Grace Stewart führt ein einsames und niederschmetterndes Leben. Nachdem ihr Mann nicht mehr aus dem zweiten Weltkrieg nach Hause kehrte und man davon auszugehen muss, dass er gefallen ist, lebt die zweifache Mutter mit ihren Kindern Anne und Nicholas in einem abgeschiedenen und isolierten viktorianischen Anwesen auf der Insel Jersey. Ihr Sohn und ihre Tochter leiden an einer seltenen Lichtallergie weshalb alle Zimmer permanent durch dicke, lichtundurchlässige schwere Vorhänge abgedunkelt sein müssen.
Da ihre letzten Dienstboten aufgrund der ständigen Dunkelheit und der deprimierenden Atmosphäre über Nacht das Haus verließen, sieht sich Grace gezwungen drei neue Haushälter, nämlich das Kindermädchen Mrs. Mills, den Gärtner Mr. Tuttle und die stumme Lydia einzustellen. Zunächst ist sie froh so schnell neue Bedienstete gefunden zu haben, doch schon bald geschehen unheimliche und übernatürliche Ereignisse, die Mutter und Kindern das Leben schwer und unsicher machen. Türen öffnen und schließen sich von selbst, das Piano spielt von alleine, am Speicher poltert es und flüsternde, raunende Stimmen hallen durch die verlassenen Korridore. Es spukt! Als schließlich die für Anne und Nicholas lebensnotwendigen Vorhänge aufgezogen werden und die Kinder beinahe ums Leben kommen droht Grace’ Verstand zu zerbrechen.
Von den Dienstboten kann die Alleingelassene keine Hilfe erwarten. Ganz im Gegenteil: die drei scheinen ein düsteres Geheimnis zu hüten,
sprechen in Rätseln und wissen weit mehr als sie zugeben.
„The Others“ stellt ganz die tragische Identifikationsfigur der Grace in den Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit, zeigt uns wie sie schreiend aus einem fürchterlichen Alptraum erwacht, wie sie von psychosomatischen Kopfschmerzen geplagt wird, mit ihrem Schicksal hadert und dieses doch mit Stärke trägt und nie aufgibt.
Die Zeichnung ihres Charakters ist dabei tief, vielschichtig und subtil, weit mehr als man dies von einem Gruselthriller erwartet. Vielmehr erinnert Grace an die Protagonistin eines anspruchsvollen Dramas. So flüchtet sie sich vor der unerträglichen Realität in einen fundamentalistischen religiösen Wahn und in die Vorstellung Gott würde ihr helfen und alles zum Guten wenden.
Die Schattenseite dieser Weltflucht ist jedoch die, dass sie ihre eigene Frustration, ihren Hass auf ihr Leben und ihre Verzweiflung auf die Kinder überträgt und diese durch ungerechtfertigt hohe Strafen und Angst machende christliche Schauergeschichten schikaniert. Als sich Anne und Nicholas über eine religiöse Erzählung lustig machen schildert ihnen Grace in bildhaften Worten von der ewigen Verdammnis und den grausamsten Höllenstrafen, wobei ihr eine gewisse Freude am Sadismus nicht abgesprochen werden kann. Sichtlich und voller Genuss weidet sie sich an der Furcht ihrer Kinder und erinnert an einen puritanischen Hexenjäger bzw. Inquisitor. In dieser Situation von Machtausübung ist sie unsympathisch und man verachtet sie zutiefst, nur um im nächsten Moment bereits wieder mit ihr mitzufiebern und sie in ihrer Verzweiflung und Hilflosigkeit zu bedauern.
Schließlich sind es gerade ihre religiösen Projektionen und Wunschvorstellungen, die sie in ihrer Erkenntnis behindern und in ihrer eigenen Hölle schmoren lassen. Insofern ist ihr Name ‚Grace’, zu Deutsch „Gnade (Gottes)“, wegen seiner bösen Ironie wohl weit mehr als nur Zufall.
Gespielt wird die anspruchsvolle Charakterrolle von einer mageren und leichenblassen Nicole Kidman. Die Filmfigur verlangt ihr einiges ab, die Schauspielerin jedoch meistert diese große Herausforderung mit Bravour und wirkt als Grace zutiefst authentisch. Keinen Moment lang möchte man glauben, dass sie je eine andere Rolle als die der überforderten, masochistischen und asketischen Mutter gespielt hätte. Sie schafft es sogar den Irrsinn in ihren Augen glitzern zu lassen, und aufgrund ihrer wohlüberlegten und gut durchdachten Frisuren (ihr Hairdesigner hat wirklich ganze Arbeit geleistet) kann sie alle Möglichkeiten des Mimikspiels voll ausschöpfen.
Aber auch die Kinderschauspieler sind überragend und weit über dem Durchschnitt ihrer jungen Kollegen. Die ausdrucksstarke Alakina Mann ist die aufmüpfige und ihrer Mutter misstrauenden Anne, während James Bentley den jüngeren und ängstlichen Nicholas mimt. Ein besonderer Genuss ist jenes schauspielerische Highlight in dem sich Grace und Anne in einer Konfrontation gegenüberstehen, und es zwischen ihren Augen voller Zorn und Machdemonstrationen nur so blitzt. Mann zeigt hierbei soviel Talent, dass sie den Vergleich mit der überwältigenden Kidman keinesfalls zu scheuen braucht.
