(USA, 1977)
„The possibilities are always there. If you're thinking too small, you might miss them.“
(Donald Trump, “How to Get Rich”)
„
I'm through with working. Working is for chumps!”
(Bart Simpson)
„The middle class is the backbone of this country. We got to survive. When we go under the whole country can go under!”
2004 versuchte sich John de Mol an einer todernstgemeinten Donald Trump-Parodie, doch keiner wollte ihm dabei zusehen. In der Reality-Show
Hire and Fire (Pro7), angelehnt an das US-Erfolgsformat
The Apprentice (also nachgemacht), ließ er eine exquisite Auswahl von BWL-Studenten und Bankazubis aufmarschieren. Sie sollten dem Produzenten, der in den Neunzigerjahren die
Traumhochzeit über unser Land brachte, in verschiedenen "Challanges" zeigen, wer der tollste Hengst oder die heißeste Stute im Medienstall des Holländers werden könne. Eine Pilotfolge lang konnte man einen Blick ins finstere Herz der Zielgruppe von
Junge Karriere und
Handelsblatt werfen.
Und so gerecht kann Fernsehen manchmal sein: Nach nur einer Folge war Schicht.
Viele Menschen müssen Ellbogengezanke und Chefterror bereits im richtigen Leben aushalten, sowas braucht man nicht auch noch abends auf der Couch. RTL versuchte ein Jahr später Ähnliches mit Rainer Calmund. Es kam unter mäßigen Qu
oten zu einem Finale, weil 'der Calli' ja eher unter Realsatire rangiert. Als kultureller Mehrwert fielen ein paar wunderbare Parodien bei
Kalkofes Mattscheibe ab.
Der sozialdarwinistische Affentanz sieht in Serien und Filmen manchmal deutlich lustiger aus als in der Realität. Ein Paradebeispiel dafür ist
Fun With Dick and Jane (
Das Geld liegt auf der Straße, 1977), eine unterschätzte und grandiose Satire von
First Blood-Regisseur Ted Kotcheff. Man lacht, ausgiebig und gerne, obwohl das was man sehen kann im Grunde gruselig ist. Und das Thema ist hochaktuell, auch in Deutschland.
Am Anfang des Films wird Dick Harper (George Segal), leitender Manager in einem Unternehmen für Raketenbau, ins Chefzimmer gerufen. Statt der erhofften Beförderung gibt's einen Arschtritt vor die Tür. Nun müssen er und Ehefrau Jane (Jane Fonda) zusehen, wie es weitergeht. Für Haus und Swimming Pool haben sie sich hoch verschuldet. Ein Sohn muss auch versorgt werden. Nach erfolgloser Jobsuche folgt fast der Abstieg in die Gosse, Dick muss sich wie die anderen Verlierer beim Sozialamt in die Schlange stellen und Drecksjobs machen, für die doch eigentlich die mexikanischen Drückeberger und schwarzen Faulenzer um ihn herum zuständig wären. Eher durch Zufall kommt das Ehepaar zum Kapitalraub - und bleibt dabei, denn es ist ein sehr einträgliches Geschäft.
Den Harpers gelingt der soziale Wiederaufstieg. Im endgültig letzten Coup soll Dicks ehemaliger korrupter Chef um einige Millionen erleichtert werden, und Dick weiß um die Leichen in Chefs Keller, für Absicherung ist also gesorgt. Eine sichere Nummer, eigentlich.
Fun With Dick and Jane ersetzt ein ganzes Soziologieseminar. Es ist eine Geschichte vom Kampf um gesellschaftliches Ansehen. Von den Taktiken die man anwendet, um den Schein zu wahren. Von den Mätzchen die man veranstaltet, um sich an seinen Status zu klammern. Vom Kampf gegen den Prestigeverlust, der in einen Raubzug ausartet.
Im Mittelpunkt steht ein amerikanisches Ehepaar, das sich seine gesellschaftliche Stellung durchaus hart erarbeitet hat, aber den Umgang mit Geld sehr leichtfertig betreibt. Eine neue Mittelschicht, die sich viel leisten kann – solange es wirtschaftlich gut läuft.
