Es ist Weihnachten in dem verschlafenen amerikanischen Vorort Gaines County. Draußen fällt der Schnee massenhaft vom Himmel, während im Haus einer idyllischen Kleinfamilie der Tag vor der Bescherung sein Ende nimmt. Die Kamera gleitet entlang des mit Weihnachtsschmuck, Keksen, Geschenken und Kränzen liebevoll und aufwendig dekorierten Wohnzimmers zum gemütlich knisternden Kaminfeuer, an welchem Joseph (Marshall Bell) gerade Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichten-Band mit einer sarkastischen Bemerkung zuklappt. Joseph ist ein griesgrämiger, ernster Mensch, der sich nach der Lektüre über das kitschige Ende der Weihnachtsgeschichte beschwert und im nächsten Augenblick sich über den Zustand des Kaminfeuers ergeht. Seine Frau (Mary Ellen Trainor) soll ihm endlich den Schürhaken reichen, damit er die Holzscheite im Kamin besser verteilen kann. Seine Frau, um die Mitte 40 in einem freizügigen Nachtmantel, hält den Eisenstab aber bereits in den Händen und zieht diesen mit voller Wucht über Josephs Kopf. Der Haken bohrt sich in den Schädel des Ehegatten und die Wucht des Schlags gibt dessen Oberkörper einen Stoß nach vorne, so dass Joseph mit dem Gesicht auf dem Couchtisch aufkommt und der Kamera eine Großaufnahme seines von Schmerz und Überraschung zur Grimasse erstarrten Gesichtsausdrucks ermöglicht. “Merry Christmas, you son of a bitch!“ lautet nun der Kommentar der Frau zum letzten Kapitel ihres verschiedenen Gatten. Diese Tat ist mental offenbar bereits
mehrmals durchgespielt worden und ist nun endlich vollbracht. Der Lärm hat auch die kleine 5-jährige Tochter Carrie-Ann (Lindsey Whitney Barry) aus dem Schlaf gerissen. Diese stürmt auch sogleich in unbändiger Erwartung des Santa Clause, den sie einfach nur „Santa“ nennt, die Treppe herunter. Vielleicht muss sie auf die Bescherung nicht mehr bis zum Morgen warten. Doch die Mama zerstreut gleich die Vorfreude der Kleinen, Santa sei noch nicht da und hat auch folglich noch keine Geschenke hinterlassen. Doch Carrie ist felsenfest überzeugt, Santa gesehen zu haben, was ihre Mutter als Hirngespinst abtut und geht nicht näher darauf ein. Die Kleine – ständig mit einem Teddybären in der Umarmung – wird noch schnell zu Bett gebracht, denn gen Abend wollen sich die Erwachsenen amüsieren (oder wie in diesem Fall ihre Differenzen austragen) und da haben Kinder im Wohnzimmer nichts mehr verloren. Carrie beschwert sich noch warum Stiefvater Joseph ihr keine gute Nacht wünscht, doch die Mama klärt sie auf, dass Joseph sehr müde ist und deshalb gleich im Sitzen „eingeschlafen“ ist – “even Santa could not wake up your stepfather.“
Nun ist auch die Kleine endlich im Bett und die frisch gewordene Witwe kann sich in aller Seelen Ruhe des lästigen Toten in ihrem Wohnzimmer entledigen. Der Plan: die Leiche des verblichenen Joseph nach draußen in den riesigen Garten des Hauses ziehen und diese darauf in den Brunnen werfen. Ab hier folgt nun eine Komplikation auf die andere: zunächst erweist es sich für die hübsche Frau als extrem mühevoll, den schweren Körper des Gatten nach draußen zu zerren, dort wo der Schneefall kein Ende nimmt und einem die Sache nicht gerade erleichtert. Beim Leiche-über-den-Boden-Schleifen vergisst sie die Schlüssel im Haus und ist im Nu ausgesperrt. Der Ehemann erweist sich doch nicht als so tot wie es zunächst den Anschein hatte. Dann taucht auch noch der Santa auf. Doch statt eines Sacks voller Geschenke hat der Weihnachtsmann eine Axt mitgebracht, mit der er keine christlichen Absichten hat. Bei dem Ehemann an die Luft setzen hat die Frau des Hauses nämlich eine Radiodurchsage überhört, in welcher die Bevölkerung von Gaines County vor einem psychopathischen Frauenmörder gewarnt wird, der einer Irrenanstalt entflohnen ist und nach bereits vierfach verübten Morden nun in einem Santa Clause Anzug durch die Gegend streift – auf der Suche nach dem nächsten Opfer.
