Wir schreiben das Jahr 1963: der jüdische Junge Moses (Pierre Boulanger) haust zusammen mit seinem introvertierten Vater (Gilbert Melki) in der Rue Bleue in Paris in einer kleinen Wohnung. Als er versucht im Krämerladen des Monsieur Ibrahim (Omar Sharif) etwas mitgehen zu lassen, kommt ihm der türkische Inhaber des Geschäftes auf die Schliche und verwickelt den Dreizehnjährigen in ein intensives Gespräch, in dem sich beide näher kommen. Auf diese Weise entsteht eine tiefe Freundschaft zwischen dem alten Mann und dem Pubertierenden, in welcher die beiden Verständnis für die jeweilige Kultur und Religion des anderen entwickeln.
Obwohl einige Kritiker den Film als anspruchslos und seicht einstufen, zählt „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ zu einem meiner Lieblingsfilme. Gerade die etwas märchenhafte und naive Erzählweise, die sich um interkulturelles Verstehen und den interreligiösen Dialog bemüht, hat mich sehr angesprochen. Der Charakter des weisen und toleranten Monsieur Ibrahim, der, obwohl (oder gerade weil) er ein einfaches und genügsames Leben führt und einen schweren Schicksalsschlag erlitten hat, dennoch zufrieden und glücklich ist, ist dabei die größte Stärke des Films.
Der Regisseur legt beinahe die gesamte Aufmerksamkeit auf die Beziehung von Ibrahim und Moses. Den Nebenrollen kommt keine große Bedeutung zu, sie sind eben sekundär und spielen nur für die Rahmenhandlung eine geringfügige Rolle. Viele Ding
e, wie z.B. der Tod des Vaters, werden sehr oberflächlich behandelt und nicht weiter verfolgt, so dass der Zuseher hier selbst gefordert ist seiner Phantasie freien Lauf zu lassen und Zusammenhänge zu erstellen. Natürlich ist der Schluss, der zeigt wie Moses (nun Momo) Ibrahims Laden weiterführt, sehr gewagt, vielleicht braucht es aber diese Überzeichnungen um Dinge erst bewusst zu machen.
Francois Dupeyron ist jedenfalls ein äußerst sensibles Drama gelungen, bei dem man im einen Moment lacht und im nächsten bereits wieder weint.
Ich denke, dass gerade in unserer Zeit, in der die Angst vor der islamischen Kultur immer wieder von den Medien (und gewissen rechtsideologischen politischen Parteien!) regelrecht geschürt wird, und eine ganze Weltreligion für die Untaten einiger (prozentuell gesehen) weniger Fundamentalisten pauschal verurteilt wird, Filme wie „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ von außerordentlicher Bedeutung sind. Judentum, Christentum und Islam sind sich lange Zeit als Feinde gegenüber gestanden, sodass sich über die Jahrhunderte hinweg eine kollektive Ablehnung der jeweils anderen Religion entwickelte hat, und zahlreiche Vorurteile und Ängste entstanden sind. Diese uralte Propaganda, die sich noch immer in Schul- und Kinderbüchern, im Fernsehen, vor allem aber tief in den Köpfen der Menschen eingenistet hat, macht einen Dialog zwischen den Kulturen oft unmöglich.
Mit dem Medium Film kann man sich dieser Thematik jedoch sehr behutsam nähern. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ pädagogisch gesehen sehr wertvoll ist.