Das dritte Schuljahr Harry Potters (Daniel Radcliffe) steht schon vor seiner Ankunft auf Hogwart unter keinem guten Zeichen. Sirius Black (Gary Oldman), der Zauberer der Harrys Eltern an Voldemort verraten haben soll, ist aus seinem Gefängnis von Askaban entflohen und scheint es auf den berühmten Zauberschüler abgesehen zu haben. Doch wer ist Sirius Black, der Harrys Pate ist, wirklich? Und welche Rolle nimmt der unscheinbare Professor Lupin (David Thewlis) ein? Fragen über Fragen, auf die Harry, Hermine (Emma Watson) und Ron (Rupert Grint) keine Antworten finden, während sich die Bedrohung um Harry, Hogwart und die gesamte Zauberwelt immer mehr zusammenzieht.
Das Drehbuch des dritten Teils weist einige Änderungen und Besonderheiten auf. Zwar spielt auch dieser „Harry Potter“ Film wieder mit der romantischen Träumerei einer noch wenig von der modernen Technik (abgesehen von Verkehrsmitteln, Plattenspielern, mechanischem Spielzeug) erfassten Welt, manche Elemente, die Gefahr liefen sich zu erschöpfen, wurden jedoch glücklicherweise reduziert. So wird z.B. das Quidditch Turnier auf das Notwendigste gestrafft, zugleich aber geschickt in die Dramaturgie integriert.
Darüber hinaus werden auch erwachsene Zuseher von den Dialogen nicht unterfordert sein und sich über die Doppelbödigkeit vieler Gespräche (siehe Dumbledores [Michael Gambon] tiefgründige Erwägungen über die Macht der Zeit und Draco Malfoys [Tom Felton] ideologische Aussagen
über all diejenigen, die nicht in sein Weltbild passen, anders sind etc. und nur allzu sehr an rechtsextreme Ansichten denken lassen) freuen.
Es ist das reinste Vergnügen mitzuverfolgen wie sehr sich die Charaktere – und natürlich auch die jungen Schauspieler – von „Harry Potter und der Stein der Weisen“ bis zu dem hier vorliegenden Film weiterentwickelt haben. Zudem werden sie immer differenzierter dargestellt, und wirken dabei weit weniger flach und stereotyp wie dies noch in „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ der Fall war. Die Figuren sind schwieriger einzuordnen als in den Vorgängern, und die von mir bereits kritisierte Trennung von Gut und Böse fällt weniger scharf aus und verwischt sich zunehmend.
„Harry Potter“ scheint mit dem Älterwerden seiner Protagonisten auch ein immer älteres Zielpublikum ansprechen zu wollen, ist er doch beinahe schon ein Teeniefilm (siehe auch das Outfit der Kids, die subtil angedeuteten Spannungen zwischen Ron und Hermine, Harrys Aufbäumen gegen seine Ziehfamilie sowie seine Einsamkeit) des Fantasygenres. Dieser Eindruck wird sich in „Harry Potter und der Feuerkelch“ noch stärker herauskristallisieren.
Die Schauspieler sind bis auf den verstorbenen Richard Harris als Dumbledor dieselben geblieben und spielen größtenteils hervorragend. Gerade Michael Gambon erweist sich als ein würdiger Nachfolger. Auch Rupert Grint und Emma Watson, die von Film zu Film hübscher wird, spielen wieder einwandfrei. Darüber hinaus weiß ein sehr ungepflegter, ungewaschener und mit verfaulten Zahnstummeln versehener Gary Oldman in der Rolle des unheimlichen und scheinbar verrückten Sirius Black zu begeistern.
Der einzige Wehmutstropfen ist wieder einmal Daniel Radcliffe als Harry Potter, der sich als vollkommene Fehlbesetzung erweist und neben Emma Watson und Rupert Grint die Präsenz eines Statisten hat.
Loben möchte ich die neuen Sets und Schauplätze, die im dritten Teil ein anderes Design bekommen haben. Die kargere, zerklüftetere und viel weniger ebene Landschaft verleiht dem Film noch zusätzlich Atmosphäre.
Die Kamerafahrten sind natürlich wieder einmal sehr kreativ. Das Highlight dürfte wohl die lange Einstellung zu Beginn der Zeitreise sein, wenn die Kamera durch die sich drehende Mechanik der Uhr fährt, welche die Rückwertsreise durch die Zeit kennzeichnet.
Bild und Farbgebung des Films sind ein wahrer Traum. „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ setzt hier auf einen etwas anderen Look als seine Vorgänger. Auf diese Weise dominieren statt kitschig-bunten Farben vielmehr monochrome Grautöne mit sehr hohen Schwarzwerten das Bild und erinnern damit immer wieder an Tim Burton. Die extrem überzeichneten Kontraste verfremden das Geschehen zusätzlich, werden doch durch diese visuellen Stilmittel Dunkelheit und Bedrohung noch greifbarer.
Die Spezialeffekte sind bis auf wenige Ausnahmen überzeugend und werden dezenter und weniger protzig als in den ersten beiden „Harry Potter“ Verfilmungen eingesetzt.
John Williams Soundtrack hat in Punkto Kreativität und Einfallsreichtum deutlich zugelegt und klingt zwar weniger bombastisch und an große Werke der Romantik erinnernd, begeistert dafür aber immer wieder mit mittelalterlichen Klängen und schafft durch den Einsatz des Cembalos eine unheimliche Gruselstimmung. Die Gesangseinlage des Chores während der Ankunft auf Hogwart unterstreicht den Eindruck, dass sich der Komponist für den dritten Teil viel Mühe gegeben hat.
Mit dem Wechsel des Regisseurs (statt Chris Columbus saß der mexikanische Independent-Regisseur Alfonso Cuarón im Regiestuhl) scheint ein frischer Wind zu wehen. So liegt mit „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ die bis dato düsterste und atmosphärisch dichteste Verfilmung der Bücher von J.K. Rowling vor, und putzige, niedliche sowie die Geschichte auflockernde Elemente wird man hier nur selten finden.
Im dritten Teil passt (bis auf Peanuts wie z.B. die schlechte Animation des Werwolfes) einfach alles, und der Rezensent hat hier einmal nichts gefunden, worüber er meckern könnte. Ganz im Gegenteil: Handlungs- und Dialogszenen, überraschende Wendungen, Action, Spannung und FX stehen hier in einem so ausgewogenen Verhältnis zueinander, wie ich dies im Fantasyfilm schon seit „Der Herr der Ringe – Die Gefährten“ nicht mehr erlebt habe. Dies macht „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“ zum besten, reifsten und anspruchsvollsten Teil (einschließlich „Harry Potter und der Feuerkelch“), der für eine Mainstream Produktion erstaunlich mutig umgesetzt ist und nicht ständig krampfhaft darum bemüht ist mit dem Geschmack des Publikums konform zu gehen.