Fionnula Flanagan spielt die Nebenrolle der Mrs. Mills. Einerseits macht sie den Eindruck einer gemütlichen und gutherzigen alten Nanny, andererseits merkt man schnell, dass sich hinter dieser Fassade weit mehr verbirgt, man weiß nur nicht ob Gutes oder Schlechtes.
Sehr viele Filme des Grusel- und Horrorgenres unserer Zeit haben die schlechte Angewohnheit sich irgendwo in mittelmäßigen doch überladenen SFX zu verlieren und ihrer Story keine Beachtung zu schenken. Das kann von „The Others“ nun wirklich nicht behauptet werden, erinnert er doch durch seine Retro-Inszenierung vielmehr an klassische Produktionen des Britischen Horrorkinos der 60er und frühen 70er Jahre, wie sie z.B. aus dem Hause HAMMER stammen, als an einen Streifen des angehenden dritten Jahrtausends.
Regisseur Alejandro Amenábar geht es vor allem darum eine möglichst düstere und klaustrophobische Grundstimmung zu schaffen. Bei Spezialeffekten hält er sich tunlichst zurück und setzt diese nur minimalistisch ein. Die FX beschränken sich lediglich auf den ständig wallenden Nebel, der klaustrophobe Naturen ängstigen wird, zuschlagende Türen und eine geniale Beleuchtung. Dem Anhänger alter Horrorklassiker wird dank dieser Machart das Herz einen Luftsprung machen.
Der Film ist sehr dunkel, und in einigen Szenen ist es so düster und schummrig, dass es dem Zuseher nicht schwer fallen will sich in Grace und ihre Stimmungen hineinzuversetzen, vermag doch auch er kaum etwas zu erkennen. Immer wieder überrascht Amenábar durch geniale Bildkompositionen, wie das unheimliche weiße Gesicht eines Gemäldes, das man vorerst nicht als solches erkennt sondern für eine Geistererscheinung hält, oder die dank perfekter Beleuchtung schwarzen und toten Augen von Mrs. Mills. Mit diesen einfachen aber umso wirkungsvolleren Stilmitteln gelingt es „The Others“ immer wieder dem Publikum die Haare zu Berge stehen zu lassen.
Überwältigend und kaum zu ertragen ist auch die Stille. Über weite Passagen hinweg ist es so leise, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. Erlauben es allerdings Dramaturgie und Geschehen dem Tonmeister Soundeffekte einzusetzen schlagen dieser mit voller Wucht und Dynamik zu und nutzen alle ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Da darf es schon einmal nach einer ruhigen Sequenz auf dem Dachboden so laut poltern, dass man meint die eigene Hütte stürze über einem zusammen und erschrocken aus dem Sessel purzelt, und die Surround-Technik wird psychoakustisch äußerst wirksam und beängstigend eingesetzt. Gerade weil diese Effekte nur selten auftreten sind sie so erschreckend. Weniger ist eben meist mehr!
VORSICHT SPOILER
Es ist interessant, dass dieser Film immer wieder mit M. Night Shyamalans „The Sixth Sense“ (1999) verglichen und an ihm gemessen wird. Beide behandeln zwar eine ähnliche Thematik und haben eine einander sehr gleichende Auflösung, „The Others“ steht aber ganz in der Tradition klassischer Geisterhausgeschichten, bedient sich deren Elemente und stellt diese völlig auf den Kopf. Es sind DIE ANDEREN die man vorerst für Geister hält, welche aber in Wirklichkeit die geplagten Menschen sind, und die scheinbaren Lebenden sind schon längst tot. Ins Auge fällt die Schlussszene mit der Seance, in der Grace, Anne und Nicholas wütend und verzweifelt „Wir sind nicht tot“ schreien und am Tisch rütteln. Das ist ein herkömmliches Genreklischee nur eben vollkommen verdreht.
Sieht man sich dieses Werk das zweite Mal an erlebt man es ganz anders. Viele Unklarheiten (warum z.B. der Toast den Kindern auf einmal nicht mehr gut schmeckt, weshalb die Möwen nicht mehr kreischen oder die Post nicht kommt) und offene Fragen klären sich, und alles fügt sich nahtlos zusammen.
Die Mutter und ihre Kinder sind in der Zwischenwelt gefangen. Solange sie sich nicht bewusst werden, dass sie tot sind ist es für sie ihr ganz privater Limbus bzw. ihre eigene Vorhölle. Sieht man den Film mit dem Wissen um die Auflösung fällt auf, dass Grace oft die Hölle, das Purgatorium und den Kinderlimbus erwähnt und somit auf das „Twist Ending“ und ihr eigenes Schicksal anspielt.
FAZIT: Dem Allroundgenie Alejandro Amenábar, der nicht nur Regie führte sondern auch die unheimliche und schwer klingende Filmmusik sowie das Drehbuch schrieb, ist ein grandioses Mystery- bzw. Gruseldrama gelungen, das durch eine interessant gestrickte Story und komplexe Charaktere brilliert und geradezu einladet immer wieder angesehen zu werden. Dabei profitiert der Film von seiner langsamen Erzählweise und hat durch seinen nie wechselnden Schauplatz, sein Setting und nur wenige Akteure beinahe schon den Charakter eines Theaterstücks oder Kammerspiels.
Hiermit bildet „The Others“ eine sehenswerte Alternative zu Jan de Bonts Flop „Das Geisterschloß“ (1999) oder dem überladenen Remake William Malones „Haunted Hill – Evil Loves to Party“ (1999), hat trotz vieler klassischer Spukhaus-Elemente weit mehr als nur Grusel zu bieten und begründet beinahe schon ein neues Genre.