von Asokan Nirmalarajah
Um es gleich vorwegzunehmen,
Fantastic Mr. Fox (2009), der erste komplett animierte Film des US-Independent-Regisseurs Wes Anderson, ist vor allem wieder eines:
quirky. Kein anderes Wort wird so regelmäßig in Zusammenhang mit den tragikomisch-bizarren, existentialistisch-ironischen Werken des eigenwillig stilbewussten Filmemachers benutzt. Und doch kann sich Anderson selbst nicht wirklich mit dem Begriff anfreunden. Schließlich reicht die Bedeutungspalette des Wortes nicht nur von raffiniert und schrullig bis hin zu schräg und skurril, in den Kritiken zu Andersons Filmen konnotiert „quirky“ in erster Linie auch ironisch-substanzlose Hipster-Coolness und narzisstisch-affektierte Filmkunst. Auch wenn Anderson den exzentrischen Stil des US-Independentfilms weder erfunden (Regisseure wie David Lynch, Jim Jarmusch und Joel und Ethan Coen haben viel früher schon sehr seltsame Filme gedreht), noch ausgeschöpft hat (Regisseure wie David O. Russell, Spike Jonze und Alexander Payne haben nicht weniger unkonventionelle Filme gedreht), werden seine Filme als Paradebeispiele für eine besonders originelle Ästhetik abseits des Mainstreamfilms gehandelt. Mit seiner charmanten Verfilmung des gleichnamigen Kinderbuchklassikers des walisischen Autoren Roald Dahl von 1970 bleibt sich Anderson seiner Ästheti
k zwar treu, offenbart aber im Genre des Trickfilms erstmals eine neue erfrischende Zugänglichkeit zu seinen bewährten thematischen Obsessionen.
Der fantastische Mr. Fox dreht sich wie alle bisherigen Filme von Wes Anderson wieder mal um unwahrscheinliche Freundschaften zwischen sehr verschiedenen Persönlichkeiten und um konfliktreiche, passiv-aggressive Familienbindungen, wenn auch diesmal ins Tierreich verlagert. Der titelgebende Protagonist Mr. Fox (gesprochen von George Clooney) ist sich nicht nur seiner tierischen Natur bewusst, er liebt es auch, seiner naturgegebenen Rolle als Hühner- und Taubendieb nachzugehen. Als seine Frau Felicity (Meryl Streep) allerdings schwanger wird, gibt er seinen gefährlichen Beruf auf und wird Kolumnist bei einer Zeitung. Zwei Jahre später lebt er mit seiner Frau und seinem launischen Sohn Ash (Jason Schwartzman) in einer Fuchshöhle und wünscht sich nichts sehnlicher, als gesellschaftlich aufzusteigen, das heißt, in die sehr geräumige Wohnung unter dem großen Baum auf dem nächstgelegenen Hügel zu ziehen. Die Warnungen seines Anwalts Badger (Bill Murray) vor den neuen Nachbarn, den schießwütigen drei Bauern Bogis, Bunce und Bean ignorierend, zieht Fox mit seiner Familie und Felicitys Neffen Kristofferson (Eric Chase Anderson), der vorübergehend bei ihnen wohnt, um. Sein geheimer Plan, mit seinem neuen Freund, der Beutelratte Kylie (Wallace Wolodarsky), die umliegenden, schwer bewachten Bauernhöfe zu beklauen, provoziert allerdings den Rückschlag der Menschen, die nach und nach den Lebensraum aller Tiere im Umkreis der Fox-Familie zerstören. Der schuldbewusste Mr. Fox muss sich nun etwas einfallen lassen, um seine Verwandten und Nachbarn zu retten…
Die Reaktionen zu den Filmen von Wes Anderson teilen sich für gewöhnlich in drei gut bestückte Lager: diejenigen, die immer wieder ein neues Meisterwerk vorzufinden meinen, andere wiederum, die nichts mit seinem lakonischen Humor, seinem gekünstelten Stil und seiner ziellosen Dramaturgie anfangen können, und wieder andere, die seine nur selten langweilige Ästhetik und die vielen kleinen, inszenatorischen Bonmots bewundern, aber mit seinem distanzierten Erzählstil so ihre Probleme haben. Ich würde mich wohl zu der letzten Fraktion zählen, weshalb ich auch sein Erstlingswerk
Bottle Rocket (1996) – eine kuriose Gangsterballade über zwei Freunde (gespielt von den Brüdern Luke und Owen Wilson), die einen Raubüberfall planen, um den Respekt ihres übergroßen Mentors (James Caan) zu gewinnen – für seinen bislang besten Film halte. Im Anschluss daran erschienen mit
Rushmore (1998),
The Royal Tenenbaums (2001) und
The Life Aquatic with Steve Zissou (2004) zunehmend bizarre, ziellose Ansammlungen amüsanter bis melancholischer Szenen ohne Pointe, die in seinem bislang vielleicht schwächsten Film
The Darjeeling Limited (2007) ihren Tiefpunkt erreichten. Eines der kuriosesten Macken Andersons ist es, seine monoton agierenden Schauspieler im eindrucksvoll arrangierten Bild stehen zu lassen, in der Hoffnung, dass dabei leise Komik oder leise Tragik oder gar beides auf einmal kommuniziert wird. Bei manchen seiner Schauspieler mag das wunderbar funktionieren (Jason Schwartzman, Bill Murray), bei anderen eher wie aufgesetzte Coolness wirken (Adrien Brody, Owen Wilson). So ist einer der Gründe dafür, dass
Fantastic Mr. Fox so wunderbar funktioniert, wohl der, dass Anderson bei seinen exakten Bildkompositionen hier erstmals nur mit Puppen und nicht mit ungelenken Schauspielern arbeiten musste.
Darüber hinaus bietet die Vorlage zu
Fantastic Mr. Fox, die unter anderem bereits als Theaterstück und als Oper adaptiert wurde, genau die Art von komplexem Mikrokosmos, in die sich Anderson mit seiner gewohnten Hingabe zum Detail hineinwerfen kann. Der unter anderem für den Oscar als bester Animationsfilm des Jahres 2009 nominierte, starbesetzte Film ist tricktechnisch eindrucksvoll realisiert und erlaubt es, Anderson seine bekannte Geschichte von alternden Heldenfiguren auf der Suche nach den Abenteuern ihrer Jugend und von unzureichenden Söhnen auf der Suche nach der Akzeptanz ihrer übergroßen Vaterfiguren zu erzählen. Dass er sie diesmal auch unterhaltsam, amüsant und sogar bewegend erzählt, liegt wohl auch daran, dass er sich relativ eng an die Vorlage hält und sich mit seinen üblichen narrativen Schlenkern eher zurückhält. Während die erste Hälfte des Films als Familienkomödie in den drolligen Charakternuancen der allesamt liebevoll gestalteten Figuren und in der gewohnt originellen Auswahl an amerikanischen Rock- und Folksongs schwelgt, beginnt in der zweiten Hälfte die eigentliche Handlung des Films, die als Kindergeschichte zwar komplett berechenbar ist, aber immer wieder mit kleinen feinen Momenten absurder Komik und semi-philosophischen Dialogen begeistert.
Wie Mr. Fox einmal reflektiert:
"Who am I, Kylie? [...] Why a fox? Why not a horse, or a beetle, or a bald eagle? I'm saying this more as, like, existentialism, you know? Who am I? And how can a fox ever be happy without, you'll forgive the expression, a chicken in its teeth?" Eine Frage, die wir uns sicherlich alle schon einmal gestellt haben.