Die Dokumentation
Die Anwälte – Eine deutsche Geschichte von
Birgit Schulz feierte letzte Woche Premiere auf dem 27. Filmfest München. Der Film ist in Koproduktion mit den öffentlich-rechtlichen Sendern WDR, ARTE, NDR und RBB entstanden und wurde gefördert von der Filmstiftung Nordrhein Westfalen, der FFA und dem DFFF. Ein Film also, der mit öffentlichen Geldern finanziert wurde. Zu Recht.
Die Anwälte – Eine deutsche Geschichte ist ein wichtiger Beitrag zum geschichtlichen Verständnis unseres Landes und deshalb ein Thema von öffentlichem Interesse. Klar strukturiert, lebendig umgesetzt und generationsübergreifend fesselnd. Dieser Film spricht die älteren Zuschauer, die selbst Zeitzeuge sein mögen, genauso an wie das jüngere Publikum, das gar nicht mal ein großes Faible für Geschichte haben muss.
Ausgangspunkt der Dokumentation ist ein Foto Anfang der 1970er Jahre: die Rechtsanwälte Otto Schily und Hans-Christian Ströbele verteidigen den angeklagten Horst Mahler, ebenfalls Anwalt. Alle drei sind links-orientiert und Anhänger der APO, der außerparlamentarischen Opposition. Verhältnisse, in denen Demonstranten von der Polizei niedergeschossen werden und RAF-Mitglieder kein ordentliches Gerichtsverfahren bekommen sollen, sind in ihren Augen gegen die politische Freiheit und gegen die Ordnungsmäßigkeit eines Rechtsstaats. Um ihre Haltung auszudrücken, verteidigen sie RAF-Mitglieder vor Gericht und werden deshalb heftig
angegriffen.
Der Film zeigt die Lebensläufe der drei Anwälte und wie es dazu kam, dass alle trotz der gleichen Gesinnung am Anfang ihrer Karriere so völlig verschiedene Wege gegangen sind. Heute haben sie außer ihrer Vergangenheit nichts mehr gemeinsam, ja können sogar die Lebensweise der anderen nicht einmal mehr nachvollziehen. Denn was ist aus ihnen geworden? Otto Schily wurde SPD-Bundesinnenminister und war zuständig für die Sicherheit des Landes u.a. im Kampf gegen Terroristen, Hans-Christian Ströbele schloss sich den Grünen an und gilt bis heute als das „linke Gewissen“ dieser Partei und Horst Mahler wechselte von links nach rechts und sitzt heute wegen Verleugnung des Holocausts erneut im Gefängnis.
Es wird zwischen Dokumentationsmaterial aus der damaligen Zeit und aktuellen Interviews gewechselt. Schily, Ströbele und Mahler erzählen aus ihrer Kindheit und über ihre Gefühle, als sie vom Selbstmord der RAF-Mitglieder Baader, Ensslin und Raspe hörten. Durch die Verknüpfung der historischen Bilder mit den Aussagen der drei Herren von heute entsteht ein Rahmen, der dem Zuschauer hilft, sich zeitlich besser zu orientieren. Auch beleben die vielen historischen Einspielungen den Film und machen die Thematik dadurch bekömmlicher. Wenn schon schwierig, dann wenigstens verständlich aufbereitet. Eigentlich ist die Qualität des Films nicht besonders gut für die große Kinoleinwand geeignet. Alte Aufnahmen der Fernsehsender sind körnig und unscharf und deshalb für das Auge manchmal recht anstrengend. Doch andererseits ist der Film zu wichtig und inhaltlich zu hochwertig, als dass er ohne exponierte Kino-Stellung gleich im TV-Sumpf untergehen dürfte.
Die Dokumentation bringt dem Zuschauer natürlich in erster Linie die drei Anwälte von damals näher. Doch da ihre Entwicklung in geschichtliche Ereignisse eingebettet ist, die wichtige Auswirkungen auf die heutige Zeit haben, zeigt sich auch für die Gegenwart ein klareres Bild: die Zeiten des Terrorismus in Deutschland und welche juristischen Entwicklungen damit einher gingen oder die Anfänge der Grünen Partei und ihren Einfluss auf die Veränderungen der politischen Landschaft.
Die Anwälte – Eine deutsche Geschichte ist ein sehr gut umgesetzter Film über eine interessante und wichtige Zeit Deutschlands. Nach dem Film ergeben sich ganz natürlicherweise brennende Diskussionen, an der sich Menschen jeden Alters beteiligen können. Eine wirkliche Bereicherung für die Filmwelt und auch für jeden einzelnen Mitbürger dieses Landes.
Kinostart: 19. November 2009