Die Tänzer-Gruppe „Jackie and The Dreams“ besteht aus vier männlichen Strippern, die gemeinsam durchs Land touren und den Frauen gleich reihenweise den Kopf verdrehen. Obwohl die vier Freunde kaum unterschiedlicher sein könnten, herrscht eine harmonische Stimmung im eingespielten Team, als die Gruppe in eine verschlafene Kleinstadt irgendwo im Mittelwesten fährt um etwas Leben in den verstaubten Ort zu bringen. Kaum angekommen, verstricken sich die vier Männer bereits in amouröse Abenteuer...
DIE NACHT DER WILDEN LADIES (im Original schlicht „The Dancers“) ist eine rein amerikanische Pornoproduktion, inszeniert vom Altmeister Anthony Spinelli und besetzt mit der Creme de la Creme der amerikanischen Adult-Movie-Branche. Was hat solch ein Film in der „Erotik Classics“-Reihe zu suchen, die sich schließlich dem deutschen Erotikfilm zwischen Lederhosenklamauk und anrüchigem Reportfilm widmet? Auf den ersten Blick erst einmal nichts. Doch zu Beginn des Vorspanns taucht ein nur allzu bekannter Name auf der die Sache schon deutlicher macht. Der findige Filmemacher Alois Brummer, der sich auch als Verleiher fremder Produktionen betätigte, hat sich dieses Kleinod Spinellis unter den Nagel gerissen und dem deutschen Markt zugänglich gemacht. Doch entgegen der grausigen Vertonung, die beim Pornofilm üblich ist, hat Brummer diesem Streifen eine urdeutsche, schmissige Synchronisation verpasst, die es in ihren besten Momenten sogar mit der legendären A
rbeit Rainer Brandts für die Filme mit Bud Spencer und Terence Hill aufnehmen kann.
THE DANCERS ist einer der seltenen guten Ausläufer des Golden Age of Porn, das in den laufenden 1980er-Jahren nicht nur unter der aufkommenden AIDS-Epidemie zu leiden hatte sondern auch einen signifikanten Qualitätsverlust erleiden musste mit dem Einzug billigen Videomaterials, auf dem die Filme (die diesen Begriff immer weniger verdienten) festgehalten wurden. Nur wenige Regisseure setzten ihre Produktionen noch auf echtem Filmmaterial um, sodass noch heute der Mythos vom Goldenen Zeitalter der Siebziger Bestand hat. Spinelli war einer der letzten Regisseure, die einen Ausblick darauf gaben, wie gut pornografische Spielfilme sein konnten. Auch ohne avantgardistische Experimente oder berechnende Tabubrüche verstand es Spinelli wie nur wenige andere, eine flott erzählte Geschichte zu erzählen und vor allem seine Darsteller/innen exzellent zu besetzen. So auch in vorliegendem Werk, das seinen Regisseur aber auch einen Großteil seiner Schauspieler in Bestform zeigt.
Allen voran der fantastische Joey Silvera (seit Mitte der 90er auch als Regisseur aktiv), der seine gewohnte Selbstironie gekonnt ausspielt und mit seinem charakteristischen Schnurrbart eines der beständigsten Gesichter im amerikanischen Pornofilm ist. Das Image vom tumben Pornostar nimmt er auf die Schippe in einem köstlichen Dialog mit einer Frau, die ergründen möchte, warum er denn als Stripper tätig sei. Silvera setzt an, eine klischeehafte und vor Selbstmitleid triefende Story zu erzählen von einer vergangenen Aussicht auf eine Football-Profikarriere. Dann aber versetzt er seiner Erzählung einen ironischen Stich: Ein Schlag auf den Kopf habe ihn zum Dummkopf gemacht, der nur noch strippen könnte. Dieser und weitere Dialoge torpedieren den psychologischen Hintergrund der Figuren, die ganz einfach großen Spaß daran haben, sich vor geifernden Frauen auszuziehen und anschließend mit ihnen zu schlafen.
Diese chauvinistische Attitüde wiederum spiegelt sich im arroganten Schnösel Sebastian, dargestellt von der Ikone Randy West, der hier eine astreine Glanzleistung als verlogener, selbstgefälliger Heuchler abliefert und der entzückenden Vanessa del Rio als naive Kellnerin eine große Hollywood-Karriere verspricht. Die herzensgute Ehrlichkeit der dummbatzigen Kellnerin erweicht schließlich dann doch Sebastians Herz, doch freilich erst nachdem die beiden schon in der Kiste waren. Etwas unscheinbarer, wohl auch weil seine Figur weniger exzentrisch angelegt ist, tritt dagegen Veteran John Leslie auf, der als Kopf der Gruppe agiert und gleich mit der lokalen Barbesitzerin anbandelt, die nebenbei vom „Taboo“-Star Kay Parker als abgeklärte und selbstbewusste Frau gezeichnet wird.
Der letzte im Quartett ist Richard Pacheco, der als einziger der Hauptdarsteller kein international bekannter Star ist und sich bereits seit zwei Jahrzehnten aus der Branche zurück gezogen. Schade, spielt er seine Kollegen doch beinahe an die Wand, so verschmitzt-unverfänglich zeichnet er den intellektuellen Schauspieler Jonathan, der mit Beckett- und Shakespeare-Zitaten um sich wirft. Außerdem rundet Georgina Spelvin (THE DEVIL IN MISS JONES) den vortrefflichen Cast in einer Nebenrolle ab. Lose strukturiert wird der Film durch die Tanzeinlagen der Darsteller, die zunächst solo auftreten. Erst in der finalen Sequenz vereinen sie sich als Gruppe a la Chippendales und lassen es gemeinsam auf der Bühne krachen. Den Strip-Einlagen, die im übrigen in ihrer Gestaltung bereits auf den Charakter der jeweiligen Figur schließen lassen, folgen die kleinen Abenteuer durch die Betten der kleinen Ortschaft. Dies geschieht jedoch keinesfalls lieblos. Selbst die um sämtliche Hardcore-Sequenzen (und viel Sex bleibt demzufolge nicht übrig in einem Porno) bereinigte deutsche Fassung läuft stramme 93 Minuten.
Handwerklich handelt es sich bei Spinellis Film um eingespielte aber doch noch verspielte Souveränität: Sämtliche Kulissen wurden stimmig ausgeleuchtet, Schnitt, Kamera und Montage müssen sich vor Spielfilmen unterer Preisklassen keineswegs verstecken. Wichtiger noch ist die Motivation, eine amüsante Geschichte zu erzählen, die im Rahmen der Genrekonventionen bleibt aber dennoch nicht auf ein gewisses Maß an qualitativer Unterhaltung verzichten will. THE DANCERS wirkt zu keinem Zeitpunkt wie ein Vehikel für die Sex-Szenen sondern macht ganz unabhängig davon als bewusst triviale Komödie großen Spaß.