Eine Reise ins Unbekannte kann ebenso spannend wie furchterregend sein. Neue Welten zu entdecken, Grenzen auszuloten und sie zu überschreiten, den eigenen Horizont zu erweitern und sich in wörtlichem wie übertragenem Sinne voranzubringen – diese Gedanken treiben den Menschen seit jeher an. Doch neben dem schieren Entdeckergeist ist manchmal auch eine Notlage Grund für den wagemutigen Vorstoß ins Ungewisse. Im Angesicht einer Bedrohung lernt so Mancher, über sich selbst hinauszuwachsen, und entwickelt Ideen, deren Entstehung unter anderen Umständen deutlich länger gedauert hätte. Und hier setzt auch unsere heutige Geschichte an:
In der Zukunft ist die Erde unbewohnbar, bereits seit mehreren Generationen lebt die Menschheit statt dessen auf Raumstationen. In dieser künstlichen Umgebung gibt es eigentlich keinerlei Bedrohungen für das menschliche Leben. Und doch erkranken immer mehr Kinder am sogenannten Syndrom, scheinbar ausgelöst durch den Mangel an frischer Luft, frischem Wasser und dem Kontakt mit allem, was die Natur sonst so hergibt. Schon ein paar Generationen weiter droht die Menschheit auszusterben.
Um dem zuvor zu kommen und ihren eigenen Sohn zu retten, der ebenfalls am Syndrom erkrankt ist, plant die wohlhabende Devon Adair eine private Exkursion zu einem erdähnlichen Planeten. Auf G889, so hofft sie, werden die Kinder sich erholen, und die Menschheit soll hier ein neues Zuhause finden. Am Abend vor dem geplanten Start mit über
200 Familien gerät das Projekt jedoch in jähe Bedrängnis: das Team fischt eine Meldung aus dem Internet, die verlauten lässt, dass die Raumfähre beim Start explodiert sei. Der Bericht ist für 9 Uhr des folgenden Morgens kodiert und soll offenbar eine Stunde nach Start über den Äther gehen. Irgendwer will die Exkursion beenden, bevor sie begonnen hat. Devon befiehlt sofortige Startvorbereitungen, während derer tatsächlich eine große Bombe an Bord entdeckt wird. Glücklicherweise kann diese rechtzeitig aus dem Schiff entfernt werden, und die Flucht nach vorn gelingt. 24 Jahre soll es nun dauern, bis die Raumfähre mit den Kolonisten G889 erreicht. Eine kleinere Transporteinheit wird vorauseilen und mit zwei Jahren Vorsprung das neue Heim vorbereiten. So ist es zumindest geplant.
22 Jahre später erwachen Devon und ihr Team kurz vor dem Ziel aus dem Kälteschlaf und können einen ersten Blick auf den blauen Planeten werfen. Doch die Freude hält nicht lange, denn plötzlich treten technische Störungen auf, die Raumfähre droht abzustürzen. In Rettungskapseln erreichen die Team-Mitglieder sicher und größtenteils unverletzt die Planetenoberfläche, doch sie sind tausende von Kilometern von ihrem eigentlichen Ziel entfernt und ein Großteil ihrer Ladung ist über den halben Planeten verstreut. Nun müssen sie erst einmal den weiten Weg nach „New Pacifica“ zurücklegen, um dort die Ankunft der übrigen Kolonisten zu erwarten. Und während sie sich mit den Lebensbedingungen in der neuen Umgebung vertraut machen, stellen sie vor allem eines schnell fest: sie sind nicht die einzigen intelligenten Wesen auf diesem Planeten. Und dieses Mal sind die Menschen die Aliens…
Eine Staffel lang konnten die Zuschauer die Neuankömmlinge bei ihrer Entdeckungsreise begleiten, und bis zur letzten Episode hatte der zur neuen Heimat auserkorene Planet immer wieder etwas Überraschendes und Unerwartetes zu bieten. Nur stückweise gab er seine Geheimnisse preis, wie viel mehr es noch zu entschlüsseln gegeben hätte, weiß leider Niemand. Denn
"EARTH 2" wurde dasselbe Schicksal wie vielen ihrer Kollegen zuteil: die Serie wurde abgesetzt. Nach der ersten Staffel war Schluss. Ob die sinkenden Quoten, die wohl recht beachtlichen Produktionskosten oder doch Differenzen zwischen dem Sender und den Produzenten den Ausschlag gaben, ist letztlich ebenso wenig vollständig geklärt wie das Schicksal der Protagonisten auf dem Bildschirm. Zumindest blieb dem Zuschauer ein atemloses Zurückbleiben erspart, da sich die letzte Episode nicht mit einem Serien-typischen Cliffhanger verabschiedete, sondern wie in einer normalen Folge eine in sich abgeschlossene Geschichte erzählte. Nichtsdestotrotz bleiben viele im Laufe der Staffel aufgeworfene Fragen ungeklärt und das eigentliche Potential der Serie unausgeschöpft.
