Im Jahr 1943 treffen zwei Frauen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Es sind die arische Nazi-Mitläuferin Lilly Wust und die Jüdin und Widerstandskämpferin Felice Schragenheim, die vor dem Hintergrund des permanent durch Bombenangriffe gezeichneten Berlins eine leidenschaftliche Liebesbeziehung entwickeln, welche das Leben der beiden Menschen radikal verändern und Felice’ Schicksal besiegeln wird.
Lilly verkörpert die deutsche Mutter, das ideale Frauenbild des Nationalsozialismus. Verheiratet ist sie mit einem Mann, der nur selten zu Hause ist, weil er die meiste Zeit über an der Front kämpft. Das stört sie allerdings wenig, schließlich kann sie ihrem Gatten ohnedies kaum Gefühle entgegen bringen, und die beiden leben in einer Zweckgemeinschaft zusammen, da dies in der Gesellschaft nun einmal so üblich und für Lilly darüber hinaus notwendig ist.
Mit ihrer eigenen Homosexualität hat sich die dreifache Mutter noch überhaupt nicht auseinandergesetzt - schließlich lebt sie in einer Zeit, in der (wenn auch überwiegend männliche) Homosexuelle verfolgt, deportiert und mit dem rosa Winkel versehen in Arbeits- und Konzentrationslager gesteckt werden-, weshalb sie auf die selbstbewusste und sie überfordernde Felice so aggressiv reagiert als diese sie zu küssen versucht.
Doch weckt die Jüdin in ihr Gefühle und tiefgehende Emotionen, die sie bei einem Mann noch nie empfunden hat. Für Felice ist sie bereit alles
aufzugeben: den Ehemann, die gemeinsamen Kinder, die finanzielle Unterstützung, ja sogar sich selbst, denn dadurch, dass sie von Felice’ jüdischer Abstammung weiß und sich dennoch für sie entscheidet gefährdet sie auch ihr eigenes Leben. Das alles nimmt Lilly jedoch gerne in Kauf, konnte sie doch ihrem Leben bis zu ihrer Begegnung mit Felice keinen Sinn abgewinnen und wird deswegen diese kurze und einzige Liebesbeziehung für immer idealisieren.
Mit der lesbischen Subkultur kann die kaum emanzipierte und sehr traditionelle „Deutsche Mutter“ zunächst nichts anfangen und ist von dem lockeren Umgang der Frauen mit Sexualität verstört und fasziniert zugleich. Als die promiskere Felice eine andere Freundin küsst irritiert dies Lilly sehr und entlädt sich später in einem verzweifelten Weinkrampf.
Genau das ist auch das Problem zwischen den beiden Frauen. Lilly ist ein Mensch, der sehr Besitz ergreifend liebt und versucht die flatterhafte Felice zu vereinnahmen und zu bändigen was unweigerlich zu Spannungen und Konflikten führt.
Die burschikose Felice hingegen liebt das Leben. Sie ist selbstbewusst, frech und stark in ihrem Auftreten, eine offensive Draufgängerin könnte man sagen, die keine Gefahr scheut und, um sich Informationen zu beschaffen mitten in die Höhle des Löwen begibt. Trotz dieser inneren Stärke ist Felice aber ein sehr sanftes, zärtliches und sensibles „Mädchen“, das ihren großen persönlichen Kummer und all ihr Leid durch zur Schau gestellte Selbstsicherheit zu überspielen versucht. Als freier Schmetterling hat sie Angst vor fixen Bindungen, wechselt daher ihre Liebhaberinnen ziemlich rasch, bricht die Herzen anderer Frauen und verliebt sich immer wieder aufs Neue.
Doch bei Lilly ist das ganz anders, stellt diese doch weit mehr als nur eine Affäre für Felice, die für ihre Angebetete unter der Bezeichnung „Jaguar“ poetisch wundervolle Gedichte und Briefe verfasst, da. Schließlich trifft sie sogar jene Entscheidung, die ihr das Leben kosten wird und bleibt, obwohl ihr die Gestapo bereits auf die Schliche gekommen ist, bei ihrer Liebsten in Berlin.
