(USA, 1979)
„We gotta get out of this place / If it's the last thing we ever do”
(Eric Burdon & The Animals)
„Wenn genug Menschen diesen Film sehen, könnte er im Alleingang die 'I love New York'-Kampagne sabotieren."
(Frank Rich,
Time Magazine)
1979 war New York City die vielleicht abgewrackteste Metropole des Westens. Gefährlich, marode, runtergewirtschaftet. Zwischen 1970 und 1980 verließen über 800.000 Menschen die Stadt. Vor allem die weiße Ober- und Mittelschicht verzog sich in die Vorstädte, übrig blieben Afroamerikaner und Hispanics. Die Stadt saß auf einem gigantischen Schuldenberg. Die Nacht gehörte dem organisierten und unorganisierten Verbrechen, die Polizei war machtlos oder selbst korrupt. Eine Metropole die schon immer ein zwiespältiges Image hatte, die nicht umsonst in den
Batman-Comics als dunkle, gotische Brutstätte des Verbrechens verewigt wurde, war am Tiefpunkt angelangt.
Und wenn man in den Siebzigern für einen Film eine böse Stadt suchte, wo Gesetzlosigkeit regelrecht ins Erscheinungsbild eingraviert war, nahm man einfach New York. 1979 kam ein Film in die Kinos, der sich heute wie der logische Höhepunkt dieser Entwicklung ausnimmt.
In
The Warriors lässt Regisseur Walter Hill alle Gangs der Stadt im Central Park aufmarschieren. Cyrus (Roger Hill), charismatischer und red
egewandte Anführer der Riffs und mächtigster Bandenführer der Stadt, hat ein konspiratives Treffen arrangiert, bei dem jede Gang eine Delegiertentruppe schickt. Es herrscht Waffenstillstand. Cyrus möchte die zersplitterte Gangszene zu einer riesigen Armee vereinigen, um die Macht in New York City zu übernehmen. Auch die Warriors aus Coney Island sind da.
Aus der Revolte wird nichts. Cyrus wird hinterrücks von Luther (David Patrick Kelly), dem Anführer der Rogues, erschossen. Anschließend schiebt er den Warriors das Attentat in die Schuhe. Die Warriors können entkommen, doch ihr langer Weg zurück nach Hause wird zum Spießroutenlauf, denn alle Gangs der Stadt sind ihnen nun auf den Versen. Massai, der neue Anführer der Riffs, will sie. Lebendig. Denn Rache ist Chefsache.
Meister der Reduktion
Walter Hill galt Anfang der Achtziger als Spezialist für Spannung und Action. Eine Nähe zum damaligen König dieser Disziplin, John Carpenter, besteht nicht nur darin dass ihre Hoch-Zeiten zeitlich zusammenfallen. Beide Regisseure pflegten eine Art kunstvollen Reduktionismus. Beide erzählten präzise auf den Punkt inszenierte Geschichten. Doch in diese Korsetts packten sie stimmungsgeladene Bilder, die über nackten Realismus hinausgehen.
Die Handlung von
The Warriors spielt sich ab in einer einzigen schwülen Sommernacht. Sie beginnt mit dem Attentat auf Cyrus und endet mit dem finalen Duell an einem trüben Morgen auf Coney Island.
Hill inszenierte den auf einer Sol Yurick-Novelle basierenden Stoff als finstere, kafkaeske Ghetto-Odyssee, eingefangen im fahlen Licht der Straßenlaternen, das über dem Asphalt der Seitengassen und dem Stahl der U-Bahn-Unterführungen, über zugemüllten Bürgersteigen und verlassenen Parks liegt. Die Geschichte ist zeitlos, sie funktionierte schon in der Antike, in Xenophons Kriegschronik
Anabasis.
Der Sokrates-Schüler begleitete 401 v. Chr. den Feldzug des jungen Kyros gegen seinen Bruder Ataxerxes II. in die Schlacht um den persischen Thron. Kyros (engl: Cyrus) biss ins Gras, und Xenophon musste das Griechenheer alleine durch das Persische Reich zur rettenden Schwarzmeerküste führen.
Die Warriors befinden sich ebenso auf fremdem Territorium und bahnen sich Stück für Stück ihren Weg durch ein nächtliches New York, das vor Feinden wimmelt. Jede einzelne Station ihrer Reise wird zur neuen Kampfprobe mit einer Gang die ihnen an der Kragen will.
Die Stadt wird zum Parcours, die Wege können in die Freiheit oder ins Verderben führen. Hill setzte nicht nur auf Action, sondern auch auf die schwitzige, brütende Spannung die nur ein Film bieten kann, der nachts spielt. Eine mysteriöse Radiomoderatorin, deren Gesicht wir nie richtig sehen, hält ihre Hörer auf dem Laufenden. Zur Initiation der Jagd spielt sie den Soul-Klassiker 'Nowhere To Run', die Kamera gleitet über dunkle Straßen, einsame Unterführungen. Die Szenen, in denen Riffs-Anführer Masai Rapport erstattet wird, versprühen Anflüge von Surrealismus: Sinistre Lichtkonstellationen, undefinierbare, elektronische Klangteppiche im Hintergrund.
