Kevin Costner fordert sein Leinwandimage heraus, als überlegener, berechnender Serienmörder, in einem Film, der in seiner gerne auch pulpy-trashigen Herangehensweise an ein psychologisch ernstes Thema
American Psycho mindestens ebenso viel schuldet wie
A History of Violence.
Mr. Earl Brooks (Kevin Costner) führt ein klassisches American Dream – Leben: Die Firma läuft gut, seine Frau liebt ihn, das Haus ist luxuriösere Suburbanität, die Tochter studiert brav und fleißig ein paar Bundesstaaten entfernt. Earl Brooks ist außerdem süchtig danach, völlig Fremde zu ermorden. Als der Film beginnt, hat er das schon ein paar Jahre nicht mehr getan. Er geht zu Treffen der Anonymen Suchtkranken in der örtlichen Kirche und gesteht sich dort seine Sucht ein, ohne sie natürlich beim Namen zu nennen. Doch sein Es, in Gestalt von William Hurt, regt sich wieder. Und er gibt ihm nach. Doch diesmal gab es, natürlich, einen Zeugen. Und die Ermittlungen diesmal leitet – Demi Moore.
Es ist durchaus interessant, wie - und das - mit Costners typischer Rolle des altmodischen Mannes mit Prinzipien gespielt wird. Ein bisschen ist es wie bei Leone, als der Henry Fonda genüsslich zum kindermordenden Monster machte. Das einzige, was der Film tatsächlich bietet, um Brooks von sich aus sympathisch zu machen, neben der kinohistorischen Gewöhnung daran, dass Costners Charaktere immer schon versucht haben, das Richtige zu tun, ist, dass ihm seine Familie wirklich aufrichtig am Herzen liegt. Sie hat nichts mit Mr Hyde, der hier Marshall heißt und mit dem Gesicht von William Hurt immerzu im Rückspiegel lauert, zu tun, so weit es ihn betrifft. Natürlich, er geht so weit, einen brutalen Axtmord auf einem Campus in einem anderen Bundesstaat zu begehen, um seine Familie zu schützen. Dass er soweit geht, und dass es ihm danach zur Abwechslung sogar schlecht geht, weil ihm dieses Motiv des praktischen, nicht suchtbefriedigenden Mordes so fern liegt, ist eine ironische, ziemlich böse Wendung, die man sich konsequenter verfolgt gewünscht hätte. Alles andere ist, wenn er erst einmal im Killermodus ist, für ihn eher ein Grund für herzliches Lachen. Der Zeuge, der Brooks nicht für Geld, sondern für Komplizenschaft mit seinem Wissen erpresst und sich dabei schlicht Mr Smith nennt, schlägt vor, jemanden zu töten, der sie bei ihren nächtlichen Streifzügen im Auto schneidet. Das ist perfekt vernünftig für Mr Brooks. Nicht, weil er die zügellose Wut seines Komplizen teilt, sondern weil dieser Autofahrer die Regel Nummer eins erfüllt: Er hat keine Verbindung zu ihm.
Ein bisschen vermisst man vielleicht von Zeit zu Zeit die Zwanghaftigkeit, die der legendäre Peter Lorre in
M – eine Stadt sucht einen Mörder als Verfolgtsein von sich selbst beschrieb, aber dann muss man sich immer in Erinnerung rufen, dass dieser Verfolger tatsächlich immer auf dem Rücksitz sitzt. Für uns alle zu sehen, und damit vielleicht sogar in seiner Wirkung geschwächt. Die Einfachheit, die eindeutige Fokussierung seiner Worte kann man so lesen, muss man aber nicht. Zwang ist einfach, aber intensiv.
Die Sympathie für Earl Brooks im Kontext des Films ist bewusst anvisiert, denn er ist umgeben von anderen obsessiven Figuren: Mr Smith (Dane Cook) ist moralisch noch verkommener, wenn man denn eine Rangliste aufstellen wollte (was der Film sogar nahe legt, aber wohl als bösen, satirischen Kommentar verstanden wissen möchte) Neben diesem Komplizen, der so offensichtlich abstoßend ist, in seiner reflektionsfreien Lust, alle Umwelt seinem Voyeurismus unterzuordnen, soll Brooks dann doch wieder sympathisch wirken. Aber warum eigentlich? Er ist doch genauso auf eigene Befriedigung aus, wenn er auch dadurch komplexer und unbequemer wird, dass er so eiskalt und beherrscht vorgeht, wie auch, dass er versucht, davon wegzukommen und dann, wenn er es doch tut, seine Befriedigung doch nicht leugnen kann. Verdammt, er führt sogar einen Freudentanz auf, nachdem er ein ihm völlig fremdes Paar beim Sex exekutiert hat!