Dem Film, der auf wahren Begebenheiten und den Tagebuchaufzeichnungen von Lilly Wust basiert, gelingt es die tragische Geschichte dieser verbotenen Liebesbeziehung in wundervollen, ästhetischen und sinnlichen Bildern voller weiblicher (Homo)Erotik einzufangen.
Obwohl er den Fokus dabei ganz auf die beiden Frauen legt, schafft Färberböck ein sehr detailliertes, komplexes und historisches Bild des alltäglichen Lebens während des Nazi-Regimes. Zudem vermittelt er uns auch interessante Einblicke in die lesbische Subkultur Berlins der damaligen Zeit, thematisiert Gender-Aspekte (d.h. u.a. die sozialen, anerzogenen Rollen von Männern und Frauen) und scheut auch nicht - etwa wenn die alte Lilly den Po einer jungen Pflegerin rühmt - das Tabu der weiblichen Sexualität im Alter.
Erzähltechnisch geht das Script dabei geschickt vor, steigt zunächst mit der nicht freiwilligen Umsiedelung Lillys ins Altenheim ein, um dann mit Ilses Erzählung aus dem Off den Einstieg in die eigentliche Geschichte zu beginnen. Auch das Ende führt uns wieder in die Jetzt-Zeit zurück und zeigt abermals die beiden alten Frauen Lilly und Ilse sowie ihre lang aufgeschobene Versöhnung, schließt jedoch mit einem traurig stimmenden Rückblick auf eine Feier, während der Lilly und Felice sich ganz verliebt ansehen und nur den Moment genießend glücklich „Für immer und immer“ singen.
Belächelten auch manche Kritiker nach der Berlinale 1999 die nicht überzeugend wirkenden Bauten und Modelle, die billigen FX während des Bombardements auf Berlin, die an ein Fernsehstudio erinnernden Kulissen und Sets und die angeblich für damalige Zeiten „unglaubwürdige“ Reaktion von Lillys Eltern auf das Outing ihrer Tochter (übrigens: es ist vollkommen klar, dass Homosexualität damals als krank, pervers, abartig und „unnatürlich“ galt, sprich: das Schlimmste war was Kinder ihren Eltern „antun“ konnten, dennoch könnten Lillys Eltern im Einzelfall anders reagiert haben, schließlich kannten und mochten sie Felice sehr gerne), sollte man dennoch festhalten, dass diese Kritikpunkte angesichts jener wunderbar umgesetzten und kaum rührseligen Liebeserzählung sekundär und nicht wesentlich sind.
Was vielmehr zählt sind die beiden schauspielerischen Talente Maria Schrader als Felice und Juliane Köhler als Lilly, die weniger durch Äußerlichkeiten wie „klassische Schönheit“ als vielmehr durch Ausdrucksstärke, Präsenz und Individualität die perfekte Besetzung für die beiden Liebenden sind. Des Weiteren glänzen Detlev Buck als machohafter und gleichzeitig bedauernswerter Gatte Lillys, Peter Weck in der Rolle des Chefredakteurs Keller, hinter dessen Charme und Wiener-Sprachfärbung sich ein beinharter Nazi versteckt, Heike Makatsch als ausgezehrtes Klärchen, Johanna Wokaleck als eifernde Ilse, und Dany Levi in den Nebenrollen und sollen an dieser Stelle lobenswerte Erwähnung finden.
Fazit: Ein hinreißendes und glaubhaftes Drama mit zum Teil sehr lyrischen Dialogen, wortgewaltiger Poesie und Philosophieren über die Liebe, das sich durch sein langsames Erzähltempo viel Zeit für die Entfaltung und Zeichnung seiner Haupt- und Nebencharaktere sowie der politischen Zeitumstände nimmt und auf diese Weise dem Rezensenten, der während des Films viele Taschentücher verbrauchte, tief unter die Haut gegangen ist.