Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn’s dem bösen Nachbarn nicht gefällt... Gitarrenlärm und donnernde Bässe treiben allmählich die Bewohner des ansonsten friedlich-beschaulichen Silberwaldes an den Rande der Verzweifelung, wenn sich die Urheber der ganzen Misere – die rockenden drei Bärchen – tagein, tagaus daran versuchen, ihren nach eigenem Bekunden blechernen Sound zu verbessern. Einsicht soll ja der erste Weg zur Besserung sein. Doch bisher sorgt der Verbesserungsversuch erst einmal noch für unangenehme Ohrenschmerzen in der anliegenden Nachbarschaft.
Während sich die einen also einen sprichwörtlichen Wolf spielen, ist einer der Leidgeplagten zu allem Überfluss ein solcher Canis lupus (Hein Blöd). In unmittelbarer Nähe zu der Quelle des wummernden Unheils haust er und könnte den drei kleinen Bärchen eigentlich gehörig den Marsch blasen, auf dass endlich wieder Ruhe einkehre im Silberwald. Doch anders als seine bösartige Verwandtschaft, die dieses Unterfangen mit Leichtigkeit in die Tat umsetzen würde, ist unser haariger Blödwolf aufgrund seiner pazifistischen Grundeinstellung so gar nicht für Gewaltausbrüche zu begeistern. Wie soll man sich da gegen drei pubertierende Bärchen durchsetzen, die sich zudem noch in der Überzahl befinden?! Vielleicht kann ja die gute, blaue Fee (Käpt’n Blaubär) weiterhelfen, die unversehens in ihrem blauen Straßenkreuzer vom Himmel schwebt und dem verzweifelten Blödwolf drei Wünsche zur
Verfügung stellt. Aber auch Wünsche wollen gut überlegt sein...
Seit nunmehr 22 Jahren gibt es den Seemannsgarn spinnenden Geschichtenerzähler Käpt’n Blaubär, der einem breiten Publikum vor allem durch seine unzähligen Fernsehauftritte in der
Sendung mit der Maus bekannt wurde. Aus der Taufe gehoben wurde er nebst Gefolge (Hein Blöd und den drei Bärchen-Enkeln) durch den deutschen Comiczeichner, Autor und Illustrator
Walter Moers, der bereits 1984 im zarten Alter von 27 Jahren seine bis heute andauernde kreative Schaffenszeit begann. Neben besagten Kindergeschichten sind dabei auch etliche Comics und Romane für ein eher erwachseneres Publikum entstanden, etwa die Abenteuer rund um
Das kleine Arschloch, das
‚Moerschen’ vom Fönig oder die
Zamonien-Romane. Der öffentlichkeitsscheue Moers fuhr schon immer gerne mehrgleisig, so auch in der Ausgestaltung seiner Werke. Was – vor allem bei den Comics – dem einen das Fehlen jeglicher politischer Korrektheit, ist dem anderen das bei den Romanen in der fiktiven Welt Zamoniens bevorzugte Stilmittel des überzeichnet Grotesken: Moers bedient vielerlei Geschmäcker seit Jahren erfolgreich. Der Entschluss, seine Kinderfigur des Käpt’n Blaubär pünktlich zum 20. Geburtstag unerforschtes Terrain betreten zu lassen, könnte da glatt, wenn man wollte, wie die Rückbesinnung eines junggebliebenen Erwachsenen auf alte Tugenden verstanden werden, der dem Kind in sich noch einmal freien, ungebändigten Lauf lässt.
Denn bereits die Vorstellung, Käpt’n Blaubär, Hein Blöd und Co. singenderweise in einem Musical-Special von
Käpt’n Blaubärs Seemannsgarn auftreten zu lassen, mag auf den ersten Blick leicht befremdlich erscheinen, hat doch das eine nicht so recht was mit dem anderen zu tun. Aber um gleich im Vorfeld alle Zweifel zu zerstreuen:
„DIE 3 BÄRCHEN UND DER BLÖDE WOLF“ ist ein (kindgerechtes) Werk Moers’ in Reinkultur, witzig, kurzweilig und dieses Mal als Bonbon mit dem wohl abwechslungsreichsten Soundtrack versehen, den sich nicht einmal ein Lügenbär vom Schlage Blaubär besser hätte ausdenken können.
Die einfach gestrickte Geschichte um Respekt und Musikleidenschaft ist wie im Musical üblich im Grunde nicht mehr als eine alles zusammenhaltende Basis, und demzufolge sollten Moers-Jünger auch keine humoristischen Neuerfindungen während der gesangslosen Zeit erwarten. Vielmehr zeigt sich Moers’ Humor erst so richtig in den vier Songs, die der Kabarettist und Liedermacher
Thomas Pigor komponierte. Neben dem punkrockigen, bewusst einige schiefe Töne beinhaltenden
Bärchen Song, den die Blaubär-Enkel wohl nicht von ungefähr im frappierend an Tokio Hotel erinnernden Gewand intonieren, warten
Der Blödwolf Blues, der poppige
Du brauchst ’ne Fee-Song und das abgedrehte
Sorgen-selber-Anpacker-Lied der swingenden Mahlzeiten darauf, auf die Gehörgänge der lauschenden Betrachter losgelassen zu werden. Obwohl es nur vier Songs sind, zeigt sich hier doch eine enorme Bandbreite musikalischer Vielfältigkeit, die sowohl durch den Gesang des Blaubär-Ensembles um
Wolfgang Völz (Käpt’n Blaubär und die blaue Fee) und
Edgar Hoppe (Hein Blöd bzw. Blödwolf) als auch die musikalische Unterstützung in Gestalt der A-Capella Gruppe
Basta in ungeahnte Höhen gehoben wird. Mit sichtlicher Spielfreude – nicht zuletzt dank der legendären Klimpersberger Schweineorgel – wird so die nette, abgedrehte Geschichte musikalischerweise auf ein Ende hingelenkt, das die Kleinen zufrieden zurücklassen sollte, während die Großen erkennen, dass es sich durchaus bezahlt machen kann, den Spaß am Kinderfilm-Genre ausgiebigst zu zelebrieren.
Denn
„DIE 3 BÄRCHEN UND DER BLÖDE WOLF - DAS KÄPT’N BLAUBÄR MUSICAL“ bietet über knappe 45 Minuten schlicht amüsant-harmlose, dabei absolut liebevoll gestaltete Unterhaltung für sowohl die kleinen als auch junggebliebenen großen Bärchen unter uns. Der Ausflug des Lügenbärs in das Genre des Musicals ist definitiv überdurchschnittlich gut gelungen. Weil Erwachsene, wie die Jury des Bayerischen Fernsehpreises konstatierte, unbändigen Spaß am Kinderfernsehen bewiesen haben. Geradeaus, völlig ohne die unterstützende Zauberhilfe von einer im fliegenden Straßenkreuzer umherdüsenden blauen Fee.
Und sagt jetzt bloß nicht
Ne!