesten bekannten Bildschöpfungen der Menschheitsgeschichte. Da Luftfeuchtigkeit der größte Feind der Urzeit-Kunstwerke darstellt, ist die Höhle aber nur für einige wenige Forscher bestimmt und für Touristen gänzlich verboten. Niemand geringerer als die lebende deutsche Regielegende
Werner Herzog erhielt Zugang zur Höhle und setzte sich daran, per 3D-Dokumentarfilm auch den Rest der Welt an der Faszination teilhaben zu lassen.
Bei diesem Unterfangen setzt
Herzog auf sich selbst als eine Art schrulligen Geschichtenerzähler, der den Mut zeigt, sich weit vom eigentlichen Thema zu entfernen und sich in an Philosophie grenzende Gedankenspiele zu verlieren. Symptomatisch dafür eröffnet der Film mit einer märchenhaft anmutenden Erzählung über jenen Dezembertag des Jahres 1994, an dem Eliette Brunel Deschamps, Christian Hillaire und Namensgeber Jean-Marie Chauvet die berühmte Höhle entdeckten. Gemeinsam mit dem Team des Filmemachers betritt man dann das Objekt der Begierde, wobei
Herzog hier noch einen kurzen Verweis auf die Durchführung des Projektes und somit seiner eigenen Profession bringt, bevor er sich ausschließlich auf Höhle und Höhlenforscher spezialisiert.
Neben den abenteuerlichen Erkundungsgängen stellt
Herzog auch immer wieder Wissenschaftler vor, die, mal im engeren, mal im weiteren Sinne, mit der
Höhle zu tun haben. Interessant sind aber weniger die teils durchaus witzigen Charaktere als die Gespräche, in die sie der Regisseur verwickelt. So gelingt es ihm, einen jungen Forscher mit leuchtenden Augen davon erzählen zu lassen, wie er nach seiner ersten Besichtigung tagelang nur von den abgebildeten Tieren träumte. Eine andere Wissenschaftlerin wiederum erklärt uns, als wäre es für die Nachwelt von höchster Relevanz, auf den Zentimeter genau wie groß jener Mann gewesen sein muss, der an einigen Stellen seine Fingerabdrücke hinterlassen hatte. Außerdem könne man seinen Weg durch die Höhle nachvollziehen, da er mit einem verkrümmten kleinen Finger ein eindeutiges Wiedererkennungsmerkmal habe.
All diese Impulse nützt der Erzähler, um immer wieder abzuschweifen und über mögliche Lebensumstände der Künstler zu schwadronieren. Manchmal, gerade zu Beginn, ist das auch durchaus interessant und amüsant. Mit Fortdauer des Filmes ist
Herzogs offenkundig selbstverliebtes Gerede aber oftmals zu lang und anstrengend. Da kann es dann schon mal vorkommen, dass man ihn in Gedanken zum Schweigen auffordert. Abgesehen davon überkommt einen das Gefühl, dass die Höhle, so faszinierend sie auch sein mag, nur schwer Stoff für einen zugänglichen Langzeitdokumentarfilm bietet. Dementsprechend wirkt das Auftreten verschiedenster Wissenschaftler, die uns etwa die US-Hymne auf einer Elfenbeinflöte trällern oder aber mit einem Urzeitspeer erklären wie man früher Pferde erlegt hat, zusammenhanglos und fühlt sich an wie ein Gang durchs Museum.
Kurz vor Schluss widmet sich der Film minutenlang den Malereien selbst, wobei die Musik, mit der die Bilder dabei allein gelassen werden, das Publikum wohl auf den Scheideweg führt. Wer die tranceartige Klangwelt, die sich wie eine Mischung aus Kirchenchorstimme und Indianerkult anfühlt, aber doch was ganz anderes ist, mag, wird die Szene lieben und entsprechend glücklich aus dem Kino gehen. Für diejenigen, die sich dafür weniger begeistern können, wird es allerdings schwierig werden, den angedachten Höhepunkt nachzuvollziehen.
Herzog schließt mit einer Überlegung, die fast schon in das Science-Fiction-Genre einzuordnen ist. In der Nähe der Höhle steht ein Atomkraftwerk, dank dessen Heizwasserüberschusses ein Tropenpark für Krokodile entstand. Auffällig ist die ungewöhnlich hohe Anzahl an Albinos. Der Erzähler fragt sich, ob die Albinos sich wohl schon bald auf den Weg zur Höhle machen würden und vergleicht sie mit uns Menschen, die verzweifelt versuchen würden, Tausende von Jahren zu überspringen, um die Vergangenheit zu rekonstruieren.
Als 2D-Purist ist man schon schnell mal zu Vorurteilen geneigt, wenn sogar schon
Werner Herzog auf dreidimensionale Bilderwelten setzt. Im Grunde ist er ja auch selbst weit entfernt davon, ein Fan der neuen Kinotechnik zu sein. Doch schon nach seinem ersten Besuch in der Höhle sei ihm klar gewesen, dass sein neuestes Projekt 3D brauche. Und die Entscheidung ist tatsächlich weitaus vertretbarer als bei so mancher, den Hintergrund verwischenden, Blockbuster-Überarbeitung. Die Künstler ihrer Zeit mussten ob des unebenen Leinwandersatzes ständig in Vertiefungen hinein und über herausragende Wölbungen hinweg malen. Wäre dieser Film zweidimensional gedreht worden, es wäre wohl wirklich etwas verloren gegangen. Da die Szenen außerhalb der Höhle weitestgehend ohne Effekthascherei auskommen, kann man sich in diesem Fall also durchaus auf die Seite des Filmemachers stellen.
Dies gilt aber ohnehin nicht nur für die 3D-Entscheidung, sondern für den Film an sich. Aus erwähnten Gründen kann dieser zwar streckenweise ein bisschen schleppend sein, doch dank seiner in alle Richtungen offenen Erzählweise erschafft er ein eigenes Flair. So ist
Die Höhle der vergessenen Träume, mit leichten Abstrichen, ein faszinierender Film über von einer faszinierenden Höhle faszinierte Menschen.