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Die Schöne und die Bestie

Die Schöne und die Bestie

Ein Film von Jean Cocteau

von Asokan Nirmalarajah

Das „Meisterwerk“ gehört zu den berüchtigten, da inflationär verwendeten Begriffen der Filmkritik. Als Meisterwerke werden in der Regel Filme bezeichnet, die in ihrer Konzeption und Ausführung von außergewöhnlicher Qualität zeugen, die beste Arbeit in der Karriere des jeweiligen Künstlers darstellen, oder mit den Seh- und Hörgewohnheiten der Zuschauer so radikal und kreativ brechen, dass sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Eine moralisch ambivalente Handlung, vieldeutige Inszenierung, facettenreiche Figurengestaltung und eine Fülle an zur Abstraktion animierenden Symbolen sind dabei nur die prominentesten Erkennungs- und Distinktionsmerkmale, die einen schlichten Unterhaltungsfilm in den illustren Pantheon der Filmgeschichte erheben können. Diesen Maßstäben folgend ließe sich auch der vielerorts glühend verehrte Märchenfilmklassiker des angesehenen französischen Dichters und Filmemachers Jean Cocteau, Die Schöne und die Bestie von 1946, als ein Meisterwerk der internationalen Kinokunst und als ein früher Höhepunkt und zugleich zeitloses Referenzwerk für den modernen Fantasyfilm betrachten. Hierzulande auch unter den Titeln Es war einmal und Das Untier und die Schöne veröffentlicht, handelt es sich bei der freien Verfilmung von Jeanne-Marie Leprince de Beaumon
ts Fassung des Volksmärchens „Die Schöne und das Biest“ allerdings auch um einen hölzern gespielten, unsäglich affektierten, für heutige Zuschauer unfreiwillig komischen Kunstfilm-Langweiler.
Die Schöne und die BestieDie Schöne und die BestieDie Schöne und die Bestie
Die bereits gekürzte und modifizierte Version der französischen Schriftstellerin Leprince de Beaumont aus dem Jahre 1756 erfährt in Cocteaus Kinoadaption weitere autorbedingte Transformationen, mit großzügigen Anleihen bei anderen populären Märchen: Die zwei hochnäsigen Schwestern Adélaïde (Nane Germon) und Félicie (Mila Parély), ihr nichtsnutziger, frecher Bruder Ludovic (Michel Auclair) und ihre jüngste, aufopferungsvolle und selbstlose Schwester Bella (Josette Day) bilden den sich ständig kabbelnden Nachwuchs eines einstmals wohlhabenden Kaufmannes (Marcel André), der mit ihnen inzwischen in einem glanzlosen Schloss wohnen muss. Als sich der von Geldsorgen geplagte Vater in einer stürmischen Nacht nach einer weiteren erfolglosen Geschäftsreise in einem unheimlich dichten Wald verirrt und dabei in das ominöse Herrschaftsgebiet der Bestie (Jean Marais) gelangt, wird er an den bescheidenen Wunsch seiner Tochter Bella nach einer Rose erinnert und pflückt ihr ein besonders schönes Exemplar aus dem verwunschenen Garten eines anliegenden Schlosses. Die aus dem Gebäude stürmende Bestie fordert für diesen Raub den sofortigen Tod, ausgenommen der Vater kann eine seiner Töchter überreden, sich an seiner Stelle zu opfern. Bella erklärt sich anders als die Geschwister dazu bereit, zu der Bestie in dessen dunkles, mysteriöses Schloss zu ziehen – verfolgt von ihrem Verehrer Avenant (Jean Marais), der die Bestie zu töten gedenkt…
Die Schöne und die BestieDie Schöne und die BestieDie Schöne und die Bestie
Die Schöne und die Bestie ist die bekannteste und für nicht wenige meinungsbildende Filmkritiker beste filmische Arbeit des zu Lebzeiten künstlerisch sehr vielseitigen Jean Cocteau, der sich in erster Linie als Poet sah und unzählige Gedichte verfasste, aber auch als Urheber von Gemälden, Skulpturen, Romanen, Libretti und Theaterstücken große Anerkennung fand. Als gelegentlicher Autorenfilmer drehte er nur einige wenige Filme, die von abstrakt-eigenwilligen Experimentalfilmen wie seinem Kinodebüt Das Blut eines Dichters (1930) bis zu eher konventionelleren, aber nichtsdestotrotz packenden