Noch während die company credits über den Bildschirm laufen, setzt eine wenig melodische, schwere Musik ein, die unheilsschwanger das nahende Drama ankündigt. Die nun beginnende Kamerafahrt über ein sonnendurchflutetes Sumpfgebiet kann uns da auch nicht mehr täuschen. Solche Eingangssequenzen haben wir schon zuhauf gesehen, wir wissen genau, was unter der friedlich wirkenden Wasseroberfläche lauert. Der plötzliche Schnitt in eine Nacht-Szenerie verwirrt uns daher ebenso wenig. Mit Kennerblick beobachten wir das Schauspiel der tanzenden Lichtkegel, die von Taschenlampen über das Wasser geschickt werden, lauschen der Geräuschkulisse aus durcheinander schallenden Stimmen, Hundegebell und Funkdurchsagen, erblicken schließlich die Männer in orangefarbenen Overalls, wie sie aus dem großen Abfluss schleichen und sich im schützenden Dunkel der umgebenden Vegetation verstecken. Wir ahnen bereits, dass wir uns wahrscheinlich an keine der anwesenden Gestalten allzu sehr gewöhnen sollten, und wir werden recht behalten. Denn schon beginnt die Unterwasserkamera mit ihrer Arbeit und zeigt uns einen ersten Blick auf ein hinterhältig dreinblickendes Auge, einen stachelbewehrten Rücken, einen ebenso stacheligen Schwanz, der sich auf einmal die Uferböschung hinaufschlängelt. Das Bild wirkt leicht verzerrt, wie durch einen Tränenschleier betrachtet, als wir den Blickwinkel der Bestie einnehmen. Und schon wird einer nach dem anderen urplötzlich aus dem Bild gezerrt, Schreie un
d Schüsse ertönen, Blut spritzt und das Unheil nimmt seinen Lauf...
Dieses Unheil wird im vorliegenden Fall durch einen riesigen, blutrünstigen Aal hervorgerufen. Ja genau, ein Aal, sonst von uns mit Vorliebe geräuchert serviert, schlägt zurück und setzt die Gattung Mensch ganz oben auf seine Speisekarte. Zugegeben mal eine nette Abwechslung zu Piranhas und Alligatoren, deren gefräßiges Wesen bereits in unzähligen Geschichten zum Anlass für Kreisch- und Splatterorgien diente. Abgesehen vom tierischen Hauptdarsteller wird in
"ANGIRALUS" jedoch wenig neu erfunden. Um genau zu sagen gar nichts, kopiert der Film doch eins zu eins, was schon so oft da gewesen ist. So kennen wir als Zuschauer viele Szenen in ihrem Aufbau bereits bis ins Detail, noch bevor wir sie ein einziges Mal tatsächlich angesehen haben. Ob dieser pedantisch nach Schema F durchgestalteten Inszenierung, die peinlich genau darauf achtet, möglichst jedes Klischee zu bedienen und alle bis dato in ähnlichen Filmen aufgestellten Gesetzmäßigkeiten brav aufzugreifen, dürften sich Genrefans in jedem Fall amüsieren. Für alle anderen sind zumindest einige Szenen der hungrigen Kreatur auf der Jagd unterhaltsam. Und im direkten Vergleich mit Produktionen wie "
Arachnia", einem kolossal unterirdischen Streifen, zu welchem sich der Trailer als Bonus auf der
"ANGIRALUS"-DVD befindet, muss man
Patricia Harringtons Werk dann doch ein etwas höheres Niveau zusprechen. Immerhin: die meisten Darsteller geben sich Mühe und die Animation ist für ein B-Movie teilweise gar nicht mal übel.
