Filmkritiken - von Independent bis Hollywood
 
2008 Filmkritiken | 10468 Personen | 3323 Kommentare  
   
Bitte wählen Sie

Email

Passwort


Passwort vergessen

> Neu anmelden

Auch interessant



Die Vögel
von Alfred Hitchcock




Meist gelesen¹

1. 
Cannibal Holocaust (Nackt und Zerfleischt)  

2. 
Martyrs  

3. 
Auf der Alm da gibt's koa Sünd  

4. 
Troll Hunter  

5. 
Antikörper  

6. 
Das Zeiträtsel  

7. 
Supernatural  

8. 
Harry Potter und der Orden des Phönix  

9. 
Andromeda - Tödlicher Staub aus dem All  

10. 
Midnighters  
¹ gilt für den aktuellen Monat

  FILMSUCHE
  Sie sind hier: Filmkritiken > Tommy Lee Jones > Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada
Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada RSS 1.0


Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada

Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada

Ein Film von Tommy Lee Jones

von Asokan Nirmalarajah

Guillermo Arriaga ist einer der bekanntesten, wenn nicht gar der angesehenste Drehbuchautor Mexikos. Als solcher mag der prätentiöse Feingeist sich aber nicht gerne bezeichnen. Er präferiert die Berufsbezeichnung des Autoren, da ihm die des Drehbuchschreibers zu reduktiv erscheint, und der Begriff Drehbuch als defizitär gegenüber anderen Literaturformen. Der hierin ersichtliche Anspruch Arriagas als eigenständiger Geschichtenerzähler ernstgenommen zu werden zeigt sich auch in den Werken, die seiner Feder bisher entsprungen sind. Denn die schwerfällige Handschrift Arriagas ist diesen bemüht komplex strukturierten, hochtrabend meditativen Filmen eher nachzuweisen als die des Regisseurs, der oft auch mit einer entsprechend diffusen, multiperspektivischen Ästhetik die räumlich und zeitlich nie stringente Narration des unsubtilen Autoren zu bändigen sucht. Diese Mühe machte sich bislang der nicht minder ambitionierte, ebenso oberflächliche mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu, mit dem Arriaga drei Filme gemacht hat, die sich thematisch und stilistisch zu einer Trilogie zusammenfassen lassen.


Ihr mexikanischer Achtungserfolg Amores perros (2000) und ihre zwei US-Produktionen 21 Grams (2003) und Babel (2006) sind zwar allerorts prämierte Kritikererf
olge, die aber leider mehr wagen als bewerkstelligen. So kollidieren in ihren Filmen stets eine Vielzahl von Protagonisten mit individuellen Krisen durch einen mitunter tödlichen Unfall, der das Leben aller Beteiligter in ein Chaos stürzt, aus dem manche ihre wertvollen Lehren ziehen und ihr Leben ganz neu ausrichten, während andere darin verloren gehen und vor dem ultimativen Persönlichkeitskollaps stehen. Doch während Amores perros noch als brutale, mexikanische Robert-Altman-Variante mit einer kräftigen Dosis makabren Humors und Pathos á la P.T. Anderson und authentischen, intensiven, bunten Bildern von Mexiko-Stadt überzeugen konnte, und der bereits arg konstruierte, aber dank der grandios spielenden Besetzung durchweg fesselnde 21 Grams noch durch die virtuose Bilderflut von Iñárritu zu punkten wusste, zeigte sich schon an dem maßlos überschätzten, substanzlosen Babel (2006) dass die reißerischen Bilder Iñárritus und die häufig unmotiviert nonkonforme Erzählweise Arriagas nicht immer über schablonenhafte Charaktere, eine schwerfällige, prätentiöse Handlung und die Oberflächlichkeit ihrer gefälligen, politisch allzu korrekten Sicht der angesprochenen soziokulturellen Probleme hinwegtäuschen können.

Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades EstradaThree Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades EstradaThree Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada
Hieran krankt auch das ambitionierte und durchaus vielversprechende Kinodebüt des bewährten Mimen Tommy Lee Jones, der nach seinem Regie-Einstand mit dem TV-Western The Good Old Boys (1995) als gebürtiger Texaner hier einen Spätwestern vorgelegt hat, der bei Kritikern ob der Thematik um Tod, Schuld und Sühne Erinnerungen an das Oeuvre des Regisseurs Sam Peckinpah weckte. Mit The Three Burials of Melquiades Estrada (2005) haben wir es allerdings, trotz der besten Absichten der talentierten Leute vor und hinter der Kamera, mit einer weiteren klischeehaften, gefälligen Milieustudie zu tun, die sich der Rassenproblematik im konfliktreichen Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko annimmt, aber nicht mehr zur Debatte beizutragen hat, als die Amerikaner als hohle Konsummenschen zu dämonisieren und zugleich die Mexikaner als erdverbundene, spirituelle Naturmenschen heilig zu sprechen. Zu dumm nur, dass das hier und dort aufblitzende Feingefühl des Regisseurs, die atmosphärisch dichten Bilder von Kameramann Chris Menges und die intensiven, aber fehlgeleiteten Vorstellungen der Besetzung an ein Drehbuch verschenkt werden, dass seine Inhalts- und Spannungsarmut durch eine nicht-lineare Erzählung und politisch korrekter Romantisierung zu kaschieren versucht.


Dabei ist hier von vornherein klar, was passiert ist, wer die Schuld trägt und welche Wendungen die Geschichte nehmen wird. Dies wäre nicht so schlimm, wenn die Figuren interessant genug wären, um die Aufmerksamkeit des Zuschauers aufrecht zu erhalten, doch leider haben wir es hier mit trüben Abziehbildern zu tun: angefangen bei dem typisch amerikanischen Pärchen Mike (Barry Pepper) und Lou Ann Norton (January Jones), zwei infantilen Noch-Teeangern, die ihrer einstigen Highschool-Popularität nachweinen, und von Cincinnati nach Texas gezogen sind, damit er einer Tätigkeit als Grenzpolizist nachgehen kann, während sie sich in der texanischen Einöde vor dem Fernseher langweilen kann, wenn sie mal nicht desinteressierten Analverkehr mit ihrem Mann hat. Arriagas Tendenz den moralischen Gehalt seiner Figuren durch ihren Umgang mit ihrer Sexualität zu illustrieren zeigt sich also auch hier: während Mike auf gefühllosen Verkehr aus ist, und der Sheriff der Grenzstadt impotent ist, scheut sich der liebenswerte Mexikaner vor körperlicher Nähe. So weiß sich der gänzlich unsympathische, weil gewalttätige und hedonistische Mike seine Zeit als Grenzwächter auch nicht anders zu vertreiben als mit einem Pornoheft. Beim Masturbieren in der Einöde fallen Schüsse in der Ferne und der verängstigte Knabe schießt unüberlegt zurück. Getroffen wird dabei der illegale mexikanische Einwanderer Melquiades Estrada (Julio Cedillo), dessen Unfalltod schnell von den Behörden vertuscht wird. Doch dem Vorarbeiter von Melquiades, dem ergrauten Cowboy Pete (Tommy Lee Jones), verlangt es nach Gerechtigkeit, als er über Umwege erfährt, wer für das Ableben seines besten Freundes verantwortlich war. Prompt entführt er Mike und zwingt ihn mit der ausgegrabenen Leiche seines Freundes nach Mexiko zu reiten, um den Melquiades's letzten Wunsch zu erfüllen: ihn in seiner Heimat zu begraben…

Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades EstradaThree Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades EstradaThree Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada
Unterbrochen von Texttafeln, die den sehr überlangen Film in pseudo-signifikante Kapitel einteilen, und wahllos zwischen der unmittelbaren Vergangenheit und der Gegenwart dieser kraftlosen Geschichte schaltend, findet Three Burials – Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada zu keiner Zeit zu einem befriedigenden Ganzen. Hier und dort gibt es aufgrund der hier verpflichteten Leute natürlich kraftvolle Momente, die aber nur von kurzer Dauer sind und nicht wirklich über die eklatanten Mängel des Films hinwegtäuschen. Hier sind es insbesondere die Charaktere, die allesamt so abstoßend gezeichnet sind, dass man schnell ihrer müde wird, speziell auch Melquiades, der zu einer Engelsgestalt stilisiert wird, wohingegen Mike wie der größte Widerling wirkt. Dass der Film letztlich zu einer Umerziehung des dummen Amerikaners Mike durch die äußerst noblen Einwohner Mexikos und seinem temporären Ziehvater Pete wird interessiert einen dann kaum mehr. Diese Tendenz des Films äußert sich schon vorab in dem reduktiven Porträt Amerikas als bevölkert von dummen Blondinen, fetten Frauen, antisozialen Kindern, TV-Seifenopern und Werbeplakaten, und kulminiert in der verklärten Sicht Mexikos als dem unverdorbenen Paradies auf Erden. Wirklich interessante Figuren wie der impotente Sheriff Belmont (Dwight Yoakam) und die promiskuitive Kellnerin Rachel (Melissa Leo) aus der ersten Hälfte des Films können sich leider nicht wirklich entfalten. Eine herbe Enttäuschung, die aber maßgeblich Arriage zuzuschreiben ist, der mal seine strukturellen Spielereien außen vor lassen sollte, um seine Charaktere interessanter und glaubwürdiger zu gestalten. Vielleicht würde er dann auch als (Drehbuch-)Autor (von mir) ernst genommen werden.


Die Special-Edition-DVD von "Ascot Elite Home Entertainment" ist für so einen leidlich bekannten Festivalhit wie diesen äußerst beachtlich. Nicht nur gibt es einen genuschelten, erhellenden Audiokommentar von Tommy Lee Jones und seinen beiden Darstellern January Jones und Dwight Yoakam, ebenso findet sich ein ausführliches Making-Of, unzählige geschnittene und längere Szenen, und Extras zu der eindringlichen Musik und der unverständlich euphorischen Aufnahme des Films bei den 2005er Filmfestspielen von Cannes auf dieser feinen DVD-Edition. Sehr empfehlenswert für Fans des Films.

Eine Rezension von Asokan Nirmalarajah
(10. Dezember 2007)
Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada bei Amazon.de kaufen    Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada bei ebay.de ersteigern


Kommentar schreiben | Einem Freund empfehlen

Daten zum Film
Three Burials - Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada USA 2005
(The Three Burials of Melquiades Estrada)
Regie Tommy Lee Jones Drehbuch Guillermo Arriaga
Produktion Europa Corp.
Darsteller Tommy Lee Jones, Barry Pepper, January Jones, Dwight Yoakam, Julio Cedillo, Melissa Leo, Levon Helm, Mel Rodriguez
Länge 121 FSK 12
http://www.sonyclassics.com/threeburials/
Filmmusik Marco Beltrami
Kommentare zu dieser Kritik
Paul TEAM sagte am 26.05.2008 um 12:12 Uhr

Bei all der Kritik an der Einseitigkeit der "Moral" des Films, die angeblich in der Erziehug des dummen Amerikaners durch die "noblen", "heilig gesprochenen" Mexikaner geschieht, wird allerdings vergessen (?), dass Jones' Charakter doch ebenso klassischer "Amerikaner" ist, und der durchaus ambivalent gezeigt wird. Außerdem: Die große Lebenslüge von Estrada spricht doch gerade, wenn auch zugegeben wenig subtil, die angeblich so klaren Grenzen zwischen richtig und falsch an. Mexiko ist kein Paradies voller Heiliger. Aber selbst der Mexikaner träumt es sich so zusammen, weil, und das ist viel eher Thema des Films, er wie auch fast alle anderen im Film, verzweifelt nach einem Ort sucht, an den er gehört.
Asokan TEAM sagte am 04.06.2008 um 15:25 Uhr

Interessante Perspektivierung, Paul, auch wenn ich darauf so antworte: ja, Jones' Figur ist ein klassischer gewalttätiger Amerikaner, aber er wird in den Rückblenden des Films auch von dem noblen Mexikaner positiv beeinflußt, so dass er am Ende des Films auch auf den endgültigen Gewaltakt gegen seinen quasi-Ziehsohn verzichtet. Was er letztlich durchführt ist ja auch eine Läuterung des jungen Amerikaners durch einen (spirituellen) Mexiko-Trip. Und das eigentliche Thema des Films hast du überzeugend im letzten Satz gefasst, aber das macht die geographische Sinnsuche auch nicht wirklich interessanter.

Kommentar schreiben | Einem Freund empfehlen

 

Impressum