Es gibt Filme, die nehmen einen von der ersten Minute an gefangen, bis zum erlösenden Abspann. Die andere Gruppe sind jene Filme, die zuerst den Anschein erwecken, normale Durchschnittskost zu sein, nur um am Ende, wenn man sich als Zuschauer schon sicher glaubt, mit einem Knalleffekt aufzuwarten. Geschickt wurde man manipuliert, geradezu zu dem Gedanken „Diese Story ist aber echt 08/15“ getrieben, nur um am Ende eingestehen zu müssen, dass der Schein nicht der Wirklichkeit entsprach. Auch
„VERFÜHRUNG EINER FREMDEN“ spielt in dieser Liga, krankt aber dummerweise an seinem eigenen Anspruch, die scheinbar einfache Geschichte am Ende kunstvoll zu verschachteln. Dabei standen die Vorzeichen eigentlich auf Hit.
Zweifellos liest sich die Besetzung der Hauptrollen mit
Bruce Willis und
Halle Berry sehr ordentlich und lässt Erwartungen an ein knisterndes Thrillervergnügen aufkommen. Nur wird das Popcorn des Hintermannes im Kino wohl so mit das einzige sein, was bei diesem Film knistert, doch dazu gleich mehr.
Zunächst kurz zur Geschichte: Die Journalistin Rowena Price (Halle Berry) trifft eines Tages in der U-Bahn ihre alte Freundin Grace (Nicki Aycox), die ihr von einem bevorstehenden Treffen mit einer Internetbekanntschaft berichtet, welche niemand Geringeres als Werbeguru Harrison Hill (Bruce Willis) sein soll. Die beiden sollen sich im Chat nähergekommen sein, was an sich nichts Besonderes wäre. Pi
kanterweise ist Hill jedoch bereits schon seit vielen Jahren verheiratet. Als Grace zu allem Überfluss kurz darauf brutal ermordet aufgefunden wird, beginnt Rowena zusammen mit ihrem Kollegen, dem Computercrack Miles (Giovanni Ribisi), Nachforschungen anzustellen. Zu diesem Zwecke schleust sie sich nach dem Auffinden belastender Indizien nicht nur unter falschem Namen bei Hill in die Firma ein. In der virtuellen Welt der Chatrooms beginnt sie – wiederum unter anderem Namen – zudem mit Hill eine Art sexuelle Beziehung. Hat das hohe Tier gar etwas zu verbergen? Doch auch Rowenas Freund und Miles selber verbergen Geheimnisse, die erst allmählich ans Licht kommen.
Schein und Sein liegen dicht beieinander im Thriller von
James Foley. Die Grundidee des Films – Jeder ist für den anderen ein Fremder, der Geheimnisse hat – ist an sich auch recht interessant und birgt vor allem gegen Ende des Films ein Aha-Erlebnis, das sich gewaschen hat. Doch nützt die schönste Idee nichts, wenn sie nicht gekonnt präsentiert wird. James Foley zeigt zwar einige sehr schöne Szenenwechsel und beweist sich auch sonst fast als Routinier seines Fachs. Nur leider trüben vor allem einige Einstellungen den recht soliden Ersteindruck des Films, die den Eindruck erwecken, als ginge es gar nicht um die Thrillerhandlung, sondern darum, zu zeigen, was für einen tollen Körper Halle Berry hat. Dass das so ist, weiß man und muss man nicht in solch aufdringlicher Weise auf der Leinwand präsentiert bekommen. Beinahe lustvoll fährt die Kamera in einer Einstellung an der attraktiven Hauptdarstellerin hinab, nur um dann in leinwandausfüllender Weise ihr ausladendes Hinterteil anzuvisieren. Wäre dies nur einmal im ganzen Film geschehen, könnte man darüber wohlwollend hinwegsehen. Doch allzu oft wird die langbeinige Schönheit nebst tiefem Ausschnitt von der Kamera eingefangen, ganz so, als hätte der sonstige Film nichts mehr zu bieten. Was im Grunde nicht so ist. Nun mag man hieraus schlussfolgern, dass besagte Einstellungen zumindest in den Szenen zwischen Bruce Willis und Halle Berry für einige knisternde Momente sorgen sollten. Doch gerade diese Szenen wirken erstaunlich lust
los und erwecken den Eindruck, dass die Hauptdarsteller gar nicht mit Ernst bei der Sache sind. Paradox, in der Tat.
Gerade durch den mangelnden Ernst und die unfreiwillige Komik, die vor allem durch die naiven Chatgespräche und die teils unnötig obszönen Dialoge transportiert wird, demontiert sich der ansonsten solide Thriller selbst und verkommt zu Durchschnittskost, woran auch der überraschende, wenngleich etwas konstruiert wirkende Schluss nichts ändern kann. Als harter Thriller fällt
„VERFÜHRUNG EINER FREMDEN“ leider gnadenlos durch. Wer jedoch ohne allzu große Erwartungshaltung ins Kino geht, bekommt einen teils – wenn auch unbeabsichtigt – vergnüglichen Thrillerspaß zu sehen, der mit etwas mehr Feingefühl bei der Inszenierung der interessanten und zunächst wenig spektakulär wirkenden Idee durchaus „gut“ hätte werden können.
Zumindest
das ist nun kein Geheimnis mehr.