Das Grundgerüst der in
"EARTH 2" erzählten Geschichte ist stark angelehnt an historische Vorbilder, erinnert die Geschichte der Siedler, die sich einem Traum folgend durch unbekanntes Terrain schlagen, doch sehr an die Zeit der Eroberung des Amerikanischen Westens durch die Kolonisten des 18. und 19. Jahrhunderts. Die Entdecker auf G889 sind natürlich sehr viel besser ausgerüstet, jedoch ebenso unwissend bezüglich dessen, was sie in der Wildnis erwartet. Während einst Europäisch-stämmige Siedler in unwirklichen Berg- und Prärielandschaften auf Nordamerikanische Ureinwohner, exotische Pflanzen und bis dato unbekannte Raubtiere stießen, treffen nun menschliche Invasoren auf telepathische Terrianer (Humanoiden, die in Symbiose mit dem Planeten leben), räuberische Grendler (gierige plumpe Kreaturen, die stark an Karpfen auf zwei Beinen erinnern) und tödliche Kobas (kleine Wesen, die wie eine Mischung aus Primaten und Reptilien anmuten). Für das Team um Devon gilt es, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden, doch es liegt eine hoffnungsvolle Idee in der Luft: die der friedlichen Koexistenz. Natürlich gibt es Elemente im Team, welche sich die Natur Untertan und ihre Ressourcen zueigen machen wollen. Doch die allgemeinen Bemühungen streben eine Annäherung an die alteingesessenen Bewohner von G889 und vor allem eine Zusammenarbeit mit den Terrianern an. Ähnlich wie die Ureinwohner Nordamerikas leben diese in inniger Verbindung mit der Natur, nur wird diese Verbindung bei den Terrianern ins Extreme weitergeführt. In ihrer symbiotischen Beziehung scheinen beide Seiten vollkommen voneinander abhängig und ihre Schicksale untrennbar miteinander verbunden.
Mit diesem im Grunde genommenen simplen Motiv und der Story an sich schuf die Serie eine Möglichkeit, sowohl soziale als auch ökologische Moralvorstellungen zu diskutieren: der Mensch als Maß aller Dinge, das Miteinander verschiedener Spezies, der Wert von Mutter Natur. Letzteres wird nicht nur durch die Terrianer kommuniziert, sondern auch durch den Zusammenhang zwischen einer künstlichen respektive natürlichen Umgebung und dem Erscheinen beziehungsweise Verschwinden des Syndroms unterstrichen. Zudem sind politische Einflussnahme, Korruption oder Selbstjustiz mehrfach vorgebrachte Themen, so dass
"EARTH 2" schnell den ersten Eindruck einer bloßen Abenteuer-gefüllten Science-Fiction-Serie revidieren konnte. Diese Vielseitigkeit der Sujets war einer der Vorzüge, die eine treue Fanbasis zu schätzen wusste. Ebenso gefiel die Ausstattung, die phantasievoll gestalteten Masken und die Liebe zum Detail. Nach heutigen Maßstäben waren die Spezialeffekte nicht unbedingt wegweisend, doch für das Niveau einer TV-Produktion seinerzeit doch beachtlich. Auch hinsichtlich der Schauspielleistungen gab und gibt es wenig Grund zur Beanstandung, und der Ideenreichtum die exotische Flora und Fauna von G889 sowie die Wendungen der Geschichte betreffend sorgt für durchgehend gute Unterhaltung. Trotzdem fehlt der Serie noch das gewisse Etwas, das viel besungene Tüpfelchen auf dem i, was vielleicht auch zum letztendlichen Untergang des Projekts beigetragen hat. Gern hätten Viele der weiteren Erforschung des Planeten beigewohnt, und es wäre interessant gewesen, das tatsächliche Entstehen einer Kolonie mitzuverfolgen. Der Aufbau eines neuen Heims und die Ankunft der übrigen Siedler hätten sicherlich noch großes Potential für spannende Geschichten geliefert. Doch es sollte eben nicht sein.
Was aber Grund zur Freude gibt, ist die Tatsache, dass die insgesamt 22 Episoden dem Serien-Liebhaber erhalten bleiben. Ist die letzte Ausstrahlung im deutschen Fernsehen inzwischen auch eine Weile her, gibt es die abenteuerliche Entdeckungsreise nun auf DVD gebannt. Ascot Elite veröffentlichte am 21. Oktober eine DVD-Box, die neben der gesamten Staffel zusätzlich mit Trailern, Outtakes und nicht verwendeten Szenen ausgestattet ist. Die Reise ins Unbekannte kann nun also immer und immer wieder angetreten werden. Bon voyage!