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Paris, Texas

Paris, Texas

Ein Film von Wim Wenders

Europäer, die in Amerika drehen wollen, haben meist ganz genaue Vorstellungen von ihrem künftigen Projekt. Im Falle des Deutschen Wim Wenders verhielt es sich 1984 so, dass er einen Film über den tiefsten amerikanischen Westen drehen wollte, über den Mythos, der Filmemacher immer wieder dazu veranlasste, dort ihre Zelte für ihre Arbeit aufzuschlagen. Als Sinnbild für die Kooperation zwischen Europa und Amerika benannte er seinen Film nach einem kleinen Ort nahe des Red River: “Paris, Texas”. Dieser Ort, der nicht mit der französischen Hauptstadt zu verwechseln ist, zumal er ja auch inmitten des texanischen Bundesstaates liegt, animierte Wenders vor rund 25 Jahren zu einer fulminanten Höchstleistung. Seine zutiefst berührende Road- Movie- Familiengeschichte ist bis zum Anschlag gefüllt mit unbeschreiblicher Kinomagie und wunderschönen, wuchtigen Bildern, so dass es auf dem Filmfestival in Cannes seinerzeit völlig zurecht frenetischen Beifall regnete.

Paris, TexasParis, TexasParis, Texas
Vier Jahre lang war Travis (Harry Dean Stanton) wie vom Erdboden verschluckt. Sein Bruder Walt (Dean Stockwell) und dessen Frau Anne (Aurore Clement) waren sich eigentlich schon sicher, dass er nie wieder zu ihnen zurückkehren würde. Dann bekommt Walt eines Tages einen Anruf von einem Unbekannten: Travis sei wieder aufgetaucht und läge in einem Krankenhaus einige hundert Meilen von Walts Wohnort entfernt, wo sich der ausgedorrte Heimkehrer regenerieren würde. Also macht Walt sich auf den Weg, um seinen Bruder abzuholen. Tatsächlich findet er ihn dort vor, doch der spricht kein Wort und verhält sich apathisch. Als Travis nach einer ganzen Weile doch auftaut, ist Walt überglücklich und nimmt seinen Bruder, der erst nach und nach wieder richtig zu sich kommt, bei sich zu Hause auf. Dort trifft Travis auch auf seinen achtjährigen Sohn Hunter (Hunter Carson), der seit dessen Verschwinden bei seinem Onkel lebt. Hunter akzeptiert Travis zunächst nicht als seinen richtigen Vater, doch mit der Zeit kommen sich die beiden näher. Als Walt Travis jedoch eine Videoaufnahme von dessen Ex- Frau Jane (Nastassja Kinski) vorspielt, beschließt der verlorene Sohn, wieder fortzuziehen: Er möchte um jeden Preis Jane finden, die er immer noch liebt und deren Trennung von ihm die Ursache dafür war, warum Travis vor vielen Jahren verschwand. Und dann erklärt sich Hunter dazu bereit, seinen Vater bei der Suche zu begleiten…

Das Ziel seines Unternehmens war, so Wenders, seine Liebe für die unendliche Weite der texanischen Landschaften zum Ausdruck zu bringen und dem Mythos des amerikanischen Westens ein Denkmal zu setzen. Und das spürt man. Die pulsierende Leidenschaft, die der Düsseldorfer in die Verwirklichung seines Ziels legt, sprießt aus jeder einzelnen Leinwandpore. Ihm gelingen in Zusammenarbeit mit Kameramann Robby Müller Bilder von solch atemberaubender Schönheit, dass jeder Fernsehschirm für sie zu klein wäre. Es gibt in der gesamten Spielzeit keine Einstellung, die nicht grenzenlos begeistert. Es ist diese ganz spezielle Wenders- Magie, die man einfach erlebt haben muss.

Diese Bilder, deren Kraft sich einfach niemand entziehen kann, sind jedoch auch immer Ausdruck des Innenlebens der Protagonisten. Einsamkeit, Verzweiflung, Geborgenheit, Ruhe, Hoffnung oder Liebe. Was immer die Charaktere fühlen, es wird stets perfekt und treffend visualisiert. Auch verzichtet Wenders des Öfteren über längere Zeit auf Dialog und lässt die Poesie der Bilder in Verbindung mit einfachen Blicken oder Gesten für sich sprechen. Die Inszenierung ist insgesamt sehr ruhig, erst gen Ende gibt es in einer kurzen Szene so etwas wie Rasanz, wenn Travis sein Ziel, Jane wieder zu sehen, in greifbarer Nähe sieht.

Die Geschichte, die Wenders in “Paris, Texas” erzählt, ist über weite Strecken eine schlichte Familiengeschichte, doch von unglaublicher Intensität und Emotion geprägt. Die Komplexität beispielsweise der Vater- Sohn- Beziehung zwischen Travis und Hunter und der daraus entstehende Konflikt zwischen Walt und Anne, die glauben, mit ihrem Adoptivkind auch ihre Zuneigung zueinander zu verlieren, ist ungeheuerlich ergreifend. Oder die finale Sequenz, in der sich Travis und Jane ihr Erlebtes beichten, durch einen Spiegel getrennt, durch den Travis zwar Jane, aber Jane umgekehrt Travis nicht sehen kann. Kurz darauf, wenn die melancholische Gitarre Ry Cooders die von grell- buntem Licht beleuchteten Straßen des nächtlichen Houston durchschneidet, ist das ein schlicht sensationeller, herzzerreißender Schlussakkord.

Paris, TexasParis, TexasParis, Texas
Was die Auswahl der Schauspieler anbelangt, hatte Wenders mit der Besetzung der Hauptrolle ein mehr als glückliches Händchen. Harry Dean Stanton gibt als herzensguter Vater mit gebrochenem Herzen und tragischer Vergangenheit eine wahnsinnig emotionale und einfühlsame Vorstellung. Dean Stockwell, der Stantons Filmbruder spielt, ist aber nicht weniger großartig. Toll auch die Darbietungen vom Rest der Crew, insbesondere die von Klaus Kinskis Tochter Nastassja, die aus dramaturgischen Gründen allerdings erst in der letzten halben Stunde zeigen darf, was sie kann.

“Paris, Texas”, man muss es noch einmal sagen, ist pure Kinomagie. Travis` Odyssee durch den amerikanischen Westen ist so authentisch und zugleich märchenhaft, dass es einem das Herz wärmt. Ein Road- Movie der besonderen Art, in dessen Genuss jeder Freund anspruchsvoller Unterhaltung wenigstens einmal kommen sollte.

Eine Rezension von Christopher Michels
(23. Januar 2009)
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Daten zum Film
Paris, Texas BRD/Frankreich 1984
(Paris, Texas)
Regie Wim Wenders Drehbuch
Produktion Arthaus
Darsteller Harry Dean Stanton, Dean Stockwell, Nastassja Kinski
Länge 139 Minuten FSK ab 6
Kommentare zu dieser Kritik
travisbickle TEAM sagte am 30.07.2009 um 22:27 Uhr

Kurzer TV-Tipp: Nächste Woche Donnerstag (6.8.) läuft PARIS, TEXAS um 21 Uhr auf arte. Einschalten Pflicht ;-)

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