Eben dieser ewig grinsende, Axt schwingende Irre (Larry Drake) steht plötzlich Angesicht zu Angesicht vor der toughen Protagonistin. Das Ganze entfaltet sich zu einem Katz-und-Maus-Spiel, in welchem der Santa mit seiner Axt die Frau erschlagen (und womöglich zerstückeln) will und deshalb mit allen Mitteln zunächst über die Fenster und dann über das Dach ins Haus zu gelangen versucht. Im schlimmsten Fall steht ja noch der Kamin zur Verfügung.
Unsere Anti-Heldin, die ein ausgesprochenes Talent darin besitzt, jede Situation zu ihrem Nutzen zu drehen, erwehrt sich mit Bravour der rohen Angriffe des Bärtigen und teilt zudem auch ordentlich aus – bis ihr der zündende Gedanke kommt, den Schürhaken-Mord dem Irren in die Schuhe zu schieben. Doch da ist ja noch Carrie-Ann, die die Bescherung einfach nicht abwarten kann und den Weihnachtsmann ja schon immer unbedingt persönlich kennen lernen wollte. Die Geschichte nähert sich einem gut strukturierten Höhepunkt entgegen.
Die „Tales from the Crypt“ Reihe wurde in Amerika von 1989 bis 1996 produziert und im Pay-TV HBO ausgestrahlt. Sie ist wie die etwas zeitgenössischere
„Masters of Horror“–Anthology eine vom Privatsender in Auftrag gegebene Anreihung von Horror- bzw. Fantasiefilmchen oder Episoden mit meist skurrilen bis grotesken und ironischen Inhalten, die den Zuschauer unterhalten und gruseln wollen. Nur mit der Besonderheit, dass in „Tales“ sämtliche Folgen auf gleichnamigen Comic-Erzählungen basieren und die Thematik der jeweiligen Episode von einer eigens für die Serie etablierten Figur, dem Cryptkeeper, eingeleitet und kommentiert werden. Doch im Grunde ist jede Episode ein eigenständiger Film.
Die von Robert Zemeckis inszenierte Episode „And All Through the House“, welche neben „The Man Who Was Death“ als zweiter Beitrag der Anthology diese Filmreihe einleitete, ist in ihrem scharfen Ton und der atmosphärisch dichten, selbstironischen Umsetzung besonders repräsentativ für gelungenen, kurzweiligen Spaß, der nach Art der alten Schule ganz ohne CGI-Effekte vollste Wirkung auf den Zuschauer zu erzielen vermag. Zemeckis arbeitete bei diesem Projekt mit seinen beiden Freunden und Kollegen, dem Komponisten Alan Silvestri (er schrieb die Filmmusik für Filme wie „Forrest Gump“, „Judge Dredd“, „Mäusejagd“, „Contact“,
"Der Polar Express“, sowie für fast alle Zemeckis Filme) und Kameramann Dean Cundey (unglaublich beeindruckende kinematographische Leistungen an der Kamera in der „Zurück in die Zukunft“ Trilogie, „Road House“,
„Jurassic Park“, „Der Tod steht ihr gut“, „Apollo 13“) zusammen. Auch Zemeckis damalige Ehefrau Mary Ellen Trainor (die Psychologin aus „Lethal Weapon“) und die Hauptdarstellerin der Episode war in der Besetzung eine ausschlaggebende Wahl. Bei der Filmproduktion herrschte offensichtlich ein familiärer Charakter, was gut zu der Thematik des Films passt. Denn eigentlich geht es in „All Through The House“ darum, die Weihnachtsideale wie die Harmonie im Kreise der Familie, die traditionelle Feierlichkeit und Besinnlichkeit, sowie das schon fast zeremonielle Gutes-Tun und den Anderen Beschenken zu demontieren.