Mehr als ein Actionfilm
The Warriors ist mehr als ein reißerischer Actionfilm. Und vermutlich funktioniert er heutzutage als Actionfilm gar nicht mehr. Es gibt ein paar harte Szenen, auch Frauen werden vermöbelt – wenn sie damit anfangen. Aber noch heute wird der Film mit FSK 18 verkauft, und wenn man sich einen aktuellen Horrorfilm ansieht ist das schlichtweg ein Witz.
Vielmehr besticht der Film heute noch als beklemmender Abenteuertrip, den Hill mit viel Sinn für kompaktes Erzählen und wirkungsvolle Bilder inszenierte.
Man nehme zum Beispiel den montageartigen Vorspann, wo sich eine U-Bahn wie eine Schlange durch die Nacht windet. Der Vorspann erledigt die Exposition in wenigen Dialogfetzen und Bildern, in denen die Gangs der Stadt in die Nacht ausschwärmen. Dazu wabert der fiebrige Synthesizer-Disco-Rock von Barry de Vorzon.
Hill treibt das Ausgangsszenario seiner Geschichte auch ins Absurde und die Bilder ins Comichafte. Das gilt für die Gangs, denen man ein kunterbuntes, fast prunkhaftes Outfit verpasste. Das gilt auch für manche Szenenübergänge, die an ein Umblättern von Comicheftseiten erinnern.
Diese Themen, die Gewalt und die Überzeichnung, sind markant und bestimmten die zeitgenössische Auseinandersetzung. Sieht man sich den Film heute an rückt beides in den Hintergrund. Es bleibt trotzdem bemerkenswert, dass der Regisseur für diesen Stoff einen solchen Look wählte. Selbst Comics kümmern sich hin und wieder um das Innenleben ihrer Darsteller. Hills Blick ist systemisch, Psychologie interessiert ihn nur in Form von Gruppendynamik.
Die Warriors sind ein soziales System, wie ein Wolfsrudel, und nur als Gemeinschaft mit eingespielten Verteidigungsstrategien können sie überleben. Die Kommunikation beschränkt sich auf Schlachtplanung oder Alphatier-Gezänke zwischen dem besonnenen Anführer Swan (Michael Beck) und dem heißblütigen Gernegroß Ajax (James Remar). Doch man erfährt nichts über die Gefühle der neun Kämpfer oder ihr Leben außerhalb der Gang. Bis zum Schluss bleiben sie Schatten ohne Vergangenheit, die mit diesem Film auftauchten und danach für immer verschwanden. Keiner der Schauspieler legte eine richtige Karriere hin.
Die Augenblicke in denen kurz die Schutzschilde runterfahren und Platz ist für ein bisschen Gefühl, kann man an einer Hand abzählen. Und auch dann bleiben die Figuren erratisch und unbeweglich. Selbst zum Schluss, in der Morgendämmerung, bleiben Swans Gesichtszüge kalt. Er und der Rest der Truppe blicken über ein karges Coney Island: „Dafür haben wir die ganze Nacht gekämpft - nur um hier hin zurück zu kommen.“
Es ist bemerkenswert, dass Hill fast alle Emotionalität und Impulsivität in die Figur des Widersachers Luther legte. David Patrick Kelly spielt diese Rolle mit Bravour. Ein hinterlistiger, rasend-aggressiver Psychopath. Sein gellendes „Warriiioooors!! Come out to play-aaaayyyyy!!!“, das immer höher, enervierender wird, hallt einem lange in den Ohren.
Konservative und Kritiker waren nicht zu begeistern
Hills dritter großer Kinofilm verlangte allen Beteiligten eine Menge ab. Fast ausschließlich wurde an Originalschauplätzen und mit echten, gecasteten Gangs gedreht. Vor Ort mussten Team und Technik vor der Rache der Leerausgegangenen geschützt werden, an denen der Filmruhm vorbei ging. Die Homicides, die wahre Gang von Coney Island, musste man ebenfalls vom Set fernhalten.
Noch mehr Wirbel entfachte der Film in der Öffentlichkeit. Konservative, wie der bekannte Republikaner und Kolumnist Max Rafferty, verurteilten den Film als reine Gewaltorgie um der Gewalt willen. Die Filmkritik stieß ins selbe Horn. Nicht einmal Yurick war von der Verfilmung seiner Stoffes angetan.
Doch selbst in höchsten Momenten des kunstvollen In-die-Tonne-Schreibens konnte sich manch Kritiker einer gewissen Faszination nicht erwähren. Frank Rich eröffnete seine Tirade im
Time Magazine mit folgenden Worten: „Ein Plot ist praktisch nicht existent, und das was übrig ist, ist langweilig. Die Schauspieler agieren hölzern, die Dialoge sind platt, der Humor kindisch, und die Geschichte würde selbst eine Küchenschabe nicht die Bohne interessieren.“ Aber: „Auch wenn der Film Müll ist – es ist gut aussehender Müll. Hill versteht nichts von Street Gangs, aber er versteht es, die Texturen eines urbanen Alptraums in Szene zu setzen.“ Letzter Satz: absoluteste Zustimmung! (Allerdings frage ich mich an dieser Stelle immer, ob Kinokritiker so viel mehr von Street Gangs verstehen, aber phhh.)
