Der italienische Maler und Bildhauer Amedeo Modigliani (1884-1920) ist einer der beliebtesten und bedeutendsten Künstler der Klassischen Moderne. Über sein kurzes Leben sind nur wenige Fakten bekannt, so dass sich um ihn die verschiedensten Legenden bilden konnten. Der Film “Modigliani – Ein Leben in Leidenschaft” verknüpft historisch belegte oder überlieferte Eckpunkte mit fiktiven Szenen. Für Zuschauer, die sich etwas eingehender mit dem Leben des Künstlers beschäftigt haben, mag dies irritierend sein. Da der Film aber einiges zu bieten hat, sollte er nicht nur darauf reduziert werden, ob und inwiefern er von den historischen Fakten abweicht.
Paris 1919: Amedeo Modigliani (Andy Garcia), Italiener aus einer bürgerlichen jüdischen Familie, ist in den künstlerischen Kreisen von Paris ein anerkannter Maler. Sein Freund und Agent Zborowski (Louis Hilyer) kann jedoch seine Bilder nicht verkaufen und versucht immer wieder, Auftragsportraits zu vermitteln. Modi, wie er genannt wird, ist stolz, hält zu seinen Freunden, trinkt zuviel und ist in seiner Malerei einzigartig. Seine 21-jährige Lebensgefährtin Jeanne Hébuterne (Elsa Zylberstein), mit der er eine Tochter hat, wird von ihrem antisemitischen Vater vor die Wahl gestellt, Modigliani zu verlassen oder ihr Kind an ein Kinderheim zu verlieren. Sie entscheidet sich für ihn, leidet jedoch sehr unter dem Verlust ihres Kindes. Modigliani, der in andauernder Geldnot lebt, rät ihr, zu ihrer Familie z
urückzukehren. Seine Ärztin prophezeit ihm einen baldigen Tod, wenn er es nicht schaffen sollte, mit dem Trinken aufzuhören.
Die Pariser Bohème ist gespannt: ein Mal-Wettbewerb steht an. Wer wird sich der Aufgabe stellen und das hohe Preisgeld bekommen? Modigliani hat ein angespanntes Verhältnis zu seinem Rivalen Picasso. Beide entscheiden sich jedoch, am Wettbewerb teilzunehmen.
Jeanne ist erneut schwanger. Modigliani möchte sie heiraten und lässt sich eine Verlobungsurkunde ausstellen, um sie damit zu überraschen. Am Abend der Entscheidung wiegt sich Modi in Sicherheit, den Wettbewerb zu gewinnen und betrinkt sich ohne zu bezahlen. Zwei vom Wirt engagierte Schläger prügeln ihn fast bewusstlos. Währenddessen werden die Bilder beim Wettbewerb vorgestellt und selbst Picasso zieht seinen Hut vor dem nicht anwesenden Gewinner: Modigliani. Blutüberströmt findet Modi nach Hause, doch seine Freunde erkennen die Gefahr und bringen ihn gegen Jeannes Widerstand ins Krankenhaus. Modigliani stirbt. Die schwangere Jeanne stürzt sich in ihrer Verzweiflung aus dem Fenster. Gemeinsam werden sie in Paris begraben.
Biographien über eine Legende sind schwierig. Einerseits erwartet der Zuschauer, etwas über das wahre Leben zu erfahren, andererseits müssen Lücken glaubhaft gefüllt werden. Tatsachen zu verändern ist riskant. Sich nur an sie zu klammern ist aus filmischer Sicht langweilig. Der Film “Modigliani – Ein Leben in Leidenschaft” bringt einige Fakten und Überlieferungen unter: etwa die Begegnung mit dem französischen Großmeister Renoir, die Bindung zu Picasso, ein von Krankheit durchzogenes Leben in Armut, Alkoholprobleme und der Skandal seiner ersten und einzigen Ausstellung. Die genauen Umstände wurden dabei zeitlich und inhaltlich verändert und um fiktive Elemente erweitert. In welchem Grad und wie detailliert ist allerdings nur sehr schwer zu beurteilen.
Für einen Film ist es sicherlich auch schwierig, viele historische Personen wahrheitsgetreu unter einen Hut zu kriegen. Fakt ist, dass Modigliani mit Zborowski und Soutine befreundet war und Pablo Picasso in Modiglianis Umfeld eine wichtige künstlerische Größe einnahm. Überliefert bzw. belegt ist, dass Picasso ein Bild Modiglianis übermalte und Modigliani ihn portraitierte. Ob die im Film dargestellte Hassliebe zwischen ihnen tatsächlich existierte, bleibt fraglich.
“Modigliani – Ein Leben in Leidenschaft” funktioniert als Film ganz gut. Er konzentriert sich auf das letzte Lebensjahr des Künstlers und vermittelt die Stimmung der Ära. Auch wer noch nie etwas von Modigliani oder der “Pariser Schule” gehört hat, bekommt einen guten ersten Eindruck, wie der Geist der damaligen Zeit vermutlich gewesen sein mag, in welchem Umfeld die Künstler in Paris gelebt haben und mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen hatten.
Über Modiglianis Kunst lernt man nicht viel, nur, dass er seinen Figuren lange Hälse gibt und ihre Augen ausspart – aber das sieht jeder Betrachter auch ohne Kunstunterricht. Der Film zeigt allerdings viele seiner Werke, so dass die Wahrscheinlichkeit, sie beim nächsten Museumsbesuch zu erkennen, recht hoch ist.
Die Besetzung ist in den Hauptrollen sehr gut gelungen. Andy Garcia spielt rundum überzeugend, sowohl die sympathische Seite eines lebensbejahenden Menschen, der gerne Gedichte zitiert als auch die traurige Seite eines Alkoholikers und erfolglosen Künstlers. Man könnte zwar einen Tuberkulose-Patienten noch um einiges kranker darstellen, aber da Modigliani im Film ja nicht unmittelbar an seiner Krankheit stirbt und noch nicht das Endstadium erreicht hat, sind die vollen Backen daher noch zu vertreten. Elsa Zylberstein passt optisch wie angegossen in die Rolle der Jeanne. Obwohl es gerade Modiglianis Markenzeichen ist, Portraits und Akte mit schmalen Gesichtern und langen Hälsen darzustellen, ist die Ähnlichkeit Zylbersteins mit den gemalten Figuren bemerkenswert. Als Zuschauer kann man sich gut vorstellen, wie Maler von Menschen (oft genug von ihren Frauen) inspiriert werden und wie Bilder entstehen.
Autor und Regisseur Mick Davis schuf mit “Modigliani – Ein Leben in Leidenschaft” einen Film, der sich zwar nicht strikt an die überlieferten Fakten hält, der aber eine interessante Story erzählt und die Stimmung der damaligen – die Kunst des 20. Jahrhunderts maßgeblich prägende – Zeit sehr gut wiedergibt. Das Ende ist tragisch und geht dem Zuschauer nah. Wohl auch deshalb, weil sich Davis hier an die Realität gehalten hat: Modigliani erliegt im Alter von 35 Jahren seiner Krankheit, seine schwangere Verlobte nimmt sich daraufhin das Leben und hinterlässt ihre kleine gemeinsame Tochter.