Denn dieser wohlsituierte Status ist prekär. In einer Szene, in denen Dick mit finanziellen Problemen hadert, zitiert Jane Siegmund Freund und Dick kontert: „Freud? Freud ist tot, für den haben sich die Probleme erledigt.“
Das Mittelschichtleben, wie es Kotcheff einfängt, ist nichts als lebenslanges Rechnungzahlen. Ein Hamsterradmarathon in einem unsicheren Wirtschaftskreislauf. Eine, im wahren Sinne des Wortes: Hypothek. Und wenn die Sterne nicht günstig stehen wird es eng und man sitzt spätnachts mit zerrauften Haaren über Papier und Taschenrechner. Es ist das Amerika in der Zeit von Ford und Carter, und zum ersten Mal nach langer Zeit müssen die Amerikaner wieder die Erfahrung machen, dass harte Arbeit und guter Wille keine Allheilmittel sind.
Es ist auch egal, wie man die Figuren Dick und Jane interpretiert. Die einen sehen in ihnen zwei Spielbälle des allmächtigen Marktes, andere zwei Emporkömmlinge, die sich schlichtweg verzockt haben und sich durch krumme Touren zurück in die Mein-Haus-mein-Auto-mein-Boot-Liga schummeln. Und ein Swimming Pool ist ja irgendwie nichts, was man zum Überleben braucht.
Im Endeffekt bleiben sie, ganz nach Pierre Bourdieu, Spieler die um sozialen Erfolg kämpfen, kämpfen müssen. Erst um das eigene Überleben. Dann um mehr, weil beide sehen dass definitiv mehr drin ist. Und wo sollte so eine Entwicklung besser gedeihen als in Amerika, wo man doch ‚big‘ denken soll?! Sie sind nicht per se gierig oder arrogant. Sie machen einfach das, was die anderen auch machen. Und wenn der Bau eines Swimming Pools in der Nachbarschaft zum guten Ton gehört, ja dann wird eben ein verdammter Swimming Pool gebaut.
So what?!
Fun With Dick and Jane ist eine runde, gelungene Sache. Chefautor David Giler hatte vorher nur wenig Erfahrungen mit dem Komödienfach, hatte sich vor allem mit dem Script für Alan J. Pakulas Paranoiaklassiker
The Paralax View (
Zeuge einer Verschwörung, 1973) Lorbeeren verdient. Mit seinem Autorenteam leistete er Maßarbeit: knallige Dialoge, absurde Situationen, aber immer durchdrungen von der ekligen Realität.
Manchmal ist einem auch nicht mehr nach Lachen zumute. Zum Beispiel wenn Jane ihre reichen Eltern in einem letzten Verzweiflungsakt um Hilfe bittet, ihre Erzeuger den Kampf um die Existenz aber eher als von Gott spendierten Selbsterfahrungstrip begreifen – und ihr kein Geld leihen. Der arrogante Vater, ein kapitalistischer Calvinist der alten Schule, zitiert den Schriftsteller und Philosoph Ralph Waldo Emerson: „Not bricht Eisen!“, und Jane kontert indigniert: „Ja,
uns hat sie auf jeden Fall gebrochen.“
Doch am Ende, es ist nicht zu viel verraten, stehen Dick und Jane als strahlende Gewinner da. Eine moderne Variante von Bonnie und Clyde, Vorbilder für ein neues Amerika und die kommende Ronald Reagan-Ära, die wie ein Gewitter am Horizont hängt. Die erwachsen gewordenen Versionen von Dick und Jane aus den gleichnamigen Kinderbüchern von 1946. Im Vorspann streift die Kamera über die Seiten. Zwei strahlendweiße Kinder, in jeder Hinsicht wohlgeraten. Immer wieder stolpert man über diese Sätze mit subtil erhobenem Zeigefinger, dass es beide mal "zu etwas bringen werden".
Die Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Legende gehört zum ideologischen Grundinventar der USA. Jeder kann es schaffen, wenn man sich nur ordentlich anstrengt („Run Jane, run!“). In diesem Film bleibt diese Legende so lange ein schlechter Witz und der Titel eine zynische Verarschung, wie man sich brav an die Regeln hält. Dick und Jane helfen ihrem amerikanischen Traum nach, mit Knarre und Maske. Doch auch Michael Douglas sagte in Oliver Stones
Wall Street (1987) so schön und tonangebend: „Gier ist gut. Gier funktioniert.“
Schon in den Siebzigern, in Kotcheffs herrlichem und herrlich lehrreichem Film funktioniert sie wunderbar. Manchmal glaube ich, es hat sich schon für die Szene gelohnt, in der der Fernsehprediger sein Publikum daran erinnert, dass das Kreuz auch nichts anderes ist als ein verrutschtes Plus-Zeichen. Und dann die Klingelbeutel kreisen lässt.