Um einen meiner Lieblingsfilme,
Heidi Heida II, zu zitieren: “Jo mei, jetz kon is jo sogn”. Im zarten Alter von 13, 14 Jahren habe ich regelmäßig diverse Fernsehzeitschriften nach Bildern und Inhaltsangaben von Erotikfilmen durchgeblättert – immerhin wollte ich am Schulhof mitreden können, und ansehen war mangels eines eigenen Fernsehers nicht drin. Und ich weiß nicht wieso, aber irgendwie ist mir
Wilde Orchidee im Gedächtnis geblieben, wurde doch immer betont, dass es sich bei diesem Streifen um mehr als den üblichen Softsex-Schmahfuh handelt. Um wieviel mehr, darüber lässt sich allerdings streiten...
Der Mangel an wirklicher Spannung fällt beispielsweise gleich zu Beginn auf, gerade die erste Viertelstunde plätschert seicht-fröhlich vor sich hin. Da wird die junge Anwältin und Dolmetscherin Emily, gespielt von Carré Otis, von einer großen Finanzfirma angestellt und der erfahrenen Geschäftsfrau Claudia an die Seite gestellt. Danach werden beide nach Brasilien geschickt, weil sie dort irgendeinen Deal mit einem chinesischen Unternehmen abwickeln sollen. Da es aber Probleme mit den lokalen Unterhändlern gibt, muss Claudia kurzfristig noch wo anders hinfliegen – wenn man genug Distanz zu Island hält, kann man es sich ja leisten. Sie lässt Emily allein in Rio de Janeiro zurück, allerdings nicht ohne zuvor ein Treffen zwischen dieser und einem gewissen Wheeler zu arrangieren – letzterer hat am Rande mit dem aktuellen Gesc
häft zu tun.
So weit, so ermüdend. Mit Wheeler, der von Mickey Rourke verkörpert wird, gewinnt der Film dann etwas an Unterhaltungswert. Der Charakter ist, obgleich inkonsequent inszeniert, verhältnismäßig interessant, und des Herren Rourke Schauspiel weiß zu begeistern, ganz im Gegensatz zu dem seiner damaligen Freundin Carré. Gerade in einem Film, der mit knisternder Erotik und zarten Gefühlsregungen spielen will, ist es ein Nachteil, wenn man immer wieder einfach starr in die Kamera blickt – und ist man noch so attraktiv, so wird das nichts.
Nach dem ersten Auftreten von Wheeler zeichnen sich kurzzeitig auch die Ansätze einer Handlung ab, scheint der charmante Millionär doch die naive Emily verführen zu wollen. Im weiteren Verlauf wird die Beziehung der Beiden aber unnötig kompliziert, drängt Wheeler sie doch förmlich in die Arme eines Anderen, um dann beleidigt von dannen zu ziehen. Außerdem erfahren wir noch, dass auch Claudia einmal in ihn verliebt war, und dass er eigentlich als stotternder Straßenwaise aufgewachsen ist. Dazwischen gibt es noch zahlreiche andere Episoden, ein wirklicher roter Faden fehlt. Spannung kommt so natürlich keine auf. Das hat allerdings den Vorteil, dass das klischeehafte Ende nicht wirklich enttäuscht, es wirkt viel eher erschreckend konsequent.
So fragt sich der eine oder die andere vielleicht, wie die eingangs erwähnten Fernsehzeitschriften zu einem eigentlich positiven Urteil kommen konnten. Nun, vollkommen unberechtigt ist es nicht, hat der Film doch auch seine Stärken. Gerade graphisch ist er teilweise beeindruckend. So beobachtet Emily beispielsweise, wie sich ein Pärchen in einem verfallenen Hotel liebt. Das karge Interieur lenkt die Aufmerksamkeit auf die beiden natürlich sehr schönen Menschen, während ein kleiner, durch einen Wasserrohrbruch bedingter Wasserstrahl, der dezent an einen Wasserfall erinnert, das exotische Flair unterstreicht. Da wir, wie Emily, das Geschehen anfangs durch einen Spiegel beobachten, und auch später ob der schwachen Beleuchtung nicht alles erkennen können, entsteht eine surreale, traumhafte Atmosphäre. Schließlich wirkt das dargestellte leidenschaftliche Liebesspiel trotz der denkbar unsinnigen Grundidee, man könnte sich zum Beischlaf in ein verlassenes Gebäude zurückziehen, „echt“ und wird geschickt von der Kamera eingefangen: Hier seht man weder zu viel, noch zu wenig. All dies macht diese Sequenz zu einer der mitunter erotischsten des Films.
Auch die Episoden auf dem Karneval und in einem dekadenten High-Society Swingerclub, in dem man natürlich lächerliche Masken trägt, können überzeugen, obgleich man hier gelegentlich die großen Teilen des Filmes eigene Subtilität sträflich vernachlässigt und grundlos Aufnahmen von Brüsten einstreut. So paradox es klingt, dies stört meines Erachtens die Erotik des Filmes – als würde man sich einen Hauch von Nichts erhoffen, und dann ist die Frau doch schon nackt.
Positiv hervorzuheben ist auch die Musik, welche die jeweilige Stimmung kunstvoll unterstreicht und zumeist recht gut mit der visuellen Ebene harmoniert. Gerade Wheelers Harley-Fahrt, während der „Wheeler's Howl“ von den (Blue) Rhythm Methodists erklingt, hat mich in dieser Hinsicht begeistert, hier gehen Schnitt und Musik Hand in Hand. Da ist man fast geneigt zu verzeihen, dass diese düster-depressiven Momente eigentlich so gar nicht in die Handlung passen wollen.
Im Großen und Ganzen treffen in
Wilde Orchidee also eine durchaus anerkennenswerte inszenatorische Leistung, ein fünftklassiges Drehbuch und ein durchwachsener Cast zusammen – für letzteren ist der Unterschied zwischen Rourke und Otis symptomatisch. Insofern haben wir es mit einem bunten, durchaus erotischen Feuerwerk zu tun, über das man allerdings einfach nicht näher nachdenken sollte. Dem eingangs beschriebenen guten Ruf wird der Film allerdings nicht gerecht, und ohne dem Gerücht, der abschließende Sex zwischen Emily und Wheeler sei echt gewesen, wäre er wohl wesentlich unbekannter geblieben. Kein Meilenstein des erotischen Kinos also, aber durchaus sehenswert.