Der mehrfach ausgezeichnete Film
Tears of the Black Tiger aus dem Jahre 2000 kommt aus Thailand und gehört zu den optisch markantesten Filmen, die es gibt. Ähnlich den Kinoperlen Moulin Rouge oder Memories of Matsuko überfordern sie im ersten Moment das Auge des Zuschauers, begeistern jedoch schnell und beeindrucken dann nachhaltig. Auch entspricht
Tears of the Black Tiger als asiatischer Western mit thailändischen Cowboys nicht gerade einem gängigen Genre und verdient deshalb umso mehr Aufmerksamkeit.
Als Kinder verlieben sich Rampoey (Stella Malucchi) und Dam (Chartchai Ngamsan). Sie verunglückt und alle denken, Dam sei der Schuldige. Die Beiden werden auseinandergerissen. Es darf nicht sein, dass die Tochter des Gouverneurs und ein einfacher Bauernsohn liiert sind. Als sie sich zehn Jahre später zufällig an der Universität wiederbegegnen, kommt es zu tragischen Verwicklungen. Dam muss die Uni zu Unrecht verlassen und kehrt zu seinem Vater zurück. Doch wurde dieser aus politischen Gründen ermordet. Als Black Tiger schließt sich Dam einer Gruppe Banditen an, um Rache zu nehmen. Rampoey soll den Polizeihauptmann Kamjorn (Arawat Ruangvuth) heiraten. Deshalb möchte sie mit Dam fliehen. Ihr Plan misslingt. Der ehrgeizige Verlobte soll Dams Bande zur Strecke bringen. Als er in Dams Hände gerät, lässt dieser ihn laufen: Dam möchte sich Rampoeys Glück nicht in den Weg stellen. Stattdessen schleicht er sich am Abend vor der Hochzeit in
ihr Haus, um die Hochzeitsgesellschaft vor dem geplanten Überfall seiner Bande zu warnen. Nach diesem Verrat an seinen eigenen Leuten wird Dam nun von beiden Seiten unter Beschuss genommen. Als sich Dam und Kamjorn gegenüberstehen, drückt Kamjorn voreilig ab.
Zugegeben, die Story ist traurig. Doch geraten Handlung, Dialoge, schauspielerische Leistungen und sonstige Kleinigkeiten völlig in den Hintergrund. Der Film beeindruckt durch seinen Bilderrausch, wie er nur sehr selten zu erleben ist. Regisseur Wisit Sasanatieng erzählt in einem Interview, dass er mit
Tears of the Black Tiger (der Originaltitel “Fah talai jone” heißt übersetzt “Der Himmel zerstört den Banditen”) die alten thailändischen Filme wieder aufleben lassen wollte. Damals waren Darsteller gemischter Wurzeln besonders beliebt, so dass Sasanatieng für die Besetzung der weiblichen Hauptrolle die italienisch-kolumbianische Stella Malucchi wählte, die in Thailand lebt und perfekt Thai spricht. Bei der Besetzung des Dam griff er auf den altbewährten Schauspieler Chartchai Ngamsan zurück, mit dem er zuvor bereits mehrmals zusammengearbeitet hatte. Entsprechend dem Konzept wurde auch die Story in die Vergangenheit gelegt, sie spielt irgendwann in der Nachkriegszeit. Dies wird durch die Kostüme und die Ausstattung gut vermittelt. Auch die Filmmusik leistet ihren nostalgischen Beitrag mit alten Thai-Liedern. Neu sollte am Film allerdings die Machart sein: die Lieder wurden neu aufgenommen und moderne Technik wurde bei der Bearbeitung der Farben eingesetzt.
Selten wagen Produzenten und Regisseure solch farbintensive Bilder wie in
Tears of the Black Tiger. Knallig und doch klar und aufgeräumt. Besonders die Farbe rot sticht ins Auge und ähnelt eher einem satten pink: rote Lippen, rotes Blut, rotes Kleid. Um diese Farbeffekte überhaupt erzielen zu können, setzten die Filmemacher eine zum damaligen Zeitpunkt relativ neue Technik ein: Das Filmmaterial wurde digitalisiert, um dann mit dem Computer die gewünschten Farben herzustellen. Auch konnte dadurch leichter ein einheitlicher Look der Bilder erzeugt werden, z.B. bei unterschiedlichen Wetterverhältnissen während des Drehs. Um den Film auf der Kinoleinwand zeigen zu können, musste er wieder auf Filmmaterial ausbelichtet werden. Übertreibungen im Farbspiel genauso wie bei der Wahl der Locations und deren Ausstattung waren explizit gewollt, um dem Zuschauer das Gefühl von “Kino” zu vermitteln. Der Film sollte betont nicht realitätsgetreu sein. Insgesamt wirkt
Tears of the Black Tiger streckenweise wie ein Theaterstück. In einer Szene wurde der Hintergrund gemalt. Die Schauplätze wirken oft etwas leblos: gekehrte Böden, keine Spinnweben, kein Staub. Doch stört diese Mischung keineswegs. Das filmische Experiment wird mit Wohlwollen, ja mit Begeisterung, betrachtet, weil es passt, weil es gefällt.
Was den Mut und die Lust am Ausprobieren von Farben und filmischen Mitteln angeht, so kann der europäische Film sich gerne etwas vom innovativen asiatischen Kino abschauen.