(USA, 1990)
“Catatonics are so easy to possess.“
Der Übergang zu den Neunziger Jahren, eigentlich schon das Ende des alten und der Beginn des neuen Jahrhunderts, wie Eric Hobwsbown meinte. An dieser Schwelle brach nicht nur der CIA in Panik aus, weil sich die ideologische Konkurrenz hinter dem eisernen Vorhang einfach verkrümelte und den Kapitalismus als Siegersystem ohne Feind zurückgelassen hatte. Auch Filmfreunde waren etwas unentspannt, denn es gab zwei dritte Teile. Dritte Teile von Filmen, Werken, Epen der Siebziger, ohne die der Begriff „Filmklassiker“ keinen Sinn machte.
The Godfather (
Der Pate I + II, 1972 / 1974) von Francis Ford Coppola und William Friedkins
The Exorcist (1973). Der erste dritte Teil hatte es natürlich schwer und wird vermutlich nur aus Mitleid oder Chronistenpflicht in jeder Collectors Box mitgenommen. Mit den ersten beiden legendären Mafiadramen konnte Coppolas Fortsetzung von 1989 nicht mithalten. Die Geschichte des angeblich gruseligsten Horrorstreifens aller Zeiten erzählt sich hingegen nicht als reine Erfolgschronik. Denn da gab es ja den zweiten Teil, den "legendären" zweiten Teil.
Friedkin stand für eine Fortsetzung des Kassenschlagers 1977 nicht zur Verfügung. Also engagierte man den talentierten John Boorman, der schon den grimmigen Rachekrimi
Point Blank (1967), den stilbildenden Outdoor-Thriller
Deliverance (
Beim Sterben ist jeder der erste, 1971) und das skurrile Fantasy-Abenteuer
Zardoz (1974) gedreht hatte. Doch dieses Abenteuer ging ganz mächtig in die Hose. William P. Blatty, der das Drehbuch für den ersten Teil schrieb und dafür einen Oscar kassierte, soll sich in einem Kino in Washington D.C. vor Lachen in die Hose gemacht haben, und mit ihm das ganze Publikum. Dabei ist nicht wirklich auszumachen, was an diesem Film nun witzig sein sollte, nicht einmal unfreiwillig witzig, aber die wirre und äußerst disparat wirkende Geschichte tat bestimmt ihr übriges.
The Exorcist II - The Heretic (
Der Exorzist II – Der Ketzer, 1977) gilt bis heute als einer der bösesten Komplettflops überhaupt.
1983 schrieb Blatty den Roman
Legion, der von Anfang an als wahre Fortsetzung dieses Stoffes gedacht war. Zuerst sollte John Carpenter im Regierstuhl sitzen, doch letztendlich nahm Blatty das Blatt selbst in die Hand. Sein Wunsch, der Film möge mit dem Titel
Exorcist III – Legion in die Kinos kommen, erfüllte sich nicht. Auch butterte 20th Century Fox noch einmal vier Millionen Dollar in die Post-Produktion, weil es nach ihrem Geschmack zuviel psychologischen Horror und zu wenig Action zu sehen gäbe.
In
Exorcist III gibt es zunächst nichts, was nach Exorzismus aussieht. In Georgetown treibt ein Killer sein Unwesen. Er tötet nahezu wahl- und systemlos. Der ermittelnde Lt. Kinderman (George C. Scott) ist der alte Freund von Damien Karras. Alle Verbrechen tragen die Handschrift des Gemini-Killers, der allerdings vor fünfzehn Jahren auf dem elektrischen Stuhl starb. Eine Spur führt Kinderman in ein Krankenhaus, das auch über eine Einrichtung für psychisch Labile verfügt. In dem mysteriösen Mann, der in einer Isolierzelle sitzt, erkennt Kinderman Pater Karras (Jason Miller).
Dieser Film gehörte nicht gerade zu den Kritikerfavoriten, ein allzu großer Kassenerfolg war ihm aber auch nicht beschieden. Das mag viele Gründe haben, die man heute verstehen kann oder auch nicht. Auf jeden Fall könnte man einwenden, dass
Exorcist III ein bisschen sehr zusammengeschustert wirkt. Zum Schluss kommt ein Priester in die Zelle getorkelt und exorziert etwas ziellos umher, aber im Grunde ist das überflüssig wie eine Warze. Der Film wäre richtig klasse geworden, hätte man sich auf die Geschichte eines Mörders konzentriert, der die Fähigkeit besitzt, seinen Körper zu verlassen. Das wäre es gewesen. Alles andere, die Art und Weise, wie der Plot mit der Erzählwelt des ersten Teils verknüpft wird, wirkt hanebüchen und unnötig.
