(USA, 1987)
„When I was younger me and my friends saw 'The Exorcist' / Thomas got so scared he couldn´t sleep for days / He wouldn't listen to me when I said him it´s not for real”
(Randy, “The Exorcist”)
„You will not be saved by the holy ghost. You will not be saved by the god Plutonium. In fact, YOU WILL NOT BE SAVED.”
Eine lustige und von Rob Zombie allerhöchstpersönlich empfohlene Homepage für Horrorfilme (also eine von, sagen wir, drei oder vier im weltweiten Netz) heißt
Kindertrauma. Die Hauptseite begrüßt einen mit dem Disclaimer „Your happy childhood ends here!“. Eine schöne Umschreibung für das was neugierigen Blagen passiert, wenn sie sich nicht an die Altersvorgabe halten. Oder an die natürliche Schranke des späten Sendetermins im Fernsehen. (Das war wenigstens früher mal so.)
Doch wenn es um Horrorfilme geht steckt in jedem Kind ein Abenteurer der wissen will, was die Stunde geschlagen hat. Diese Mutprobe geht selten gut aus. Man weiß es meistens schon vorher. Man ist hin und her gerissen zwischen natürlicher Angst und unbändiger Neugier. Und die Neugier gewinnt am Ende immer. Immer.
Meine Herausforderung, meine Mutprobe, meine Zelluloidnemesis hörte viele Jahre lang auf den Titel
Prince of Darkness (
Fürsten der Dunkelheit, 1987) und markierte John Carpenters Rückzug ins H
orrorgenre nach kurzer Abwesenheit. Zwischen 1974 und 1982 drehte er fast nur Volltreffer am Fließband, irgendwann kam sogar pekuniärer Erfolg dazu.
Dark Star (1974),
Assault on Precinct 13 (
Assault - Anschlag bei Nacht, 1976),
Halloween (1978),
The Fog – Nebel des Grauens (1980),
Escape from New York (
Die Klapperschlange, 1981) und
The Thing (1982). Andere Regisseure würden für so einen Lauf morden.
The Thing war sein vollendetes Meisterwerk, doch die Kinogänger wollten lieber Steven Spielbergs Außerirdischem beim Nach-Hause-Telefonieren zusehen. Etwas belämmert und gebrandmarkt vom lange nicht mehr gekannten Gefühl des Misserfolgs mühte sich Carpenter am Stephen King-Roman
Christine (1983) ab, frönte in
Starman (1984) dem Dramenkitsch. In
Big Trouble in Little China (1985) versuchte er sich an einer abenteuerlichen Symbiose aus Comedy-Action und Asiatencinema.
Prince of Darkness war wieder Horror – für mich damals im wahrsten Sinne des Wortes. Eine nervenzerfetzende Geisterbahnfahrt, bei der ich ein ums andere Mal den Notausstieg (also die Fernbedienung) wählte. Was ich wohl heute von dem Film halten würde, sähe ich ihn zum ersten Mal? Lieber nicht drüber nachdenken.
Carpenter macht von Anfang an keine Gefangenen. Er macht das ganz, ganz große Fass auf. Die Arbeitshypothese lautet: Den Teufel gibt es wirklich. Das Böse ist keine Kraft in der hintersten Ecke des Menschen Herzens, sondern der Leibhaftige, von einem Antigott erschaffen, der vor Urzeiten auf der Erde umherwandelte. Seit 7 Millionen Jahren hockt Satan in einem Flüssigkeitsbehälter unter einer verlassenen Kirche in Los Angeles und wartet auf seine Erweckung, die – wer hätte drauf getippt? – kurz bevor steht. Die Obdachlosen der Stadt werden zu willenlosen Sklaven, die der dräuenden Macht willfährig den Boden bereiten. Einer davon wird gespielt von Alice Cooper.
Ein Priester (Donald Pleasence) und ein Physikprofessor (Victor Wong) stellen ein Team aus Studenten zusammen um die Ereignisse zu untersuchen, aber… na ja… you don´t fuck around with satan, you know? Einer nach dem anderen wird von der teuflischen Macht überwältigt. Ein Entkommen gibt es nicht, den draußen warten Alice und seine Zombiepennerarmee.
Tja. Und nu?
Das tut schon ein bisschen weh beim Lesen, oder? Die Universität, auf der die Protagonisten ihr Tagewerk verrichten, heißt im Film übrigens Nigel Kneale University. Nach erstem Wiederansehen nach vielen Jahren musste ich innerlich wiehern und prusten vor Begeisterung darüber, dass man manchmal doch öfters drin steckt als man denkt. Auf dieser Homepage schrieb ich mal über Roy Ward Bakers wunderschöne Hammer-Produktion
Quartermass and the Pit (
Das grüne Blut der Dämonen, 1967), mit einer ähnlich haarsträubenderen Story. Drehbuchautor war jener Nigel Kneale. Ich fragte mich ob Carpenter wohl ein Fan war.