Kammerspielen wie Der Doppeladler (1948) reichen. Doch es ist Cocteaus zweite Regiearbeit und erster abendfüllender Spielfilm Die Schöne und die Bestie die in Erinnerung geblieben ist, vor allem für ihre enorm bildgewaltige und einfallsreiche Mise-en-scène, die viele spätere Märchenadaptionen stark inspiriert hat, nicht zuletzt die sehr beliebte Disney-Musical-Bearbeitung des gleichen Stoffes von 1991 unter dem Titel Die Schöne und das Biest. Doch wo man bei Disney bei allem ästhetischen Exzess in erster Linie von der emotional ergreifenden Liebesgeschichte zwischen der kämpferischen Menschenheldin und dem schüchternen, missverstandenen Biest mitgerissen wird, stottert und stolpert Cocteaus Opus magnum unbeholfen und ohne erzählerisches Geschick von einer kuriosen Szene zur nächsten, so dass selbst die zweifellosen Schauwerte – Henri Alekans atmosphärische Kameraarbeit, Christian Bérard und Lucien Carrés betörende Ausstattung – etwas von ihrer Wirkung einbüßen. So bleibt es bei einem seltsam sterilen, allzu gedankenschweren Film, dessen aggressive formale Selbstverliebtheit jede Spannung, die die sentimentale Geschichte hätte hervorbringen können, im Keim erstickt.
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Erwartet wird von den Zuschauern, so ist der einleitenden Texttafel zu entnehmen, mit der sich Cocteau direkt an sein damals vom Leid und Schrecken des II. Weltkriegs verstörtes Kinopublikum wendet, ein wenig „kindliche Sympathie“ gegenüber der Naivität und Magie, mit der er hier seine Geschichte erzählen möchte. Und manche Kritiker haben die Geschichte der liebenden und leidenden Bestie, die sich ob ihres schrecklichen Äußeren vor der grausamen Außenwelt in ihrem Schloss (sprich: the closet) versteckt, auch tatsächlich als ein autobiographisch versetztes Selbstporträt Cocteaus gelesen. Cocteau, der immer wieder mit seinem Lieblingsschauspieler und seiner Muse Jean Marais liiert war, galt schließlich als ein alternder schwuler Künstler, der hier mehr oder weniger subtil seine gesellschaftlich stigmatisierte Homosexualität in surrealen (Alp-)Traumbildern zum Ausdruck bringt. Das ist ein durchaus interessanter Lektüreansatz, der den amateurhaft zusammengeschusterten Film selbst aber nicht sonderlich ansprechender macht. Wenn überhaupt wird damit nur die anstrengende Nabelschau erklärbar, in der sich die müde Handlung im Mittelteil verläuft, wenn man dem Biest beim Leiden beizuwohnen hat. Und wenn er sich dann zum Schluss endlich zum hübschen Prinzen in Form des attraktiven Jean Marais ohne grotesker Tiermaske wandelt, drängt sich zudem der Verdacht auf, bei dem Film handele sich um wenig mehr als eine ungenierte Liebeserklärung eines Regisseurs an seinen Hauptdarsteller, der hier so adonisgleich in Szene gesetzt wird, dass es zuweilen regelrecht peinlich sein kann.

Die schmucke Special Edition DVD und Blu-ray zum in Bild und Ton restaurierten Film aus dem Hause Alamode bieten als Extras ein Making of, Interviews mit den Schauspielern, dem Kameramann (Henri Alekan) und dem Maskenbildner (Hagip Arakelian) sowie eine Dokumentation zu dem Restaurationsprozess. Das alles gestaltet sich recht interessant und in Französisch mit anwählbaren deutschen Untertiteln. Abgerundet wird das solide Set mit einem Trailer, einer Bildergalerie und einem Audiokommentar, der allerdings auf dem Rezensionsexemplar leider nicht zur Beurteilung zur Verfügung stand.

Eine Rezension von Asokan Nirmalarajah
(13. August 2011)
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Daten zum Film
Die Schöne und die Bestie F 1946
(La belle et la bête)
Regie Jean Cocteau Drehbuch Jean Cocteau
Produktion DisCina Kamera Henri Alekan
Darsteller Jean Marais, Josette Day
Länge 90 FSK o.A.
Filmmusik Georges Auric
DVD- und Blu-ray-Start: 29.07.2011
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