(USA, 1989)
„Lesbian Nazi Hookers Abducted by UFOs and Forced Into Weight Loss Programs - - all next week on Town Talk.“
1993 las man noch Programmzeitschriften. Ältere Menschen machten sich Anmerkungen im Kalender, wann ein Film im Fernsehen lief. Oder man merkte es sich. Junge Menschen schauen einen heute doof von der Seite an, wenn man sowas erzählt. Selten löste die Ankündigung eines stinknormalen Films so viel Furore und Vorfreude aus wie diese – auf jeden Fall in meiner 8. Klasse.
UHF, das war der Film mit „Weird Al“ Yankovic. Nachdem er auf Pro7 lief, war es für uns nur noch
der Film.
DER FILM. Nichts weniger als das. Mindestens einen ganzen Sommer lang.
Die Menschen Jahrgang 1979 bekamen das Aufkommen der epochalen Grunge-Welle genau in ihrer Pubertät ab. Als Nirvana Michael Jackson von der Spitze der US-Charts verdrängten und damit die Koordinaten des Musikgeschäftes um 180 Grad gegen den Strich bogen, war ich gerade zwölf. Kein schlechtes Alter, um an einer kleinen Zeitenwende teilzunehmen. Die Menschen dieses Jahrgangs wuchsen mit MTV auf. Vom amerikanischen Musiksender kannten wir die Videos des dort sehr populären Parodisten, wir konnten die Gags in- und auswendig. Ich sah
Smells Like Nirvana auf MTV, wäre vor Lachen fast krepiert. In Deutschland bekam man sonst so gut wie nichts von dem Mann zu sehen, die Regale im örtlich
en Karstadt waren unter „Y“ am übersichtlichsten. Eine Video-Collection wäre sowieso ergiebiger gewesen. Doch dann kam der Film. Und alles wurde gut.
Nach dem Ausstrahlungstermin verging keine große Pause, in der wir nicht in der verbotenen Raucherecke hinter dem Sportplatz die Köpfe zusammensteckten und uns einen Gag nach dem anderen wie Tennisbälle zuwarfen. Mädchen konnte man damit aber nicht beeindrucken. Das war nicht ihr Humor. Sie mochten lieber
Beverly Hills 90210, sie waren verknallt in Jason Priestley und Luke Perry.
Damals.
UHF ist ein Film, den man genau in dieser Zeitspanne gesehen haben muss. In der Jugend. Sonst wirkt die Magie nicht. Oder man braucht die richtige Humorantenne. Aber die haben wirklich nicht viele.
Der Film erzählt die Geschichte des liebenswerten Verlierers George Newman („Weird Al“ Yankovic) und seines Freundes Bob (David Bowe), die sich von Minijob zu Minijob hangeln. George ist phantasiebegabt, sein karrieristisches Durchhaltevermögen dagegen unterentwickelt. Da überträgt ihm sein Onkel Harvey (Stanley Brock), mehr aus der Not als aus Überzeugung, einen kleinen lokalen Fernsehsender, Kanal 62 - einen ganz, ganz kleinen Sender. George ist dennoch Feuer und Flamme, und nachdem der Start katastrophal verläuft, bietet er dem gutmütigen wie trotteligen Hausmeister Stanley (Michael Richards) einen Job als Moderator in einer Kindersendung. Die Show wird ein Riesenhit, und im Fahrwasser des Erfolgs gedeihen so manch andere exotische Formate. Doch der Boss vom großen Kanal 8, der herrische R.J. Fletscher (Kevin McCarthy), hält nichts vom urkapitalistischen Prinzip – dass Konkurrenz das Geschäft belebt.
Orion Pictures knüpfte einige Erwartungen an den Film, doch die Konkurrenz war in diesem Kinosommer erschlagend. Es wurde ein kommerzieller Flop. Jammerschade. Dafür ist es ein Kultfilm für Fans, Kindsköpfe und ewig Junggebliebene geworden. (Ob das Plastikwort ‚Kultfilm’ nicht eher eine Beleidigung darstellt, möge jeder mit sich selbst ausmachen.)
UHF funktioniert als Holzhammerklamotte wie als Mediensatire. Dafür sorgen schon all die verrückten neuen Sendungen, die sich George ausdenkt, und die gefakten Werbefilme, die ein Prisma der amerikanischen Konsumkultur zeichnen – quitschig, hektisch, enervierend. Konsumgeilheit, die letztlich auch Banalitäten zu Events aufbläst (Stichwort: "Spatula City"). Dieser bunte Reigen des Schwachsinns erinnert an die Episodenfilme des ZAZ-Teams (
Kentucky Fried Movie, 1977) oder
Amazone Women on the Moon (
Amazonen auf dem Mond, 1987).
Aber im Gegensatz zu ihnen ist
UHF immer noch ein ‚richtiger’ Film. Und seine Dramaturgie ist in bester Erzählkunst des Kommerzkinos gehalten. Die Geschichte des Verlierers, der aufsteigt, der gegen übermächtige Feinde kämpfen muss und zum Schluss doch triumphiert. Das ist Unterhaltung, und das will gekonnt sein. Aber es wäre kein Film mit „Weird Al“ Yankovic, wenn es nicht Filmparodien am Stück hageln würde. Rambo, Indiana Jones, Conan der Barbar.