William Hurt hams it up again, augenrollend, zwinkernd, grinsend und feixend, und wer das schon in
A History of Violence weniger lustig fand als Hurt offensichtlich selbst, muss das auch hier nicht bejubeln. Auch wenn hier wie da ein paar Momente herausspringen, die durchaus ihren Reiz entwickeln. Wenn Hurt, direkt nachdem Brooks Frau nach rechts aus einem halbnahen Bild von Costner verschwunden ist, von links ins Bild rauscht und "This is too close" zischt, etwa; oder wenn Costner auf dem Küchenboden zusammenbricht und Hurt ihn überraschend liebevoll in die Arme nimmt. Überhaupt sind die Szenen zwischen Hurt und Costner, irgendwie erwartungsgemäß, die besten des Films.
Demi Moores Detective Atwood dagegen ist eine reine Behauptung: Die Behauptung, diese Frau sei umso unerbittlicher, weil sie eine Millionenerbin ist und den Job nicht nötig hätte. Ein lahmer Drehbuchbaustein, der spätestens seit Michael Bays
Bad Boys tabu sein sollte, zumal dann, wenn man ihn nicht mit Leben füllen kann. Demi Moore, und vielleicht - sogar wahrscheinlich - bin ich da misogyn, ist aber auch meistens die penetrant vor sich hergeschleppte Behauptung, dass Frauen jenseits der 40 immer noch sexy und viel tougher sind, die aber doch nur eine Profilneurose der Sexgöttinnen der vergangenen 80er ist. Siehe auch: Sharon Stone. Alle Szenen von Moore wirken wie von einem faulen, zynischen, von sich selbst gelangweilten Script-doctor hingeschludert, der in den 80ern mal einen mittelgroßen Erfolg mit einem dieser schwül-sterilen Thriller hatte und jetzt den Baukasten für Thriller-Mittelmaß abarbeitet. Der ganze Charakter, die dumme, ziellose, unmotivierte Nebengeschichte über ihren letzten Fall, ist ein einziger Turm aus bunten Bauklötzen für Kinder; man sieht zu deutlich, wo der eine anfängt und der andere aufhört. Das Telefonat zwischen Brooks und Atwood am Ende scheint dann die Unsicherheit des Autors nochmal zu bestätigen, so drangepappt wirkt sie. Nicht nur, dass Brooks völlig aus seiner Rolle fällt, indem er die in seinem Fall ermittelnde Polizistin anruft, stört hier – das könnte man ja noch, wie anderes dankenswerterweise auch, als Zeichen dafür sehen, dass seine wieder hergestellte Vorstadt-Idylle immer noch nicht sicher ist – nein, das Ganze tut er auch noch, um das dümmliche Ein-Satz-Melodram der hölzernen Demi Moore zu hören, auf das man nicht ganz so schrecklich neugierig ist, wie der Film zu hoffen scheint.
Sidney Lumet nannte das ein Gummienten-Drama.
Ab dem Moment, wo Brooks' wohlbehütete Welt tatsächlich in Gefahr ist, werden die Thrillerbausteine zu offensichtlich aneinandergereiht.
Mag ja sein, dass dieser Film und die Dekadenz, der Voyeurismus und die Gewalt, die Abgründe unter der Bilderbuchfamilie ein Kommentar auf die Zeit sind, vielleicht sogar ein nicht von der Hand zu weisender. Aber in seiner Ausführung bleibt auch er Behauptung. Und die macht noch keinen guten Film.
Wie Brooks Schlüsse am Ende interpretiert werden sollten? Naja, die wirklich Asozialen, die Degenerierten, die keinerlei höheren Ziele haben als ihre eigenen niederen Instinkte werden blutig bestraft, und die, ob nun wirklich aufgebaute oder nur behauptete Sympathie für Costner muss sich so die Leseart gefallen lassen, Mord für die Unantastbarkeit der Familie zu rechtfertigen.
Dass die Sache noch nicht ausgestanden ist und die Aussicht, Großvater zu werden, vielleicht doch nicht alles reinwäscht, dafür hätte es nichtmal die effekthaschende Traumsequenz gebraucht, in der die Tochter ihren Vater ersticht. Da blitzte noch einmal die eigene Unsicherheit des Films auf: es scheint, als wäre die nun als Traum verkaufte Szene irgendwann mal als tatsächliches Ende geplant gewesen und erst nach einer Testvorführung, oder nach empörtem Eingreifen eines Studiobosses, in das dann doch wieder die Heiligkeit der Familie über alles stellende Ende verwandelt worden. Auf jeden Fall bringt es das Spannungsfeld zwischen der gerade bei Teenagern beliebten, vor grafischer Gewalt, Zynismus und Plattitüden überfließenden Schockparaden und dem wohl anvisierten ernsthafteren Erwachsenenmarkt, treffend auf den Punkt und ist damit vielleicht auch auf andere Art ein Ausdruck des Zeitgeistes, als ihm lieb ist.