Aber! Auch wenn Blatty ruhig etwas Stringenz in seine Story hätte bringen können, handelt es sich bei diesem Film trotzdem um eine schönen, schaurigen Thriller. Ihm sind hier viele Einstellungen gelungen, die heute noch durch und durch gespenstisch sind. Natürlich wirkt sein Visualismus manchmal etwas veraltet, doch meistens sieht man einen Film, von dem sich die Splatterfetischisten, die
Saw und
Hostel verbrechen, eine allerdickste Scheibe abschneiden könnten. Man erinnere sich an die vielleicht eindringlichste Szene von allen, der Krankenschwestermord im letzten Drittel. Da verweilt die Kamera für vier Minuten in einer weiten Großaufnahme, die nur hin und wieder von Nahszenen unterbrochen wird. Eine Einstellung, die heutiges Jungvolk vermutlich nicht mehr still sitzend verbringen kann.
Dramaturgisch macht Blatty vieles richtig. Die Spitzen setzt er sehr geschickt und mit schlauer, mitunter enervierender, auditiver Unterstützung. Doch auch die stillen Momente sind wunderbar unruhig und unheilvoll, öfter regnet es (ein Stilmittel, das David Fincher später in
Seven (1996) fast zum Fetisch machte).
Der gute George C. Scott spielt viel besser, als böse Kritiker monierten. Er wirkt zwar schon etwas tatterig, aber das macht eigentlich nichts. Jason Miller, den die Produktionsfirma unbedingt im Film haben wollte, um eine Verbindung zum ersten Teil herzustellen, ist nicht der Rede wert. Der eigentliche Hit ist Brad Dourif, der den Gemini-Killer spielt, oder besser gesagt: er spielt ihn auch. Er hatte diese Rolle zuerst inne, dann wurden nachträglich Szenen mit Miller in derselben Rolle gespielt. Das Ergebnis dieser kopflosen und fahrigen Aktion ist, dass beide dieselbe Rolle spielen. Der Film verkauft einem, dass Scott mit zwei Schauspielern redet. Er glaubt seinen Freund Damon Karras (also Jason Miller) zu sehen, doch eigentlich sieht er den Gemini-Killer, also Brad Dourif. Aber der ist ja eigentlich tot, oder?! Der Erklärung, die das Drehbuch dafür bereithält, ist abenteuerlich und zeigt, wie sehr man einen Film verschlimmbessern kann.
Noch schlimmer ist, dass Dourifs hervorragende Leistung bei diesem Eiertanz ein bisschen untergeht. Zwar legt er diese Rolle recht exzessiv und ausladend an – hätte man den Stoff heute gedreht, wäre man wohl zu einer introvertierteren, dafür aber umso subtiler und subkutanen Interpretation übergegangen. Aber es ist gut so wie es ist. Er spielt diesen Killer mit viel eruptiver Gewalt und exzentrischem Sarkasmus. Den Eitlen schlägt er zum Beispiel den Kopf ab und hält ihn hoch, damit sie für ein paar Sekunden ihren eigenen Körper sehen können. „Ein kleines Extra, völlig umsonst.“ Der Killer als Dienstleister, auch nicht schlecht.
Auch den Hauch von Surrealismus, den Blatty in der Traumsequenz einbaut, steht dem Film im Grunde sehr gut. Es gab tatsächlich Fans, die sich an ein bisschen Humor gestoßen haben, aber was soll denn das? Es ist doch schön, Georg C. Scott dabei zuzuhören, wie er zu einem ermordeten Jungen im Traum meint: „Tut mir leid, dass du umgebracht wurdest.“ Das kommt so staubtrocken, dass es wahre eine Freude ist. Noch besser: einer der Engel wird gespielt von dem langhaarig-blonden Pornoluden 'Fabio'. Schaurig, schaurig...
Wie gesagt, mit ein bisschen mehr Mut und Gradlinigkeit hätte aus
Exorcist III ein richtiger Klassiker werden können. Vor allem, wenn man ihn überhaupt nicht erst als dritten Teil verkauft hätte. In dieser Form aber muss man ihn, leider, immer wieder verteidigen müssen. Im Schatten des großen Überklassikers kann einfach nichts gedeihen.