Dem bayerischen Regisseur Walter Boos, der viele Jahre als Cutter Erfahrung sammelte bevor er im Zuge der Sexfilmwelle endgültig das Fach wechselte und seine eigenen Filme inszenierte, verdanken wir rückblickend einige der amüsantesten, flottesten und technisch versiertesten Reportfilme überhaupt - darunter beispielsweise Kassenerfolge wie der fantastische fünfte Teil der Schulmädchen-Reporte sowie einen Großteil der restlichen Reihe. Einer der gelungensten Einträge im Gesamtwerk dürfte der relativ unbekannte SEX-TRÄUME-REPORT sein, der wie die meisten Werke von Boos als Mockumentary aufgezogen ist. Doch während sich die anderen Reportfilme fast ausnahmslos kritisch geben (wenn auch oft in selbstironischer oder zumindest nicht ganz ernst gemeinter Weise) nimmt vorliegender Streifen eine Sonderstellung ein. Sowohl im Genre als auch damit im Ouevre seines Regisseurs - den Umweg über ein spezielles Milieu (
Krankenschwestern-Report ) oder einschlägige Problematiken (wie die Schulmädchenreporte) spart sich Boos diesmal und rückt jenen Aspekt ins Zentrum der Aufmerksamkeit, den prinzipiell ohnehin jeder Reportfilm bedient: Den feuchten Traum.
Der Psychologe Dr. Heinz Kahlbaum arbeitet an einer Abhandlung über dieses delikate und intime Thema und wird dabei unterstützt von seiner feschen Assistentin Gisela, die den Doktor anhimmelt und tatkräftig unterstützt. Gemeinsam ziehen die
beiden los auf die Straßen Münchens um die Passanten nach ihren geheimsten Fantasien zu befragen. Zwar werden sie dabei mitunter barsch abgeschmettert, doch insgesamt geben sich die Leute dann doch redselig über ihre Sex-Träume und natürlich hat so mancher eine Anekdote bei der Hand, wie diese das Leben in positiver Weise bereichert haben. Wie so oft kommt in diesen gestellten Interviews, zufällig wirkenden Schnipseln und in deren Montage besonders zur Geltung, wie virtuos Walter Boos den Filmschnitt beherrscht. Durch unzählige Arbeiten für Fernsehen und Kino, dabei einige dokumentarische Arbeiten, hat Boos sich offensichtlich das Timing für eine authentisch wirkende Schnittsetzung angeeignet, die er hier mühelos auf die Regie übertragen kann. Wohl aufgrund dieser Sorgfalt macht ein Reportfilm von Boos oft mehr Spaß als seine Konkurrenten.
SEX-TRÄUME-REPORT ist lose unterteilt in ca. fünf Abschnitte unterschiedlicher Länge und Qualität. Die als Opener entscheidende Episode, die sehr oft den Ton eines Reportfilms bestimmt, erweist sich als müde, ungelenk und weder als witzig noch als sonderlich erotisch. Ein von Josef Moosholzer gespielter Mann widmet seiner Ehefrau keine Aufmerksamkeit, lässt seinen Sexualtrieb vor dem Fernseher verkümmern. Als er auf dem Sofa einschläft und ihn ein erotischer Traum von der drallen Wetterfee ereilt, macht er sich angeregt doch mal wieder über seine Frau her. Die Fantasie beflügelt die Ehe und retten so das eingefahrene Sexualleben der beiden. Nach dieser reichlich fantasielosen Episode folgen einige Beiträge mit höherem Unterhaltungswert, falls der Zuschauer durch diesen leicht hölzernen Einstieg noch nicht vergrätzt wurde. Dazu kommt, das Walter Boos hier zwar eine stimmige Mockumentary gedreht hat, in den Traumsequenzen allerdings nur wenig Originalität auffährt und wenig bis keine visuellen Ideen einbringt um eine entsprechend entrückte Atmosphäre zu schaffen.
Einzig durch eine verschwommene Ränderung, die das Bild kreisrund einfasst, sind die Träume denkbar einfallslos und beliebig geraten. Alle vorgestellten Fantasien haben weder kontroversen noch außergewöhnlichen oder gar abgründigen Charakter und drehen sich eigentlich allesamt nur um das Mädchen nebenan. Mit Ausnahme der letzten Episode bleibt die Perspektive eine rein männliche - erst ganz zum Schluss darf Gisela mal ausgiebiger schwärmen bevor sich ihr Traum vom Chef auch erfüllt und die beiden schlussendlich ein Paar werden. Bis dahin geht es unter anderem um einen freigeistigen künstler, der von einem Harem geträumt und sich diese Fantasie in einer chauvinistischen Vielehe erfüllt hat. Neben diesem längsten Handlungssegment überzeugte mich auch die Geschichte um Rinaldo Talamonti, der sein Einwanderer-Image aufs Korn nimmt und als Kellner in einem Restaurant arbeitet, in dem Dr. Kahlbaum und Gisela einen Happen zu sich nehmen wollen. Talamontis bübische Herzigkeit und fidele Körperkomik machen seine Episode zum besten Abschnitt im SEX-TRÄUME-REPORT.
Fazit: Eigentlich ist ja jeder Reportfilm ein Traumreport. Da erscheint der Schritt, den Walter Boos in SEX-TRÄUME-REPORT ging, nur konsequent und folgerichtig: er macht den feuchten Traum an sich zum Thema des Films und enthebt sein Sujet damit von Anfang an von jeglichen realistischen Verpflichtungen. Die forcierten Passanten-Befragungen, der pseudowissenschaftliche Kommentar und ähnliche vertraute Gimmicks werden hier nur mehr ausgestellt, um einen episodischen Rahmen zu schaffen, wie er offensichtlich dem Massengeschmack entsprach. Klare Empfehlung für Genrefreunde, Einsteiger sollten aber einen anderen Film wählen, denn insgesamt fällt der Film zu sehr aus dem Rahmen um für das Genre repräsentativ zu sein.