Ausgerechnet die feingeistige Pauline Kael vom
New Yorker scherte ein bisschen aus der Reihe und verglich den Film mit Richard Brooks
Blackboard Jungle (
Die Saat der Gewalt, 1955). Die Gewalt fand sie zwar nicht nur gut, war aber von Hills „ästhetischer“ Inszenierung beeindruckt, irgendwie.
Die Gewalt war vielleicht derart ästhetisiert, dass sich einige Jugendliche zur Nachahmung angestachelt fühlten. Es ist bis heute nicht geklärt, in wie weit einige Fälle von nächtlichem Vandalismus und Übergriffen mit diesem Film zu tun haben. Im bekanntesten Fall - ein Gangmitglied tötete einen 16-jährigen in Dorchester, Massachusetts - war der Täter betrunken und hatte den Großteil der Filmvorführung verschlafen.
Die andere Seite
The Warriors ist weit mehr als ein Actionfilm. Letztens Endes reiht er sich ein in die großen cineastischen Erzählungen über Amerika. Es ist ein Blick auf die andere Seite der bekannten Welt, die Extrapolation einer Parallelgesellschaft. Auf dieser anderen Seite ist es natürlich Nacht. Die Plätze des öffentlichen Lebens sehen aus wie Ruinen. Gespenstische Schauplätze, auf denen die Außenseiter und Aussteiger einen bizarren Krieg austragen. Menschen aus der Wirklichkeit des Tages kommen nur als Statisten vor, als wären sie zufällig ins Bild getapst.
Hills Szenario spiegelt die Ängste Amerikas vor seiner eigenen Unterschicht. Auf zeitgenössischen Filmplakaten blickten dem Zuschauer tausende Comickrieger entgegen. In der Tagline heißt es: „These are the armies of the night. They are 100.000 strong. They outnumber the cops five to one. They could run New York City.” Einige Kinobetreiber weigerten sich diese Plakate auszustellen.
Es war auch diese Angst vor den (zu) liberalen, außer Kontrolle geratenen Subkulturen, die Millionen Amerikaner ein Jahr später dazu trieb Reagan zu wählen und das gute, reiche, weiße Amerika dazu anstachelte, sich in den Achtzigerjahren von seiner allerbesten, allerreichsten, allerweißesten Seite zu zeigen.
Diese Angstphantasien sind in ihrer Konsequenz und Überspitzung der Höhepunkt einer zeitgenössischen Debatte um Kriminalität und der Verwahrlosung ganzer Gesellschaftsschichten. New York ist der ultimative Ort an dem diese Phantasien Gestalt annehmen. Diese Konsequenz konnte nur übertroffen werden von John Carpenter, der kurz darauf in
Escape from New York (
Die Klapperschlange, 1981) aus ganz Manhattan ein einziges, großes Gefängnis machte.
In der vielleicht symbolischsten Szene sitzen Swan und seine weibliche Begleitung Mercy (Deborah Van Valkenburgh) in einer U-Bahn, ihnen gegenüber zwei ausgelassene Pärchen in feinen Anzügen, die vermutlich gerade von einer Party kommen. Sie mustern sich verlegen, niemand spricht ein Wort. Doch in den Blicken lauert die Frage danach was wäre, wenn Gott oder der Zufall sie auf der anderen Seite des Wagons, auf der anderen Seite der Welt platziert hätte. Sie leben in der selben Stadt, sie könnten einander die Hand schütteln, doch die Mauer zwischen ihnen ist aus Beton.
Am Ende, so viel darf man verraten, gewinnen die Warriors den Kampf um Wahrheit und Ehre und stolpern in den Sonnenaufgang. Was der neue Tag, was die Zukunft bringt, das kann keiner wissen. Sie leben, das muss erst mal reichen. Die Dame von Radio spielt 'In The City' von den Eagles: „Somewhere out on the horizon / Far away from the neon sky / I know there must be something better / And I can't stay another night”.
Dazu plätschern die Wellen. Wie die griechischen Soldaten vor über zweitausend Jahren haben eine Handvoll junger Menschen zum Schluss das rettende Ufer gefunden.
Ach ja, die Pointe zum Schluss. Ronald Reagan war ein Fan des Films. Er zeigte ihn seiner Belegschaft in Camp David, rief sogar Hauptdarsteller Michael Beck an um ihn zu diesem tollen Film zu gratulieren. Mein Versuch einer Erklärung: Entweder die soziale Botschaft war ihm schnurz, Hauptsache Action. Oder er dachte sich beim Schluss: "Toll, vielleicht sucht sich das Pack jetzt endlich 'nen Job."