Aber mit diesen wenigen, mühsam zusammengekratzten Pluspunkten lässt sich nicht wettmachen, was eigentlich von vornherein klar war: "RAZORTOOTH", wie der Streifen im Original betitelt wurde, ist nun einmal kein guter Film. Nicht mal ein guter Versuch eines zweitklassigen Filmes. Dafür traut er sich zu wenig, hält sich zu sehr an das, was unzählige Vorgänger vorgelegt haben, und ruft so zum Großteil nur Gefühle hervor, die am ehesten mit „déja vu“ und „Langeweile“ etikettiert werden können. Das mit Plotlöchern vollgestopfte Drehbuch lässt wirklich zu wünschen übrig, die Erzählung ist holprig und wirkt häufig ungelenk. Der Aal hat die merkwürdige Angewohnheit, einige seiner Opfer nur halbherzig anzuknabbern, obwohl er doch anscheinend ganz fürchterlich dauerhungrig ist – wahrscheinlich hat er Mitleid mit dem für die „menschlichen Requisiten“ zuständigem Mitarbeiter und will ihm die mühsam gebastelten Körperfetzen zugunsten einer mehrmaligen Verwendung nicht wegfuttern. Das könnte man ja durchaus noch verkraften, schließlich ahnt man all dies bereits im Vornherein und erwartet hier kein filmisches Meisterwerk. Trotzdem haben andere Vertreter des Tierhorror einen gewissen Unterhaltungswert, weil sie entweder das eine oder andere innovative Bestie-zerreißt-Protagonisten-Szenarium bieten oder wenigstens (unfreiwillig oder gewollt) komisch sind. Doch keines von beidem ist hier zu finden. So verpasst
"ANGIRALUS" die Chance, wenigstens unterhaltsam und lustig, wenn schon nicht spannend und gruselig zu sein. Einfallsloses Kopieren von Althergebrachtem ruft eben nicht mal ein Schmunzeln hervor. Dabei ist Lachen so gesund und so schön, wenn man es bei einer Schüssel Popcorn mit Freunden teilen kann. So aber ist die Frage, wie viele nicht geplatzte Maiskörner man wohl am Boden dieser Schüssel finden wird, interessanter als der Großteil des Films.
Wenn man also kein eingefleischter Genrefan ist oder sich an der Zerteilung menschlicher Körper durch die spitzen Reißzähne eines 3-Meter-Aals erfreuen kann, werden sich die anderthalb Stunden eher müde dahinschlängeln. Und spätestens als ein Anwohner, eben noch verwundert über das mysteriöse Verschwinden seines Haustieres, dessen Verbleib der Zuschauer selbstverständlich bereits erahnt, sich auf dem Sitz eines Plumpsklos niederlässt, dürfte es selbst erfahrenen Tierhorror-Freunden schwer fallen, dem Griff zur Fernbedienung mit der segensreichen
fast-forward-Taste zu widerstehen. Doch glücklicherweise ist auch das irgendwann überstanden. Genau wie der absurde Schluss-Kampf, in dem der Film das bisher knapp über der Verblödungsgrenze gehaltene Niveau drastisch nach unten zieht. Der hier vorgelegte hanebüchene Unsinn lässt das wenige Positive, das man dem Streifen bis dahin zugute halten konnte, vergessen. Zurück bleibt nur die Erkenntnis, dass es manchmal doch besser ist, auf seine schlimmen Ahnungen zu hören.
Chill-Skills
Bösartigkeits-Faktor: 7 (ziemlich fies, Jemanden auf dem stillen Örtchen anzuknabbern)
Originalität: 1 (obwohl eine solch innige Liebe zu Genre-Konventionen schon beachtenswert ist)
Splatter-Anteil: 6 (bei solchen Zähnen könnte es eigentlich noch mehr spritzen)
Gruselfaktor: 2 (einzig die Plumpsklo-Szene verursacht Gänsehaut)
verlorene-Haustiere-Bonus: 8 (die Hündchen verschwinden, als hätte um die Ecke ein chinesisches Restaurant aufgemacht)
P.S.: die Aufschrift auf dem DVD-Cover ist hirnrissig und erzählt eine andere Geschichte als im Film zu finden ist. Da hat bei der Sichtung wohl Jemand mehr ins Aquarium als auf den Bildschirm geschaut.