Gone With the Wind,
The Shining,
Close Encounters of the Third Kind, undundund. Nichts, gar nichts ist vor dem Mann sicher. Herrlich!
Vor allem sind es die Leinwandbrutalos, auf die es der gelernte Akkordeonspieler abgesehen hat. Sie prägten das Kino der Achtziger, weil ihre breitschultrige Pose gut in die Ära der Präsidentschaft Ronald Reagans und seiner marktradikalen Hauruckpolitik passte. Sogar Gandhi wird zum Ferrari fahrenden, um sich ballernden Action-Adonis. Diesem grassierenden Starke-Mann-Getue lässt der Komiker gnadenlos und grandios die Luft raus. Vor allem, weil die Rolle des George Newman einen Typus Mensch verkörpert, dem all seine physische Schwächlichkeit und soziale Minderbemitteltheit nicht vom Erfolg abbringen können. Das war die märchenhafte Seite dieser Dekade. Jeder kann ein Gewinner sein – wenn er will. Der amerikanische Traum. (Wenn man das nur glauben könnte.)
In einer Szene träumt sich Yankovic in die Rolle von Mark Knopfler von den Dire Straits und parodiert ihren Megahit
Money for Nothing. Den schrieb Knopfler, als er zwei Möbelpacker über die gestriegelten und geschavten Jungstars im Musikfernsehen lästern hörte: Die kriegen Geld für nichts und Frauen umsonst. (“That ain´t workin´ / That´s the way you do it / You play your guitar on the MTV”). Das ist nicht nur die hilflose Häme des kleinen Arbeiters für die außer Rand und Band geratene Aufstiegskultur der Reagan-Ära (in die sich aber auch heimliche Bewunderung mischt). Das ist vielleicht, irgendwie auch, Konsumkritik.
Zwei, die es danach nach oben schafften, liefen sich hier schon mal warm und übten genau das, was sie später berühmt machte. Michael Richards Rolle als im wahren Sinn des Wortes nervöser Hausmeister, korrespondiert gut mit seinem späteren Gastspiel in der Sitcom
Seinfeld; da mimte er den zerzausten Lebenskünstler. Und Fran Dreschers Dauerwelle-und-Fingernägel-lakieren-Attitüde erinnert schwer an ihre spätere Rolle als
Nanny in der New Yorker Upper Class-Welt. Sehr goldig ist auch der Auftritt von Kevin McCarthy (bekannt aus Don Siegels
Invasion of the Body Snatchers, 1956), der eine schöne Persiflage des übellaunigen, erfolgsbesessenen Medienmoguls zum besten gibt, der mit Verachtung auf seine Zuschauer herunterblickt. Auch werden Levy und Yankovic bei dieser Figur (R.J.) wohl einen gewissen J. R. Ewing aus
Dallas im Auge gehabt haben, wo es nur um die wirklich wichtigen Dinge ging: die Sorgen und Nöte der Reichen und Mächtigen.
Das alles wäre aber nur halb so viel wert, hätte Yankovic nicht das ultimative Gespür für das, was Parodien erstklassig macht: den Kern der Sache zu treffen. Genau die Knalligkeiten aufzuspüren, die das Original bereits bietet. Man muss nur richtig hinsehen und dann alle Scheinwerfer draufhalten.
Alles addiert ergibt unschuldigen Spass hoch hundert. Es gab in den ganzen Achtzigern im Grunde keine andere Komödie, in der sich so viele köstliche Verrücktheiten finden lassen, wie hier.
Ich suchte lange nach einer vergilbten VHS. Doch bevor ich die Dummheit beging und viel Geld bei eBay ausgab, kam die DVD. Das Geschenk des Himmels. Es gab, vielleicht, doch einen Gott. Nach knapp zehn Jahren sah ich den Film noch einmal. Ich flüsterte jeden Witz mit, lachte viel, war danach umso stiller. Und sehr glücklich. In Gedanken tanzte ich durch meine Jugend. Erinnerung ist mitunter das kostbarste, was man hat.
Manchmal holt man die DVD heute noch aus dem Schrank und ist eine Spielfilmlänge lang wieder dreizehn, als sadistische Lehrer und kaputte Spielkonsolen die größten Probleme waren, die man kannte. Manchmal finden sich heute noch auf den langweiligsten Partys Menschen, die sich die Sprüche aus dem Film wie Tennisbälle zuwerfen, die kein anderer im Raum versteht. Die Frauen verdrehen die Augen, sie mögen
Dr. House, sie stehen auf Patrick Dempsey, oder Jude Law oder, na ja, irgendwen… ich weiß es gerade nicht.
Oh ja, für mich und viele andere war
UHF damals DER FILM. Manchmal ist er das heute noch.
P.S.: Der Tag fängt gut an, wenn man morgens das Fenster öffnet und auf die Straße brüllt: "Hey, dieser Boden ist dreckiger als die Hölle! Und ich hab von diesem Dreck die Nase voll!"