Die Nacht vor der Bescherung ist die Kulmination des opportunistisch gesponnen Plans der von Mary Ellen Trainor gespielten Ehegattin, sich ihres mürrischen Mannes zu entledigen, das gemeinsame Geld für sich zu beanspruchen und später auch noch die Mordtat einem unlinkischen Serienkiller in die Schuhe zu schieben. Dabei sollte doch gerade die Frau des Hauses den Anstand und die Moral in der Familie aufrechterhalten, das zumindest wollen uns die meisten Weihnachtsfilme vermitteln. Zemeckis schafft es immer wieder die Erwartungen des Zuschauers ins Leere gehen zu lassen und an den ungewöhnlichsten Stellen eine Pointe zu setzen. So wird beispielhaft die Anfangssequenz auf den Kopf gestellt, als Dean Cundeys langsame, von Nat King Cole’s sentimentalem „Christmas Song“ begleitete Kamerafahrt durch das kitschig dekorierte Wohnzimmer mit einer irrwitzigen Mordtat beendet wird. Der Film kommt gleich zur Sache und baut fortan eine bizarr gespaltene Atmosphäre auf. Zum einen weihnachtlich und gemütlich durch das aufwendig gestaltene Setting, den im Fenster im Hintergrund zu sehenden Schneefall und die stimmungsvolle Musik und zum anderen morbide, ironisch und düster: die Dialoginhalte drehen sich zwar formal eindeutig um das besinnliche Fest, aber inhaltlich lassen sie in ihrer Zweideutigkeit egoistischen Motive und darauf folgende blutige Taten durchblicken. Auch ist die Konsequenz und Kaltblütigkeit bei der Durchführung des Mordplans durch die Protagonistin alles andere als herzerwärmend und beschaulich.
Für das Höchste der Gefühle sorgt dann aber tatsächlich der Weihnachtsmann. Das Warten hat sich gelohnt! Larry Drake (der unvergessliche Bösewicht aus „Darkman“) steckt hinter dem falschen Weihnachtsmann-Bart und dem Haufen Make-Up und falschen Zähnen, die aus ihm einen sehr überzeugenden, furchterregenden Psychopathen machen. Drake alias „Santa“ spricht genau drei Worte im Film und fällt ansonsten durch sein irres Dauergrinsen, animalisches Gegrunze und durch eine von niedrigen Instinkten geleitete Aggressivität auf. Eigentlich auch schon selbstverständlich, dass dieses minderbemitteltes Wesen gerade zum kleinen 5-jährigen Mädchen eine besondere Anziehungskraft entwickelt. Aber schließlich hat die Kleine auch die ganze Filmhandlung über auf den Santa Clause gewartet.
„And All Through the House“ ist durch seinen Einfallsreichtum, die visuell-narrative, atmosphärisch dichte, rasante Erzählweise (es wird tatsächlich zu keinem Zeitpunkt fade), durch die mitreißende Musik (die sprunghaft wechselt von zynisch-kitschigen Christmas-Songs zu Adrenalin-Steigerern alá Hitchcock) sowie aufgrund zweideutiger, rabenschwarzer Dialoge unter dem Strich die perfekte Unterhaltung für Erwachsene und eine bitter-böse Abrechnung mit fahlem, oberflächlichem (amerikanischem) Weihnachtskitsch.
Weihnachtsskala (1=sehr wenig/niedrig; 6=sehr viel/hoch)
-Besinnlichkeitsfaktor: 3
-Sing-along-Faktor: 3
-Familientauglichkeit: 1-2 (je nach Reife der Kleinen
-Klassiker-/Kultpotenzial: 6
-Screem-Queen-Bonus: garantiert!
-Starschauspieler-Anteil: 6