Ja, war er. Ich sah mir den Vorspann noch einmal genauer an, er verpasste sich als Scriptautor das Pseudonym 'Martin Quartermass'. Treffer.
Die Besetzungsliste ist, wie soll man es sagen – interessant. Jameson Parker kennen einige Wenige noch aus der schönen Serie
Simon & Simon, allerdings da noch ohne Suppenfilter im Gesicht. Donald Pleasence als Priester ist eine Nulllösung, mit der Carpenter wenig falsch machen konnte. Passte schon irgendwie. Victor Wong als Professor ist und bleibt ein kleiner, klappriger Chinese, denn er spielte in den Achtzigern immer einen kleinen, klapprigen Chinesen wo immer ein Drehbuch nach einem kleinen, klapprigen Chinesen verlangte.
Lisa Blount ist, trotz gewöhnungsbedürftiger Frisur, fast surreal anmutig und schön. Und irgendwie steht ihr das schreckliche Schicksaal, das sie am Ende des Film ereilen wird, förmlich ins Gesicht geschrieben. (Für die, die das Ende kennen: Ja, einfach nur Schubsen hätte durchaus gereicht, aber dann wär´s kaum ein so dramatisches Finale geworden.)
Prince of Darkness saugt seine Spannung aus der klaustrophobischen, bösartigen Atmosphäre des Settings, dem verdammt gekonnten Spannungsaufbau und der Tatsache, dass sich Carpenter nicht um Logik schert. (Überhaupt eine gute Voraussetzung, um Horrorfilme goutierbar zu machen.) Es ist jener Sog der sich ergibt, wenn ein Meister seines Fachs gekonnt an den Schrauben der Spannungskunst dreht. Allein im Vorspann, fast mehr eine Parodie eines Vorspannes, denn er dauert fast neun Minuten, packt Carpenter schon so viel Exposition wie es normalerweise für drei Filme reicht. Und das schöne: Der Mann weiß um unser Filmwissen, ein paar Szenefetzen reichen und wir haben einen blassen Schimmer. Der Rest kommt einfach später dazu.
Auch zeigt Carpenter etwas ungemein interessantes, nämlich die (vorübergehende) Allianz zwischen Religion und Wissenschaft, zwischen Spiritualität und Common Sense. Den Physikprofessor, der an das Übersinnliche glaubt („Verabschiedet euch von der bekannten Realität, denn unser Wissen zerbröckelt auf der subatomaren Ebene..."), und den Priester, der in seiner Not die Wissenschaft um Hilfe bittet, auch wenn´s manchmal schwer fällt („Er war unser Gefangener, nicht euer!"). Aber wenn man feststellt, dass der eigene Verein seit zweitausend Jahren falsch spielt („Wir waren nichts als Verkäufer!") und mit der Tatsache konfrontiert wird, dass der Leibhaftige eine feindliche Übernahme plant, dann muss man vielleicht doch vom Glauben abfallen. Selbiges passiert den Studenten, die einer nach dem anderen am Verstand zweifeln im Angesicht des eigentlich Unfassbaren. Diese Verschränkung hat ihre Entsprechung in der subtilen Settinggestaltung: Eine Kirche vollgestopft mit Technik. Jesuskreuze und Computer friedlich nebeneinander vereint.
Man kann an diesem reinrassigen Horrorfilm viel Spass haben. Man darf einfach die hanebüchene Geschichte nicht zu ernst nehmen. Man darf sich nicht fragen, warum die bösen Mächte schon vor Satans Erwachen zwar Menschen unter ihre Kontrolle kriegen, aber dann doch nicht aus eigener Kraft den Laden einfach selbst übernehmen können. (Wer ist es diese Macht? Ist es Satan aus dem Behälter? Ist es der höllische Antivater?) Und man muss auch, irgendwie, Jameson Parkers Pornobalken ignorieren. (Auch wenn das, bei Gott, nicht leicht ist.)
Nach vielen, vielen Jahren bestand ich die Prüfung des Wiederansehens. Fast. Ich überstand all die haarsträubenden Situationen, die Spannung, das Finale. Was ich nicht überstand, war das vorletzte Bild, das wir von Lisa Blount sehen. Das verfolgte mich noch tagelang. Ich träumte nicht die Traumszene aus dem Film („Das ist kein Traum… kein Traum…“).
Aber ich wäre nicht überrascht gewesen.