Die nach einfachen Mustern gestrickte Story, welche auf einem Roman von Peter Benchley basiert, erzählt die Geschichte eines riesigen weißen Haies, der die Küste der vom Tourismus abhängigen Insel Amity unsicher macht. Da sich die Kreatur mordlüstern und gierig durch die Badegäste frisst, und nur ab und zu ein paar Gliedmaßen übrig lässt, beschließen Sheriff Brody (Roy Scheider), der Meeresbiologe Hooper (Richard Dreyfuss) und der raue, derbe Seebär Qint (Robert Shaw) dem großen Nimmersatt Einhalt zu gebieten und begeben sich in einer abenteuerlichen Mission auf hohe See, um dort das Untier aufzuspüren, zu jagen und schließlich gejagt zu werden.
Das Grundkonzept des Drehbuchs ist gut durchdacht. So spielt die erste Hälfte des Films an Land und hat damit ganz den Charakter der klassischen Monsterfilme, während die zweite abenteuerlichere Hälfte auf dem Meer eher dem Actiongenre zuzuordnen ist. Ab und zu wird der Film auch so richtig unheimlich, etwa wenn Quint die (wahre) Geschichte der Überlebenden der untergegangenen USS Indianapolis erzählt, die im Wasser treibend von den Haien langsam aufgefressen wurden.
Immer wieder begeistert „Der Weiße Hai“ durch seine blutigen Effekte und scheut auch nicht davor zurück zu zeigen, wie Kinder gefressen werden, was ja in Hollywood Filmen meist ein großes Tabu ist. Die Massenszenen am Strand sind wirklich gelungen und geben dem Film den Anschein einer großen Inszenierung.
Die Erzählweise lebt vor allem durch ihre spannende Dichte. So ist der Raubfisch lange Zeit nicht richtig zu sehen, sondern es werden nur seine Schwanzflosse sowie seine monströsen Umrisse unter Wasser gezeigt, die sein Aussehen und seine Größe lediglich erahnen lassen. Da Spielberg nur ein geringes Budget zur Verfügung stand war er gefordert seiner Kreativität freien Lauf zu lassen und hat aus (im Vergleich zu seinen späteren Filmen) wenig Geld viel gemacht.
Damit spielt der Film mit unserer Phantasie, unseren ureigensten Ängsten vor dem Unbekannten, und die Furcht entsteht in unserem Kopf. Besonders berühmt ist auf diese Weise die Anfangsszene geworden, in welcher der Hai das Mädchen schön langsam auffrisst, selbst aber nicht zu sehen ist.
Umso wirkungs- und effektvoller ist dann jener Schreckmoment, wenn das Monster zum ersten Mal blitzschnell neben der Orca auftaucht und der Zuseher ihm in seine schwarzen Augen sieht.
Die Szenen auf hoher See wirken aufgrund der geschickten Aufnahmen sehr weit und unendlich. So spürt man förmlich das Ausgeliefertsein der drei Protagonisten angesichts der Weite des Meeres, der Wassermassen und des sie bedrohenden Ungeheuers. Zugleich schafft Spielberg es aber auch dem Zuseher das Gefühl von Klaustrophobie zu vermitteln, weil die Jäger ja schließlich an den Raum des kleinen Seelenverkäufers gefesselt sind, der noch dazu zu kentern droht.
Die Kameraführung ist beeindruckend: am Beispiel der Szene, in der die Jungs im Pond vom Hai angegriffen werden, und die Kamera in einer sehr schnellen Fahrt über das Wasser schwebt, in dem der vom Schock gelähmte Michael (Chris Rebello) zu sehen ist, lässt sich dies gut verdeutlichen. Aber auch die Ego-Perspektiven des Haies sind äußerst wirkungsvoll.
Die Charaktere haben natürlich wie zu erwarten wenig Tiefe, und die Schauspieler können - mit Ausnahme von Robert Shaw und Richard Dreyfuss: wenn die beiden ständig ihre kindischen Machtkämpfe führen, nur um sich dann später beim gemeinsamen Zechgelage (vorübergehend) zu versöhnen, ist das einfach köstlich - nicht immer überzeugen, doch sind die Rollen zumindest sympathisch und weniger stereotyp und makellos als in anderen Monsterfilmen. Auch von den Dialogen darf man sich - abgesehen vom pseudowissenschaftlichen meeresbiologischen Fachjargon - nicht zu viel erwarten.
Die Warnung Sheriff Brodys, die von allen zwecks Kapitalismus und Gefährdung des Tourismus in den Wind geschlagen wird, gehört zum Klischee des Genres, als Fan des Films wird man aber darüber hinwegsehen.
Ich muss mich immer wieder über jene ärgern, die behaupten „Der Weiße Hai“ sei ein schlechter Film, weil der große Fisch nicht „echt“ wirke. Sehen die digitalen Haie in „Deep Blue Sea“ denn etwa realistischer aus? Für mich entsteht gerade der unheimliche Effekt des Ungetüms aufgrund seiner maschinenhaften Bewegungen, die ihn jeglichen Natürlich-Seins berauben und zu einem roboterhaften Monstrum machen, das sich durch nichts und niemanden aufhalten lässt. Diese Verfremdung trägt wesentlich zur Spannung und Intensität des Films bei, zumal die Aufnahmen von echten Haien geschickt dazwischen geschnitten werden (siehe die Szene mit dem Haikäfig), und auf diese Weise die Bewegungen des „großen Weißen“ weniger steril wirken, als die seiner digitalen Artgenossen im oben genannten Film.
„Der Weiße Hai“ hat die sog. „Selachophobie“, die Angst vor Haien, regelrecht geschürt und ein Bewusstsein, dass Haie aggressive Killer seien, die töten um des Tötens willen und die Badestrände durch ihre Mordgier bedrohen (vergleiche hierzu den englischen Originaltitel „Jaws“, der den Aspekt der Mordmaschine, die nur aus Zähnen besteht, stärker betont), geschaffen.
An dieser Stelle möchte ich daher ein Zitat einfügen, um aufzuzeigen, dass es nicht der Hai ist, der systematisch und sinnlos tötet:
"Ohne Zweifel ist die weit verbreitete Angst vor Haien ein relativ neues Phänomen, das nach dem Kinostart des Films 1975 einen bemerkenswerten Höhepunkt erfuhr. Die schockierende Darstellung der Hai-Attacken und John Williams berühmt-beunruhigende Filmmusik lösten weltweit eine Massenhysterie und das sinnlose Abschlachten der Tiere aus. Denn bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war vergleichsweise wenig über Haie bekannt. Im Meer zu baden galt damals in den westlichen Ländern als seltsame Angewohnheit und nur wenige hatten überhaupt jemals einen lebenden Hai gesehen."
Hier bleibt zu bedenken, dass Spielbergs Film ein unterhaltender und mitreißender Horrorthriller ist – und auch so verstanden werden will – und keinen Anspruch erhebt realistisch zu sein. Der Raubfisch wird im Film mit übernatürlichen Kräften dargestellt und eindeutig antropomorphisiert, d. h. er handelt aus persönlichen sowie berechnenden Rachemotiven und einer bösartigen Intelligenz, die jedoch nur der Mensch kennt.