Familie kann man sich bekanntlich nicht aussuchen. Das muss auch Tita (Lumi Cavazos) schmerzlich erfahren, der das Unglück beschieden ist, die letztgeborene Tochter von Doña Elena (Regina Torné) zu sein. In deren verquerer Vorstellung von Familientradition bleibt es nämlich die "heilige Pflicht" ihrer Jüngsten, unverheiratet zu bleiben und der Mutter bis zu deren Tod zu Diensten zu sein. Selbst für das traditionelle Mexiko des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist dies ein hartes Los. Umso härter, als sich Tita gerade einmal 15-jährig in den hübschen Pedro (Marco Leonardi) verliebt - und er sich in sie. Als Pedro Doña Elena seine Aufwartung machen will, bietet diese ihm stattdessen ihre älteste Tochter Rosaura (Yareli Arizmendi) zur Hochzeit an. Pedro willigt in den Handel ein - um Tita trotz allem nah sein zu können.
Die alte indianische Köchin Nacha (Ada Carrasco) ist es, die Titas Leben unter dem strengen Regiment der Mutter erträglich macht und sie in die Geheimnisse des Kochens einweiht. "Nur die Töpfe wissen, wie heiß es in ihrem Inneren brodelt", erklärt sie, und hindert Tita daran, am Vorabend der Heirat von Pedro und Rosaura zu verzweifeln. Doch einige Tränen Titas finden ihren Weg in den Teig der Torte - mit geradezu magischen Folgen: Beim ersten Bissen wird die Hochzeitsgesellschaft von einer unbändigen Traurigkeit befallen, die sie um eine verlorene Liebe weinen lässt. Und "in einer Orgie kollektiven Erbrechens das Festmahl in den
Fluss befördert".
Von nun an lebt Tita ihre unterdrückten Gefühle am Herd aus. Trauer, Wut, die glühende Verehrung für Pedro: Titas Wesen wird Teil ihrer Gerichte. Diese Leidenschaft treibt jedoch seltsame Blüten. Als sie von den Wachteln in Rosenblättern kostet, erwacht in der mittleren Schwester Gertrudis (Claudette Maillé) eine Begierde, die sie kurzerhand in denn Sattel eines vorbeireitenden Revolutionisten treibt. Der grausamen Mamá Elena entgeht nicht, dass Tita noch immer für den Ehemann ihrer Schwester brennt, und sie lässt keine Gelegenheit aus, ihre Jüngste zu schikanieren. Als letzten Ausweg schickt sie Rosaura und Pedro fort, um die Verliebten voneinander fern zu halten - jedoch mit mäßigem Erfolg.
"Bittersüße Schokolade" erzählt die Geschichte einer romantischen, unerfüllten Liebe, und mehr: Sie beschreibt die eine universelle, treibende Kraft. Das spanische Original "Como agua para chocolate" weist auf die ungezügelte, brodelnde Energie hin: Wer sich in Mexiko aus Leidenschaft oder Wut über etwas erregt, schäumt "wie Wasser für Schokolade" - heiße Schokolade, die in Mexiko mit Wasser statt mit Milch zubereitet wird. Der Film funktioniert als Parabel: Mamá Elenas Härte und vornehmliche Moral stehen den reinen und unschuldigen Gefühlen Titas gegenüber. Es stellt sich die Frage, wie moralisch es sein kann, der eigenen Tochter das Leben zur Hölle zu machen. Jedoch birgt auch Mamá Elena ein Geheimnis. Die drei Töchter symbolisieren ihrerseits drei Urtypen der Frau: Die traditionelle Rosaura, die ihre einzige Lebensaufgabe in der Ehe sieht; die Amazone Gertrudis, die sich mit Gewalt aus dem familiären Gefängnis befreit, und Tita, deren Aufgabe als Priesterin es ist, mit ihrer Liebe, Intuition und Leidenschaft das Leben der Menschen um sie herum zu transzendieren.
Titas Gerichte dienen im Film als Mittel des Ausdrucks; alles dreht sich um sie. Essen gereicht nicht der bloßen Nahrungsaufnahme, sondern wird zu einem vollkommenen, sinnlichen Akt. Nicht umsonst heißt es, Liebe gehe durch den Magen. Nicht umsonst haben Festessen eine lange Tradition. Zuneigung wird in einem liebevoll bereiteten Mahl spürbar, erfahrbar. In der Hühnersuppe, die manch Kranken besser heilt als jedes Medikament. In der Tafel Schokolade, die so manchen Kummer lindert.
Die literarische Vorlage Laura Esquívels trägt alle Kennzeichen des lateinamerikanischen "Realismo Mágico", des Magischen Realismus, der die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verwischt. Alfonso Aráu setzt den Bestseller seiner Frau mit dem zehnfachen Budget einer durchschnittlichen mexikanischen Produktion in Szene. "Bittersüße Schokolade" erregt als erster lateinamerikanische Film weltweit Aufmerksamkeit. Aráu heimst in der Folge zehn nationale und dreizehn internationale Filmpreise ein. 300.000 Besucher sehen den Film allein in Deutschland beim Kinostart 1992.
In der DVD-Version kommt die optische Brillianz des Films leider nicht zum Tragen: Gedreht wurde in 1,85:1, das Vollbild-Format der DVD ist zumindest schwer gewöhnungsbedürftig. Auch hätte eine digitale Nachbearbeitung gut getan: Die Farben sind blass, die Bildqualität lausig. Zusätzlich ist die deutsche Synchronisation - wie leider bei vielen lateinamerikanischen Filmen - katastrophal. Also unbedingt im Original mit Untertiteln ansehen!