Ein unerfülltes Wunschprojekt von Meisterregisseur Alfred Hitchcock ist es bekanntlich gewesen, einen Film zu inszenieren, dessen gesamtes Setting sich auf eine einzelne Telefonzelle beschränkt.
Diese Grundidee ist freilich weit vor der Herrschaft der Mobiltelefone entstanden.
Als schließlich Joel Schumacher mit dem packenden Thriller „Nicht auflegen!“ (2002) die nun fertige Vorlage von Larry Cohen für die große Leinwand aufbereitet hat, hatte sich die weite Welt der Telekommunikation bereits arg gewandelt: Nur ein geringer Teil der Bevölkerung dieses Planeten nutzt nun noch unterwegs die altmodischen Münzfernsprecher, während die Mehrheit eher bequem schnurlos per Handy mit Freunden und Bekannten quasselt.
Diese Errungenschaft ließ sich selbstverständlich nicht in dem in der Gegenwart angesiedelten Film verleugnen, weshalb das ursprünglich noch minimalistischere Konzept auch einige dramaturgische Tücken durch die technischen Fortschritte zu umgehen verstand.
Vielleicht kann man nun behaupten, dass „Buried“, ein kleines aber extrem gemeines Independent-Biest vom spanischen Newcomer Rodrigo Cortés („The Contestant - Der Kandidat“, 2007), noch eher den Geist des verstorbenen Suspense-Genies atmet, als das erwähnte, vergleichsweise hippe Werk.
Zwar kommt auch hier das aus der heutigen Gesellschaft kaum wegzudenkende Mobiltelefon zum Einsatz – es bleibt aber für den Protagonisten Paul Conroy (Ryan Reynolds) in einer schweißtreibend aussichtslosen Situation tatsächlich auch die einzige Kommunikationsmöglichkeit mit der Außenwelt.
Und was ist denn bitte ein in der glühenden Hitze vergrabener Sarg mit einem lebenden Menschen und einem Handy als Inhalt anderes als eine Telefonzelle der morbidesten Art?
Nach dem Erwachen und der darauf folgenden ersten Panikattacke, beginnt Paul seine Gedanken zu sortieren und erinnert sich an den Vorfall, der ihn vermutlich in seine missliche Lage versetzt hat:
Während eines Jobs als Truck-Fahrer im Irak ist sein Konvoi in einen terroristischen Hinterhalt geraten und er von den Verantwortlichen überwältigt und bewusstlos geschlagen worden.
Um Hilfe zu bekommen greift der verzweifelte Mann in seinem stickigen Grab schließlich zu dem einzigen primär nützlichen Objekt, das man mit ihm in der hölzernen Kiste gelassen hat – einem Handy.
Doch der Empfang ist schlecht, der Akku nur halb geladen und einige Teilnehmer am Ende der Notruf-Leitungen stellen sich als enttäuschend wenig kooperativ heraus.
Außerdem läuft die Zeit davon, der Sauerstoff wird knapp und Zweifel an den Möglichkeiten seiner Rettung verätzen langsam Pauls Gehirn…
„Buried“ ist ein auf Zelluloid gebannter Albtraum. Ein Schauderstück, das selbst Edgar Allan Poe noch heute die ewige Ruhe rauben würde. Im Prinzip sogar ein etwas anderer
Torture-Porn, der den blutrünstigen „
Hostel“-Szenarien die psychischen Qualen des Protagonisten gegenüberstellt.
Vor allem ist dieses Werk aber ein Experiment.
Weniger in Bezug auf seine bewusst reduzierte und überschaubare Story, als vielmehr hinsichtlich seiner geradezu einmaligen Ausführung.
Cortés gelingt tatsächlich das Kunststück, das Geschehen ohne Rückblenden oder andere Kompromisse lediglich auf den Klaustrophobie-erzeugenden Schauplatz zu beschränken und trotzdem die Zuschauer permanent bei der Stange zu halten.
Da Pauls Charakter und die – im wahrsten Sinne des Wortes – erdrückende Atmosphäre die einzigen direkten Bezugspunkte für das Publikum darstellen, sind natürlich die Fähigkeiten von Hauptdarsteller Reynolds und die von Kameramann Eduard Grau in besonderem Maße gefordert gewesen.
Während Grau der engen Todesfalle (für die Dreharbeiten sind spezielle Särge mit unterschiedlichen Maßen abgefertigt worden) durch geschickte Bildeinstellungen und dezente Tricks fast schon ein monströses Eigenleben verleiht, kann der zuvor eher auf schwache Rollen in Produktionen der Marke „Blade: Trinity“ (2004) oder „
Selbst ist die Braut“ (2009) abonnierte Ryan Reynolds hier wirklich zeigen, welch großes schauspielerisches Potential doch in ihm schlummert.
Man darf an dieser Stelle auch nicht vergessen, dass der Mime zwangsläufig die gesamte Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich zieht (die Information, ob einige der Telefon-Sprecher später noch persönlich in Erscheinung treten, würde schließlich einen großen Spoiler darstellen) und sämtliches emotionales Gewicht und Identifikationspotential allein auf seinen Schultern lastet.
Auch wenn man in „Buried“ keine ausführliche Vorgeschichte präsentiert bekommt, hat man wohl selten eine solch enge Beziehung mit einer Filmfigur aufbauen können wie hier. Diese rund 90 Minuten Spielzeit gehören einfach einzig und allein Paul Conroy.
Der einzige Kritikpunkt, den man dem ansonsten mutigen und innovativen Werk ankreiden könnte ist, dass das sehr fesselnde Mysterium relativ schnell seinen Schleier lüftet und nun eine ebenso ernüchternde wie erschütternde Klarheit herrscht.
Dass Rodrigo Cortés ein Stück des inhaltlichen Gewichts auf die formale Seite der Waage verlagern musste, um die Stimmung nicht bereits in einem Verwirrspiel zu ersticken, erscheint allerdings wiederum plausibel.
Wer sich also von „Buried“ einen verzwickten Thriller erhofft, wird in dieser Hinsicht durchaus enttäuscht werden: Im weiteren Verlauf entpuppt sich der Film als überaus potentes Survival-Drama, in welchem das zynische Spiel mit der Hoffnung des Protagonisten einen großen Teil der quälenden Spannung ausmacht.
Abschließend bleibt noch festzuhalten, dass diese beängstigende cineastische Erfahrung ihre volle Wirkung nur im dunklen Kinosaal entfalten wird.
Also: Anschauen...und das Atmen nicht vergessen!