Eine seltsame Werbung war das. Nicht lange nach der Fertigstellung des Filmes "Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler" distanzierte sich Helge Schneider bereits von seiner Rolle und dem Film. Was kann man also von einem Film erwarten, dem nicht einmal der eigene Hauptdarsteller wohlwollend gegenüber steht? Was darf bzw. sollte man überhaupt von einem Film erwarten, der sich mit einem derart heiklen Thema auseinandersetzt? Man kann nicht einen Film über den Nationalsozialismus drehen ohne gleichzeitig einen tieferen Sinn damit zu verfolgen. Um des Lachens willen allein ist das Thema selbstredend ungeeignet. Wie kontrovers dieses Thema ist zeigt unter anderem auch eine im März stattgefunden Veranstaltung in der KZ Gedenkstätte Neuengamme bei Hamburg zum Thema „Hollycaust II: Komödien - Lachen über den Holocaust“. Darf man überhaupt über den Nationalsozialismus und den Holocaust lachen? Insofern eine heikle Frage, als einem eigentlich sofort das Lachen im Hals stecken bleiben sollte, wenn man an die erschreckenden und schockierenden Geschehnisse der Jahre zwischen 1933 und 1945 denkt.
Dann wiederum, Lachen ist auch eine Form der Problem- und Vergangenheitsbewältigung. Auf die Art des Lachens kommt es dabei an.
Parodien über den Nationalsozialismus gab es auch schon zu Lebzeiten des Regimes. 1940 drehte Charles Chaplin mit seinem „Großen Diktator“ gegen alle Bedenken und Widerstände einen unvergesslichen Film.
Zwei Jahre später folgte Ernst Lubitsch mit seinem nicht weniger gelungen Film
"Sein oder Nichtsein". Auch noch kurz vor Kriegsende kam die Hollywoodmaschinerie nicht zum Stillstand. Noch 1944 erschien „The Hitler Gang“ mit Bobby Watson in der Rolle des Adolf Hitler. Watson hatte Hitler zu diesem Zeitpunkt schon mehrmals in diversen anderen Parodien und Propagandafilmen gespielt. Auch in der Nachkriegszeit gab es eine Reihe guter Parodien über den Nationalsozialismus. Angefangen vom Monty Python Sketch „Hitler in England“, über die bezeichnende Darstellung der Deutschen in den Indiana Jones Filmen bis hin zu hoch gelobten Filme wie Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ (1997) oder Radu Mihaileanus „Der Zug des Lebens“ (1998).
Wie und wo sich nun „Mein Führer!“ von Dani Levy einordnen lässt, ist schwer zu sagen. Die einen sagen, der Film sei zu radikal. Anderen wiederum ist er zu brav. Viel wichtiger bei dieser Thematik ist doch eher die Frage, was der Regisseur mit diesem Film bezwecken wollte? Levy wollte einen Film über den Nationalsozialismus drehen, weil „in Deutschland eine neue Sichtweise auf den Nationalsozialismus nötig ist.“* Welche neue Sichtweise dies sein soll, ist nach dem Ansehen des Films allerdings nicht klar. Es scheint eher so, als sei in den letzten paar Jahren so mancher wissenschaftlicher Diskurs bezüglich dieses Themas an dem Regisseur vorübergegangen, ohne dass dieser davon Kenntnis genommen hat. Man könnte es auch so formulieren: Levy kommt mit seinem Film 30 Jahre zu spät. Dass es bequem, aber nicht legitim ist, die eigene Verantwortung auszublenden und sie ein paar wenigen Leuten in die Schuhe zu schieben hat hoffentlich mittlerweile jeder begriffen. Nach Ursachen und Motiven einzelner Personen zu fragen ist kein Versuch der Entschuldigung und Verharmlosung. Soweit auch klar. Hitler von seiner menschlichen Seite zu zeigen hilft zu verstehen, dass er kein übermächtiges, abgrundtiefböses Etwas (wohl aber ein Verbrecher) war, das urplötzlich in Deutschland eingefallen ist und die Macht übernommen hat, sondern ein ganz gewöhnlicher, durchschnittlicher Mensch, im Grunde ein Niemand, der unter ganz besondern Umständen und Konstellationen die Macht in seine Finger bekommen hat. Übrigens auch ein „nette“ Art und Weise zu sagen, dass es eben nicht so eindeutig ist, dass etwas vergleichbares nicht noch einmal passieren wird.
Umso enttäuschender ist Levys Film im Endeffekt. Sicher, Humor ist ein hervorragendes Mittel der Kritik, jedoch sollte er im richtigen Maß verwendet werden. Vor allem ganz besonders dann, wenn man das Ganze auch noch mit einer gehörigen Menge Tragik mischen möchte. Die Mischung macht’s. Bei „Das Leben ist schön“ hat es funktioniert. „Mein Führer“ ist unglücklicherweise nur eine heterogene Mischung. Man hat ständig das Gefühl der Regisseur wusste nicht, ob er mehr komisch oder eher tragisch sein wollte. Da er sich wohl nicht entscheiden konnte, ist er lieber moralisch geworden.
Hauptfigur in dem Film ist dabei noch nicht einmal Hitler, sondern ein jüdischer Professor mit dem bezeichnenden Namen Adolf Israel Grünbaum, gespielt von Ulrich Mühe, der zuletzt noch als Stasi-Hauptmann in dem oskarprämierten Film „Das Leben der Anderen“ zu sehen war. Dieser ist von Goebbels aus Sachsenhausen direkt nach Berlin bestellt worden. Als Feindbild schlechthin soll er den mittlerweile desillusionierten und apathischen Führer zur alten Größe verhelfen. So der Plan. Doch anstatt über den Anblick des Juden in altbekannte Hasstiraden zu verfallen, arrangiert sich Hitler mit diesem und fasst sogar Vertrauen in seinen neuen „Mitarbeiter“. Dies ist natürlich überhaupt nicht im Sinne Goebbels, so dass dieser zusammen mit Himmler, gespielt von Ulrich Noethen (der anscheinend ein Abo auf die Darstellung Heinrich Himmlers hat) ein Attentat auf Hitler plant, nachdem es ihm nicht gelingt den Juden wieder in Sachsenhausen verschwinden zu lassen.
Ergebnis des ganzen. Hitler könnte hier fast als Sympathieträger durchgehen. Zumindest an der einen oder anderen Stelle wäre jede andere Figur vom Publikum mit einer Welle des Mitleids überschüttet worden. Das dies nicht im Sinne des Regisseurs war, davon darf man getrost ausgehen, ist aber aufgrund der absolut ahistorischen und verdrehten Darstellungen von Goebbels und Himmler zu erwarten gewesen. Dies wirft nebenbei die Frage auf, ob es legitim ist, dass Persönlichkeiten für komödiantische Zwecke derart deformiert werden, dass sie nicht mehr wieder zu erkennen sind bzw. mit der karikierten Person nicht mehr übereinstimmen. Vorhanden Charaktereigenschaften und persönliche Eigenarten zu überzeichnen ist die eine Sache, Verfälschung eine andere.
Zusammenfassend und kurz gesagt: Was mir an „Mein Führer“ fehlt ist der Sinn hinter dem ganzen Humor, oder besser gesagt Klamauk. Und die neue Sichtweise, von der der Regisseur sprach ist wohl während der Dreharbeiten verloren gegangen oder es gab sie nie.
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*http://www.wdr.de/themen/kultur/film/mein_fuehrer/interview_levy.jhtml (Stand: 9. April 2007)